17.08.2012 Ost-Kalimantan - Odyssee durch Raum und Zeit
Aus RTW
Tanjung Selor - Sammeltaxi 4h - Berau - Sammeltaxi 21h - Samarinda - Klapperbus 3h - Balikpapan - Pelni-Schiff nach Sulawesi 12h - Sammeltaxi 8h - Tada: Doda
Mit Indonesien hatten wir keinen guten Start. Erst gab es kein Visa bei Einreise an unserem Grenzübergang (an den meisten großen Häfen geht es) und dann verpassten wir die seltene Fährverbindung von Kalimantan nach Sulawesi um einen Tag. Um nicht zu viele Tage von unseren kostbaren sechs Wochen mit Warten zu verbringen, hatten wir uns entschieden weiter im Süden eine Fähre zu nehmen und ganz nebenbei ein bisschen von Ostborneo zu sehen.
Ließt man im Reiseführer über Kalimantan, klingt es wie ein Traumziel. Wild lebende Orang Utans und die endemischen Prosboscis (Langnasenaffen) kann man auf Dschungel- und Flusstouren beobachten, genauso wie man die Ureinwohner Borneos, die Dayaks (eine Sammelbezeichung für die Völker Iban, Embaloh, u.a.), besuchen kann. Hat man davon genug, kann man zum Tauchen und Entspannen auf die Insel Darawan. Leider lasen sich dagegen aktuelle Reiseberichte ganz anders. Von abgeholzten Wäldern wurde berichtet und das Erscheinungsbild der ehemals fremdartigen Kulturen nähert sich unweigerlich immer mehr dem uns bekannten Lebensstil an. Langhäuser verschwinden, wie auch die wilden Tattoos und extrem geweiteten Ohrlöcher (zum Teil wird das durch eine rabiate OP in Eigenregie "korrigiert"). Die früher als "Wildnis-Touren" angepriesenen Bootsfahrten entlang des Kayan oder Mahakam Fluss, sind inzwischen zu Kulturfahrten umbenannt, wobei wenige Dörfer für touristische Zwecke traditionell erhalten werden. Es ist, wie überall: Der Fortschritt lässt sich (zum Glück?) nicht aufhalten. Dachten wir jedenfalls bis wir die Straßen und das Öffentliche Nahverkehrssystem in Ost-Kalimantan kennenlernten.
Mit einem kleinen Linien-Schnellboot kamen wir von der Insel Tarakan auf dem Festland bei Tanjung Selor an. Wir fühlten uns bereits wieder betrogen und den Taxifahrern ausgesetzt, sahen wir doch den Ort am Fenster vorbeiziehen und hielten erst ein paar Kilometer weiter weg, an einem geistreich platzierten Anleger. Und tatsächlich standen vor dem Wartehäuschen nur private Autos und kein Bus war weit und breit zu sehen. Ein junger Mann, anscheinend von öffentlicher Seite gestellt und finanziert, klärte uns über die Möglichkeiten unserer Weiterreise nach Berau auf: Privatauto, Bus gibt es schon lange (2 Jahre?) nicht mehr. Da der Preis für die Fahrt dem Buspreis im Lonely Planet entsprach und mangels anderer Optionen, stimmten wir zu und es fuhr ein kleines baby-blaues Auto vor. Schnell zeigte sich, dass der junge Mann scheinbar nicht viele Fahrten hatte und somit zu viel Zeit in die Umgestaltung seines Gefährtes investieren kann: aus gut platzierten Boxen wurden wir mit (nur uns verständlichem) englischem Liedgut beschallt, die zugehörigen Videos mit halbnackten Frauen konnten wir auf einem kleinen Bildschirm im Armaturenbrett sehen - befremdlich in einem muslimischen Land bei einem Muslim im Auto in Kombination mit einem strubbligen Buschmann samt riesigen Messer an der Hüfte, der eine Zeit lang ebenfalls Passagier war. Die Fahrweise des guten Mannes war asientypisch "rasant", lebensbedrohlich, würden wir sagen. Wie auf einer Rennstrecke kurbelte er an seinem winzigen Lenkrad, dass uns eher an eine Playstation erinnerte als an ein vollwertiges Autobestandteil und dank des tiefergelegten Fahrwerkes hoppelten wir unsanft über teilweise komplett zerstörte Straßenabschnitte - ein noch harmloser Vorgeschmack auf die kommende Tage.
