06.01.2012 Suzhou und Tongli - Venedige des Ostens

Aus RTW

UNESCO-Weltkulturerbe und die Folgen - kalte Finger am Algensee - Ochsenfrosch nach Art des Hauses - Infrarot-Straßenlampen

Durch das Warten auf unsere Visaverlängerung hatten wir sieben Tage Zeit die Umgebung von Shanghai zu erkunden, so dass wir uns für die Wasserstädte Suzhou und Tongli entschieden, die schon Marco Polo begeistert bereist hat und mit "Venedig des Ostens" betitelt hat. Jedoch bekamen wir nun, gute 700 Jahre später, natürlich ein etwas anderes Bild präsentiert.

Als erstes ging es nach Suzhou, eine Stadt durchzogen von Wasserkanälen und mit einer großen Anzahl von traditionellen chinesischen Gärten, die in ihrer Gesamtheit zum UNESCO Weltkulturerbe gezählt werden. Wir wohnten ein bisschen abseits im preiswerten Suzhou Water Town Hostel, von wo aus man gut das Stadtzentrum zu Fuß erkunden kann. Am ersten Tag ging es erstmal in den kleinsten der Gärten in Suzhou, in den Garten des Meisters der Netze (Wangshui Yuan, Master of the Nets), ein Privatgarten aus dem 18. Jahrhundert. Obwohl die eigentliche Fläche der Anlage recht klein ist, lassen die verwinkelten Gebäude und Höfe, sowie der große Teich im Zentrum, den Garten größer erscheinen und die lustwandelnden Touristen können sich gut aus dem Weg gehen. Die ganze künstliche Szenerie erinnert stark an die chinesischen Malereien und so manches Fenster eines Ganges oder Pavillons rahmt die sorgfältige Nachgestaltung der Natur wie ein Bild ein. Da wir mit diesem Garten den kleinsten gesehen hatten, spazierten wir anschließend quer durch die Stadt zum größten Garten, dem Garten des bescheidenen Beamten (Zhuōzhèng Yuán, The Humble Administrator's Garden). Entsprechend seines Ranges inmitten der Sehenswürdigkeiten der Stadt, wurde der Eingang zum Garten von einer großen Anzahl chinesischer Führer belagert, die uns ihre Dienste anboten und uns vor der Größe warnten. Doch die Preistafel des Tickethäuschens und auch der recht hohe Eintrittspreis versprachen kostenfreie Führungen zur vollen Stunde. Wie sich jedoch dann drinnen herausstellen sollte, gab es Audioguide und Gruppenführungen nur auf Chinesisch und nicht auf Englisch (Nebensaison bedingt?). Immerhin bekamen wir einen Übersichtsplan mit englischer Beschriftung. Diesem folgten wir nun durch den Garten, der nun im Gegensatz zum ersten, wie eine Parkanlage mit ein paar Pavillons anmutete und viele Blicke über die ganze Anlage und somit auf die doch recht zahlreichen Touristen (Tagesausflügler von Shanghai) zuließ. Insgesamt hat uns der Garten nicht so sehr gefallen, was vielleicht in erster Linie durch die Jahreszeit bedingt war. Alles wirkte ein bisschen trist und gezwungen. Während im Garten des Meisters der Netze die künstlich geschaffene Natur zum Lustwandeln zwischen den Wohnhäuschen einlädt und eine Oase im Alltagsstress bietet, ist der Garten des bescheidenen Beamten ein großer Park, in dem verschiedenste Tempelchen und Pavillons an einem verzweigten Teich stehen. Am interessantesten waren da noch die große Anzahl von Bonsais, die man in verschiedensten Formen bewundern kann. Um den Kulturtag zu vervollständigen gingen wir noch ins eintrittsfreie Suzhou Museum, wo man wie immer Jade, Bronzegefäße und alte Stempel zu sehen bekommt.

Abends gingen wir auf Empfehlung des Lonely Planets in einem Teehaus auf der über tausend Jahren alten Ping Jiang Straße entlang einem Kanal mit steinernen Brücken essen. Während das nördliche Ende der Straße einer typischen Touristenmeile mit Cafés und Kunsthandel gleicht, ist das südliche Ende noch immer chinesisch ursprünglich, im Sommer sicher eine Bootsfahrt wert. Genug von der Kultur am Vortag mieteten wir uns am nächsten Tag Fahrräder und folgten einem GPS Track, der zu zwei Seen führte, die in der Umgebung von Suzhou liegen. Leider gab es bei recht tristen und kalten Wetter mehr asphaltierte Straßen, Baustellen und Müllhaufen zu sehen als Natur. Auch konnten wir dem Track nicht durch einen Park folgen, da der Pfortenwächter uns den Zugang mit Fahrrad verweigerte. Wie der Chinese, der den Track im Internet zur Verfügung gestellt hat, das gemacht hat ist unklar. Immerhin sahen wir als Ziel unsere Route den Taihu, den drittgrößten Süßwassersee Chinas und überquerten den, mit über 1800 km, längsten Kanal der Welt, den Kaiserkanal. Der Taihu, einst Fischgebiet und Trinkwasserreservoir, dient heute nicht mehr der Trinkwassergewinnung, da er 2007 umkippte (mehrere Millionenstädte waren ohne Trinkwasser) und es bisher nur bescheidene Bemühungen gab die Qualität des Wassers zu verbessern - die Industrie wurde offiziell angehalten das Einleiten von Giftstoffen zu unterlassen, Konsequenzen scheinen jedoch nicht zu folgen. Auch das ein Faktor bei der Bewertung von 9,8% Wirtschaftswachstum (YoY) im letzten Quartal.

