01.10.2012 Gorakhpur - indische Grenzerfahrung

Aus RTW

Ankunft mit Schlafzug - (schrecklich) langer Zwischenstopp - Grenzübertritt Nepal - Bus durch die Nacht ins Wanderparadies

Nach all der Zeit war er nun da, der Kulturschock. Eingeholt hat er uns in Gorakhpur, in einem, für indische Verhältnis kleinen Ort (nur 700'000 Einwohner) kurz vor der Grenze nach Nepal. Angekommen waren wir mit dem Nachtzug aus Delhi und da wir keine Ahnung hatten, wann die Busse zur Grenzstadt Sunauli fuhren, buchten wir uns erst Mal in einem Hotel gegenüber vom Bahnhof ein. Eigentlich wollten wir zu einem Hostel weiter in der Innenstadt, aber der Weg dort hin nahm uns quasi den Mut. Neben der Straße stapelte sich entweder durchtränkter Müll oder man musste durch knöcheltiefe Pfützen unbestimmbarer Flüssigkeiten. Zwischen den Müllhaufen standen Ess-, Kaffee- und Obststände, liefen Kühe, Hunde und halbnackte Kinder herum. Als uns dann noch ein Hund mit aufgerissenem Genick, in dem schon Maden wimmelten, entgegenkam, hatten wir genug, zogen ins erste freie Zimmer (eine Schlägerei an der Rezeption übersahen wir notgedrungen) zurück, das wir finden konnten und überdachten noch einmal unserer Situation. Es sah so aus, als sollte es erstmal vorbei sein mit Street Food (Essen von Straßenständen), da die Hygiene erstmalig auf unserer Reise lebensbedrohliche Zustände angenommen hatte. Trotzdem versuchten wir es, halb notgedrungen, halb neugierig, weiter in den kleinen Läden, die die Straßen säumten. Wir beobachten, wo viele Leute aßen und die Wasserpumpe davor auch benutzt wird. Dann probierten wir auf Kuhdung geröstete Brotbällchen, Auberginen-Paste von Zeitungspapier und Tali (Reis mit Gemüse und Soßen), stilecht ohne jegliches Besteck und nur mit der Hand - die Rache war bitter. Zwei Tage später lag ich mit Magen-Darm und hohem Fieber flach.

8738605976_107c7aca20_m.jpg Irgendwie war das Indien, was wir bis jetzt vorgefunden hatten nicht bunt, mystisch oder gar spirituell. Allein das stereotypische Hygieneproblem war sehr präsent und überwältigend - so war es dann auch wenig überraschend, dass mir zwei fette, nasse Ratten über die in Flipflops sonst nackten Füße liefen, als wir im Internetcafé unsere vorläufige Flucht nach Nepal planten. Unsicher über die genauen Visaformalitäten, wartend auf eine Bestätigung der Verlängerung unserer Reiseversicherung und mit vorgebuchtem Hotel in Kathmandu (ja, neue Länder verunsichern auch uns noch manchmal) hatten wir beschlossen erst zum 01. Oktober nach Nepal einzureisen, sodass wir zwei Nächte im schönen Gorakhpur zu verbringen hatten. Obwohl die Grenze nach Nepal nur knappe 100 km entfernt war, gab es scheinbar nur Busse am frühen Morgen zum Grenzort Nautanwa. Und so standen wir dann in freudiger Erwartung morgens um sechs Uhr irgendwo an der Straße und warteten auf dem Bus. Je länger wir warteten, je mehr Meinungen hatten wir hinsichtlich Abfahrtsort und Zeit zusammen und mehrmals hatten wir schon den Rucksack geschultert bis sich dann immer herausstellte, dass es der falsche Bus war, oder wir nur fünf Meter weiter rücken sollten oder es sich sogar um private Vehikel handelte, in die wir einsteigen sollten. So oder so, die Begeisterung über unsere Anwesenheit wollte nicht abnehmen und irgendwann fand sich sogar der richtige Bus, in dem wir dann geschlagene fünf Stunden Richtung Norden huppelten.