Wir kamen erst im Dunkeln in Berau an und fuhren dort kreuz und quer durch die Stadt um erst einen anderen Fahrgast abzusetzen und dann die Frau des Fahrers samt Kind aus dubiosen Gassen abzuholen. Er war ganz offensichtlich einen großen Umweg gefahren um uns noch schnell, wie ein Souvenir, seiner Familie vorzuführen. Unser Versuch ihm zu sagen, dass es sehr beunruhigend auf ausländische Fahrgäste wirkt, wenn man nachts erst unnötig (dank GPS waren wir stets im Bilde) durch dunkle Gassen gefahren wird, scheiterte kläglich an seinen Englischkenntnissen.
Immerhin, wir waren heil in Berau angekommen und konnten uns auf die Suche nach einem Zimmer machen, wobei der Ramadan uns das Reisen noch immer schwer machte. Die meisten Unterkünfte waren voll und die restlichen empfindlich teuer (erst recht bei der Leistung, die sie boten). Die im Reiseführer empfohlenen Unterkünfte gab es nicht (mehr), oder die angeführte Renovierung war nach zwei Jahren noch immer nicht beendet. Aus Geiz landeten wir in einem schmuddeligen Zimmerchen und trösteten uns damit, dass es nur für eine Nacht sein sollte. Am nächsten Morgen begann dann unsere Reise durch den Irrsinn, geprägt durch unsere Prinzipien die stark mit der indonesischen Wirklichkeit kollidierten. Mit Sack und Pack zogen wir los zum Busbahnhof, verzeichnet im GPS und im Lonley Planet. Ganz wie in Reiseberichten von anderen beschrieben, ging es unter lautem Kindergeschrei ("Hello Mister!") vorbei an einer Schule und am seltsam verlassenen Marktgelände. Wir bogen auf eine breite Straße, erspähten einen großen freien Platz und wähnten uns schon fast am Ziel und auf dem Weg in den Süden. Fast, denn der Platz den wir fanden, hatte zwar Ähnlichkeiten mit einem Busbahnhof, aber wirkte seit geraumer Zeit ausgestorben. Man stelle sich einen einsamen Cowboy vor, der endlich, in sengender Hitze, im Dorf ankommt und alles, was sich bewegt ist eine einsame vom Wind getriebene Wanderdistel. So ähnlich fühlten wir uns. Nun dreht sich der Cowboy langsam um und sieht sich einer Reihe Fremder gegenüber, sie haben, was er braucht und ein listiges Grinsen auf ihren Gesichtern zeigt, dass es teuer für ihn werden wird. Sie stecken die Köpfe zusammen, nicken in seine Richtung und die Fronten sind somit klar abgesteckt. Viel soll es kosten und die Abreise nicht vor dem ersten Hahnschrei am nächsten Morgen erfolgen. Aber so schnell geben wir nicht auf, wir haben noch ein Ass im Ärmel: einen zweiten Busbahnhof etwas außerhalb der Stadt. Nach einer kurzen Bemofahrt die gleiche Szene: Verlassenes staubiges Gelände, rollende Wanderdistel, kartenspielende Gangster... vielleicht noch etwas trostloser, da bereits die Natur begann, die asphaltierte Fläche wieder einzunehmen. Ein Vorbeifahrender, der erst nur Neugier gehalten war, interpretierte unser Anliegen und brachte uns zu einem kleinen Laden, der organisiert Autos zwischen Berau und Samarinda fahren lässt - fast Postkutschen-Verkehr, könnte man sagen. Wieder standen wir uns misstrauisch gegenüber: der Preis war uns noch immer zu hoch, besser gesagt wir konnten ihn fast nicht glauben, und ein komplettes Auto, wie es sich für Touristen gehört, wollten wir erst recht nicht haben. Für knapp 500km sollten wir 300'000 Rupien (ca. 25€) pro Person zahlen, was jedoch, aus Erfahrung, keinen gesicherten und erst recht keinen eigenen Sitzplatz bedeutete. Vier Personen auf einer Dreierbank, meistens Minimum, waren keine guten Aussichten für eine Fahrt, die die Nacht überdauern sollte.