Da wir in Suzhou nicht wirklich viele Kanälchen mit Altstadtflair gefunden hatten, wollten wir eigentlich weiter nach Wuzhen zum Wassermark Xizha. Da jedoch der Zutritt zum Wassermarkt Eintritt kosten sollten, entschieden wir uns kurzerhand für Tongli und kamen dort in der Jugendherberge unter. Tongli war nun endlich mal ein überschaubarer Ort mit einem kleinen historischen Zentrum, das abgesehen von vielen Touristenläden auch ein paar ruhige Kanalstraßen bietet. Obwohl an jeder größeren Brücke zum Zentrum ein Kassenhäuschen steht, kann man die Altstadt, die Rufe der Hawkers ignorierend, ohne Eintritt besichtigen. Möchte man sich jedoch die kleinen Sehenswürdigkeiten anschauen, kann man ein Kombinationsticket erwerben. U.a. findet sich in Tongli das einzigste Sexmuseum Chinas, wofür jedoch separat Eintritt gezahlt werden muss. An sich kann man Tongli gut an einem Tag von Shanghai aus "abarbeiten". Aber nimmt man sich die Zeit und lässt sich durch die Gassen treiben, kann man hier und dort schöne Motive finden. Fotos belegen jedoch, dass sich zu sommerlichen Zeiten Massen an Touristen die Sträßchen entlang schieben und es dann bei weitem nicht so beschaulich ist. Das aufregendste an unserem Aufenthalt war mit Abstand unser Abendessen in einem recht einfachen Restaurant. Noch immer der chinesischen Sprache nicht mächtig, zeigten wir beim Bestellen einfach auf das Gericht am Nachbartisch und harrten der Dinge. Auf den Tisch kam ein großer Telle mit gegrillten Möhren, Zwiebeln, Paprika und einem seltsamen weißen Fleisch. Obwohl das Fleisch wie von Fisch aussah, deuteten die Knochen auf ein Wirbeltier hin. Auch der Preis ließ vermuten, dass wir irgendwas seltsames hatten oder gar schrecklich betrogen wurden. Um Klarheit zu schaffen, ließen wir uns das Gericht aufschreiben und legten es dem Mitarbeiter unserer Unterkunft vor. Auch dieser war recht ratlos und schien mit den chinesischen Schriftzeichen nicht viel anfangen zu können. Erst eine Übersetzung ins englische brachte Klarheit: Wir hatten Ochsenfrosch verspeist. Ok, interessant, nicht schlecht, aber doch ein bisschen preisintensiv (47 RMB, mind. 2 normal Gerichte) um auf unsere Liste der Leckereien zu kommen.

Zusammenfassend kann man beide Wasserstädtchen empfehlen. Beide sind zum Teil sehr touristisch bieten jedoch sehr unterschiedliche Attraktionen. Während in Suzhou die klassischen Gärten, Pagoden und das Shopping auf dem Plan stehen, kann man in Tongli teilweise an sehr ruhigen Kanälchen lustwandeln und so manches altes Gebäude besichtigen. Die Altstadt von Tongli wurde übrigens für 20 Mio RMB für Touristen aufgehübscht - in diesem Zuge müssen wohl auch die in den Straßenlampen-Atrappen verbauten Infrarotkameras installiert worden sein, die die Gässchen nachts zwar dunkel, aber dafür überwacht lassen.

Wir schliefen im Tongli International Youth Hostel, welches uns ganz gut gefallen hat, entgegen der im Lonely Planet beworbenen historischen Möbel jedoch schlichte Funktionalität bot, u.a. sogar eine Duschwanne(!). Außerhalb des historischen Zentrums, auf dem Weg zum Busbahnhof, wo sich auch zahlreiche Restaurants und Einkaufsläden finden, wartet Tongli mit einer absolut sehenswerte Markthalle (Gemüse, Fleisch, Fisch, Nudeln, ...) auf, wo man sowohl farbenfrohe Bilder schießen, als auch das exotische Essen des Vorabends, bzw. dessen Artgenossen, noch einmal im lebendigen Zustand näher betrachten kann. Pünktlich am 12.01. machten wir uns zurück auf den Weg nach Shanghai um unsere Pässe wieder abzuholen um uns dann endlich in Richtung Süden aufzumachen... endlich ins Warme.

Fakten

Suzhou

  • Bus von Shanghai nach Suzhou, 1 1/2 h Fahrt, 38 RMB pro Person, von der Shanghai South Long Distance Bus Station (riesiges Transport-Hub)
  • Es existiert ein kommunales Fahrradsystem (vgl. Bicing in Barcelona), was wir jedoch nicht ausprobiert haben / beurteilen können
  • Fahrradverleih an vielen Hostels und spezialisierten Geschäften - wir zahlten im Watertown Hostel 25 RMB / Tag / Rad (halber Tag 15 RMB)
  • Garten des Meisters der Netze ist interessant und geldwert (20 RMB / Person)
  • Garten des bescheidenen Amtsmannes erschien uns überteuert (50 RMB / Person)
  • Bahnhof nördlich des Stadtzentrum gelegen, kann fußläufig erreicht werden
  • lecker Hirsesuppe und verschiedene Sorten leckere Dim Sum Ecke Renmin Rd./Daoqian St. nahe Poliklinik

Tongli

  • 50 Minuten Fahrt von Suzhou (8 RMB)
  • 100 RMB / Person Kombinationsticket für Sehenswürdigkeiten - aggressive Kontrolleure suggerieren, dass Eintritt für die Stadt selbst fällig wäre, was offiziell wohl nicht der Fall ist (wir zahlten nichts)
  • Bus nach Shanghai jede Stunde, ca. 2h Fahrtzeit (bis Shanghai Railway Station), 33 RMB pro Person

Karten

31.298120.622

31.298, 120.622


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