Grenze Indien

8737488385_1924384e35_m.jpg In Nautanwa, die indische Seite vom Grenzübergang Sunauli, herrschte - wie immer in Indien - hektisches Treiben. Die Hauptstraße zur Grenze war voll von Autos, vollbepackten Fahrrädern und Menschen, so dass man kaum seine eigenen Füße sehen konnte und genauso wenig das kleine Büro der Zollbehörden, das sich nahtlos in die bunten Ladenfronten eingliederte. Aber zum Glück ist immer ein Inder in der Nähe, der mit Rat und Tat zur Stelle ist, und so wurden wir von einem einfachen Gemüt über die Regeln der Grenzüberschreitung aufgeklärt. Lange Geschichte kurz erzählt: wir hatten unsere Zweifel, dass Personen in Zivil in einem kleinen unscheinbaren Laden, 50m vor der Grenze, uns den offiziellen Ausreisestempel geben würden. Aber es entpuppte sich als richtig und die Beamten erzählten uns dann, dass sie gerade erst umgezogen seien und kein Geld für Uniformen da sei.

Noch einmal fragten wir nach, ob wir, wenn auch mit Visum für zweimalige Einreise nach Indien ausgestattet, wirklich nicht von der 60-day gap rule (60-Tage-Regel) betroffen sein werden, von der wir so viel gelesen hatten, und die uns ein wenig Sorge bereitete, wollten wir doch nach dem Wandern in Nepal nach Indien zurückkehren - und vor allem nicht noch ein Visa bezahlen müssen. Die Regel besagt, dass man erst 60 Tage nach der Ausreise aus Indien wieder mit dem gleichen Visa einreisen darf; die Zöllner zerstreuten jedoch unsere Sorge, da die Regel nicht für direkte Nachbarländer gilt. Nachtrag Mai 2013: Die Regelung ist offenbar inzwischen gänzlich aufgehoben.

Grenze und Visa Nepal

8398404072_7104e2ae85_m.jpg Nachdem man seinen Stempel von Indien hat, kann man unbehelligt erst durch den indischen Torbogen, dann über ein Stück Niemandsland (wo man die hilfreiche Touristeninformation für Nepal findet) und dann durch das Tor für Nepal - das alles gemeinsam in einem Schwarm von Indern und Nepalesen, die ohne Formalitäten hin und her kreuzen können. Das Visum für Nepal war schnell erledigt - man füllt ein paar sehr formlose Formulare aus und bekommt einen händisch ausgefüllten Aufkleber in den Pass. Jedoch konnten wir uns erstmal nur 30 Tage Aufenthalt leisten, da wir nicht genug Dollar dabei hatten. Wir bemühten unsere eiserne Dollar-Reserve, man kann allerdings auch in nepalesischen Rupien bezahlen (zu einem ungünstigen Wechselkurs zwar aber ein ATM ist rund 200m weiter, wohin man ohne Ausweis schnell gehen kann - die Zöllner sind sehr geduldig).

Große Schilder am Grenzübergang ermahmen, dass die Einfuhr von 500er und 1000er (indische) Rupien Noten nach Nepal verboten ist (Bekämpfung des Falschgeld-Handels) einzuführen. Wir fragten bei der kleinen Touristeninfo im Niemandsland nach und erklärten, dass wir nur zwei davon hatten und wieder zurück nach Indien wollen. Der Mann bat uns nur, die Scheine nicht in Nepal auszugeben; wir ließen sie in der Ausrüstung verschwinden. Hat man jedoch Bedenken, findet sich die eine oder andere Wechselstube (in Nepal kann man die großen Scheine nicht mehr wechseln).