Wir bestanden auf unserem Bus. Irgendwo musste es einen geben und wenn es uns noch eine Übernachtung im unattraktiven Berau kostete. Wieder ging es zurück in die Stadt und dank des unkoordinierten Bemofahrers, der uns viel zu spät heraus ließ, fanden wir einen weiteren Busstellplatz. Auf einem staubigen Hinterhof stand ein klappriges Gefährt, drumherum eine handvoll Männer und ein großes Plakat bestätigte unsere kühnsten Hoffnungen: ein Bus nach Samarinda! Unsere Freude, Erleichterung und vor allem das Gefühl des Sieges über die ganzen Es-gibt-keinen-Bus-Gängster war groß und dann nur von kurzer Dauer. Ein kleiner dicker geschäftiger Mann zückte einen Terminkalender, blätterte eifrig darin rum und verkündetet dann: ausgebucht, für lange Zeit, nichts zu machen und überhaupt wäre das Gefährt auch unter Einheimischen nicht sonderlich beliebt (lässt auf die Straße schließen), noch langsamer, und nicht wesentlich günstiger (260'000 Rupien?)! Die Erkenntnis traf uns bitter und es war schwer zu akzeptieren, dass wir auf die Privatautos zurückgreifen mussten. Zurück im Hotel von letzter Nacht, welches nun natürlich kein günstiges Zimmer mehr frei hatte, bezogen wir ein kleines, feines, sauber gefliestes Paradies mit Sat-TV und Klimaanlage und haderten mit der Realität. Wenn schon Taxi, denn schon wenigstens mit allem Luxus und so ließen wir uns durch unser Hotel ein Auto für den nächsten Morgen bestellen. 300'000 Rupien sollte es kosten, doch als der Fahrer, nach einem langen Morgen warten, uns sah, stieg der Preis auf einmal. Es sei Ramadan und überhaupt müsse er doch eine Familie ernähren (ließ: Oh, Weiße! Ka-ching!). Eine Masche, die bei uns nicht funktioniert und eher zum allgemeinen Nachteil umschlägt: unsere Plätze blieben leer und wir waren erneut ohne Mitfahrgelegenheit. Ziemlich sauer und resigniert zur gleichen Zeit liefen liefen wir erneut die Taxistände vor dem ehemaligen Busbahnhof ab, doch wir waren zu spät. Alle Autos waren entweder bereits am frühen Morgen abgefahren, ausgebucht, oder kosteten Phantasiepreise ("Karter? 2 mio." = "Charter"). Zum Schluss blieb uns nur wieder die Agentur etwas außerhalb der Stadt und wir quetschten uns und unsere Rucksäcke in ein Bemo und fuhren raus. Aber auch dort sah es schlecht aus und man wollte uns wieder wegschicken. Nein, diesmal nicht und wir blieben sitzen. Selbst wenn wir die Nacht auf der Holzbank vor dem Laden verbrachten, wir wollten ein Auto zum Preis des Vortages - sehr zur Ratlosigkeit der Betreiber. Als wir uns ein Mittag vom Restaurant nebenan, Obst und Getränke holten, und uns scheinbar häuslich einrichteten, wurden sie unruhig und begannen zu telefonieren. Und es geht immer! Sie trieben ein Auto auf und fast erleichtert verkündeten sie die Abfahrt für die nächsten drei Stunden! Nach nur vier Stunden auf der harten Holzbank fuhr gegen 16 Uhr ein Auto vor und wir rutschten, wie befürchtet, zu den anderen beiden auf die Rückbank. Zum Glück war die Innenverkleidung der Tür so geformt, dass wir abwechselnd unsere Hüften halb in der Tür platzierten konnten. Auch die anderen Mitfahrer sahen ziemlich unglücklich aus, aber keiner muckte auf und es ist faszinierend mit welcher Geduld, fast schon Demut, sie ihren Transport akzeptieren. Unklar, ob sie entweder so wenig zahlen, dass sie nicht mehr verlangen können, oder ob sie den Firmen und deren Machenschaften so sehr ausgeliefert sind.
