05.01.2012 Shanghai - spektakulär unspektakulär

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Spielzeug-Hubschrauber - Identitätsstörungen - Einsicht: keine Städtereisenden

Shanghai - der Inbegriff des anderen Endes der Welt und dann doch so unaufregend für uns. Die Stadt mit ihren 17 Mio. Einwohnern bietet alles, was man sich vorstellen und wünschen kann: kleine Shops und riesige Einkaufszentren für Ramsch und edle Marken, trendige Bars, Kunst und Kultur und das alles in modernen, schick hergerichteten Straßen durch die sich Chinesen und Touristen gleichermaßen schieben. Ab und zu, gut platziert, ein paar alte Häuser und Hinterhöfe, in denen es kurzzeitig so aussieht, als wenn man dann doch in China ist. Oder gibt es das stereotypische China, wie wir es erwarten, kaum noch? Zwar bezeichnen wir das heutige Shanghai als "zu" westlich und daher weniger aufregend, aber wirft das nicht eher die Frage nach der modernen chinesischen Identität auf?

Shanghai unterteilt sich, auch durch den Fluss Huangpu, in zwei Bereiche. Im westlichen Teil, Pǔxī, gibt es viele ältere Gebäude im westlichen Stil, die überwiegend aus den Zeiten der britischen und französischen Konzession stammen. Die erste florierende Zeit erlebte Shanghai durch den Handel mit Opium, Seide und Tee, der durch die westlichen Länder gefördert wurde und einen beachtlichen Reichtum (im Vergleich zum restlichen China) der Stadt einbrachte. Aus dieser Zeit stammen die repräsentativen Häuser der Europäer direkt am Flußufer, am Bund. Dem direkt gegenüber, in Pudong, setzt sich seit 1990 das moderne China mit einem Wolkenkratzer neben dem anderen sein eigenes Denkmal. Doch läuft man durch diese Straßen sucht man fast vergeblich nach Leben. Nur wenige, stets zielgerichtete, Fußgänger, keine Straßenverkäufer mit Essen und die Parkflächen wirken zu arrangiert um ein Lustwandeln mit Blick auf Hochhäuser zu fördern. Kaum vorstellbar, dass sich hier noch abends die älteren Damen zu ihren Tänzen treffen sollen - im noch nicht ganz durchgestylten Nachbarviertel findet das schon jetzt neben einem Metroeingang auf einer kleinen freien Fläche statt, inmitten der Hektik der rush hour. Die Apartmentkomplexe sind gut durch Wachpersonal und Elektrozaun abgeriegelt und lediglich ein Blick in die Fenster zeigt ein bisschen Individualität. Dazu im totalen Gegensatz, sind die alten Wohnhäuser einstöckig mit offener Bauart, Waschbecken, Ofen und Müll vor der Tür und oft wird durch den Verkauf von Waren oder Essen direkt aus dem Wohnzimmer der Lebensunterhalt bestritten. Diese Gebiete werden in einem Entwicklungsschritt zu einem Lebensumfeld aus Stahl und Glas? Wo bleiben die Familien, die durch eine Garküche vor ihrem Haus gelebt haben? Nudelsuppenverkauf im 33. Stock eines Hochhauses haben wir noch nicht gesehen. Bisher findet man im alten Stadteil noch so manche Straße, in der es bunt und "chinesisch" zugeht und durch die wir gern spazieren uns an Neuentdeckungen erfreuen, die für die Chinesen Alltag sind... oder waren.

Von den touristischen Attraktionen haben wir uns den Bund, das Shanghai Museum und das Viertel der französischen Konzession angeschaut. Ansonsten haben wir uns treiben lassen und haben so manchen Markt für Dies und Jenes und vor allem Elektronik angeschaut. Der aktuelle Hype schien der ferngesteuerter Hubschrauber fürs Wohnzimmer zu sein. Modelle verschiedenster Arten und Größen wurden an jeder Ecke angeboten und auch fleißig gekauft. Da preislich (ab ca. 10 Euro) gut erschwinglich haben wir uns sogar dazu hinreißen lassen und haben einen kleineren erworben, mit dem wir erste Flugversuche im Hostelzimmer starteten. Die Freude war leider schnell vorbei, als nach einem bösen Absturz die Rotoren sich nicht mehr drehten. Also haben wir ihn wieder ordentlich verpackt und zum Verkäufer zurück gebracht, dem wir unsere Enttäuschung über die Flugunfähigkeit mit Hand und Fuß zeigten. Ganz ohne Probleme wurde der Hubschrauber ausgetauscht und wir zogen glücklich zurück zum Hostel, einer von uns mit schlechtem Gewissen, der andere grinsend.

Während unseren Aufenthalten in Shanghai schliefen wir in zwei verschiedenen Hostels, dem Mingtown Hiker Youth Hostel, und dem Blue Mountain Youth Hostel. Beide haben uns ganz gut gefallen, was aber nicht darüber hinwegtäuschen kann, dass unsere Stopps in Shanghai primär funktionaler Natur waren und der Beantragung der Wiedereinreise und anschließender Verländerung unseres Visum diente. Uns zog es eher in die ländlicherer Umgebung, wovon im nächsten Artikel zu lesen sein soll.

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