Bus nach Kathmandu

In Sunauli gibt es keinen Grund zu bleiben. Kurz hinterm Grenzübergang gibt es nicht viel, nur ein paar wenige Häuser, Shops und ein Hotel mit Restaurant. Der eigentliche Ort liegt drei Kilometer weiter (wo es auch nicht viel gibt). Wir wurden direkt nach den Visa-Formalitäten von einem jungen Mann angesprochen, der die Bedürfnisse der Touristen gut kennt: mit dem Bus weiter nach Kathmandu. Er gratuliert uns geflissentlich zu unserer Flucht aus Indien, wo die Menschen ja so gemein sind und ganz groß im Touristenbetrug (fast O-Ton, nur übersetzt). Aber nun sind wir ja im freundlichen und ehrlichen Nepal und alles wird viel besser, sprach er mit einem dicken Grinsen und bald erfuhren wir auch warum. Indien hing mir an und ich merkte das indische Essen allzudeutlich im Magen und dazu kam erstes Fieber und so wollte ich, auch wenn der Betrug auf der Hand lag, einfach nur weiter in die Hauptstadt in ein Bett und nicht groß nach dem Bus suchen müssen. Wir nahmen das Angebot an und ließen uns von dem Mann zu seinem Boss bringen, dem angeblich der nächste Bus nach Kathmandu gehöre. Man stellte uns eine Quittung für den Preis aus (Tickets bekamen wir erst kurz vor der Abfahrt) und versicherte, dass der Aufpreis wegen der Luxusausstattung (Klimaanlage) des Busses sei. Kurz darauf entpuppte sich die Klimaanlage als kleine Ventilatoren, die am Fenster auf unangenehmer Kopfhöhe installiert und unfunktionsfähig waren und der Ticketpreis deutlich überzogen. Kauft man das Ticket beim tatsächlichen Schalter (dessen Existenz uns verleugnet wurde), spart man 1/3. Blieb uns nur zu hoffen, dass der Mann selbst ein Inder war, er sich von seiner Ankündigung von einem betrugsfreiem Nepal ausgeschlossen hatte und es wirklich besser wurde. Tatsächlich schlug sich ein (nur leicht betrunkener) junger Nepalese auf unsere Seite und beschwerte sich lautstark über die Behandlung von Touristen in seinem Land - aber nur so lange, bis man (das tatsächliche Buspersonal was in das Spiel eingeweiht war) ihm mit einem Busverweis drohte.

Für die 200km von der Grenze nach Kathmandu brauchten wir nur läppische zehn Stunden, so dass wir gegen ein Uhr nachts in der Hauptstadt ankamen. Wir, gemeinsam mit drei anderen Touristen, wurden an einer ruhigen Kreuzung auf die Straße nördlich des Stadtviertels Thamel entlassen (lies: ausgesetzt) und als letzte Amtshandlung wurde noch ein Taxi herangewunken. Die Verhandlungen um einen fairen Preis überließen die unerfahreneren Touris uns. Tatsächlich fand sich jemand, dem das von uns angebotene Geld wichtiger war als kein Umsatz und so bekamen wir eine Fahrt ins nahe Touristenviertel für 250 Rupien. Nachdem wir erst die anderen bei ihren Hostels abgesetzt hatten, irrten wir durch die engen Gassen zu unserem. Dank GPS lotzten wir den ahnungslosen Taxifahrer zum Potala Hotel und klingelten dort den Wachmann aus dem Bett. Zu erst dachten wir noch, die Auswirkungen der Störung des Nachtschlafes ließen den Hotelmitarbeiter nicht unsere Reservierung finden und uns stattdessen ein Zimmer für 20 USD anbieten, aber dann entpuppte es sich doch als die falsche Unterkunft, in der wir vorsprachen. Unsere Unterkunft (Hotel Potala) war einige wenige Gehminuten weiter weg - Lektion 1 in Thamel: Von jedem erfolgreichen Hotel gibt es mindestens drei Nachahmer mit ähnlichklingendem Namen. Dort bekamen wir dann schnell unser reserviertes Zimmer und konnten endlich ins Bett kriechen, wo ich fast die gesamte nächste Woche verbrachte. Nur wenige Tage Indien und unsere Ausflüge in die dortige Küche hatten gereicht, was 12 Monate lang hemmungsloses Verkosten lokaler Spezialitäten Südostasiens nicht geschafft hatten.

Fakten

  • Bus von Sunauli nach Kathmandu für 500 NPR

Visa Nepal

  • Wird bei Einreise erteilt
  • 25 USD für 15 Tage, 40 USD für 30 Tage, 100 USD für 100 Tage (mehrmalige Einreise möglich)
  • Verlängerung möglich, 2 USD pro Tag vor Ablauf des Visa (für mehrmalige Einreise zzgl. einmalig 20 USD), 5 USD pro Tag bei nachträglicher Verlängerung (Visa bereits abgelaufen).
  • Büro Kathmandu: Kalika Marg, Kathmandu 44600
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