Es war schrecklich, es war unbequem, eng und in seiner Schrecklichkeit en par mit unserer einzigen Eisenbahnfahrt in der Mongolei, unserer bisher schlimmsten. Die anderen rauchten fast ununterbrochen im Auto, die Fenster waren offen und die brennende Asche flog durch die Gegend. Der Fahrer konnte es nicht lassen, musste alle unserer Bewegungen kommentieren und seine Scherze gingen scheinbar bis unter die Gürtellinie und selbst den anderen Mitfahrern zu weit; keiner lachte. Es gab nur kurze Pausen, meist einfach am Straßenrand; ungünstig für weibliche Bedürfnisse. Während einer längeren Pause in einem kleinen Ort, liefen wir ein Stück die dunkle Straße entlang - noch nie war das Gefühl, dass man hier nicht hergehört so groß. Wir saßen mitten in der rüttelnden und beklemmenden indonesischen Realität drin, saßen an die anderen gepresst im gleichen Boot und doch wurde die Distanz zu den anderen nicht kleiner. Vielleicht waren sie auch wenig begeistert von unsere Answesenheit, da wir die Anzahl von drei auf vier pro Bank erhöht hatten und ganz sicher hatten sie kein Verständnis dafür, dass wir nicht unser eigenes, ganz privates Auto hatten.
Die Fahrt schien kein Ende zu nehmen, obwohl unser Fahrer wie verrückt fuhr - wie Onkel Thomas zu seinen besten Zeiten. Die Straßen waren in einem katastrophalen Zustand und teilweise war kaum noch etwas vom Asphalt zu sehen, jedoch deutlich zu spüren in Form einer schlimmen Rüttelpiste, die kein Bus lange überleben würde. Dann kam wieder, unerklärlich, ein vollkommen intakter Abschnitt auf dem richtig Gummi gegeben wurde. Noch immer fragen wir uns, was mit den Straßenabschnitten passiert ist und wenn es doch mal eine richtige Straße gab, warum wollen die Menschen sie nicht wieder? Kurz vor fünf Uhr fuhren wir schließlich vor ein Restaurant und der Fahrer verschwand für gut zwei Stunden und die anderen Fahrgäste verteilten sich auf herumstehende Holzbänke. Anscheinend war eine Schlafpause angesetzt, die wir ebenfalls notwendig brauchten. Erst gegen 13 Uhr erreichten wir schließlich Samarinda, nach 21 Stunden im Auto für knappe 500km! Indonesien blieb unserem ersten Eindruck erstmal treu: überraschend teuer für wenig Leistung.
In Samarinda gab es einen Fahrerwechsel bevor wir, Einheimische bekommen die ja auch, eine Ablieferung bei einem Hotel unserer Wahl einforderten. Pablo drückte unserem Nacht-Fahrer zum Abschied noch schnell einen Zettel in die Hand und auf seinem Gesicht erschien ein breites Grinsen, was ihm hoffentlich vergangen ist. Es handelte sich nicht um ein Trinkgeld sondern um unsere Meinung über sein Verhalten ("Du bist kindisch, verantwortungslos und ausländerfeindlich" per Wörterbuch übersetzt). Zum Abschied schafften wir es auch noch die anderen Fahrgäste zu schocken, als wir beim Hotel ankamen. Sie und wir konnten nicht fassen, was uns da der Lonely Planet - leider unsere einzige Informtionsressource - empfohlen hatte; es war mehr als vernachlässigt und Zimmer und Bad belohnten nicht wirklich nach der schrecklichen Autofahrt. Erst Kaffee und Kuchen in einer Konditorei spendete ein wenig Trost.
Mit Samarinda hatten wir jedoch tatsächlich eine Stadt erreicht von der richtige Busse weiter nach Balikpapan fuhren und am nächsten Morgen ging somit die inzwischen schon schmerzhafte Belastung für unser Sitzfleisch in die nächste Runde. Mit einem Uraltbus ohne Federung, scheinbar aus einem einzigen Stück Eisen geschnitzt, ging es in nur drei Stunden (nur eine Panne) nach Balikpapan. Nicht so schnell ging es dagegen mit der Unterkunftssuche, da uns wieder die Zimmerpreise maßlos übertrieben vorkamen. Erst weit vom Zentrum entfernt fanden wir ein kleines Zimmerchen, immerhin mit Fernseher - eine willkommene Ablenkung von der harten indonesischen Realität!
Balikpapan war laut, anstrengend und schmutzig. Wir hatten zwei Nächte und knappe drei Tage bis die Fähre nach Sulawesi abfuhr, in denen wir unsere Fährtickets (beim staatlichen Betreiber Pelni) kauften, die restlichen malaiischen Ringet umtauschten, vorsichtig indonesisches Essen verkosteten und uns ansonsten im Zimmer versteckten. Es klingt schrecklich? Das war es! Wir hofften auf Sulawesi und die sonnigen Togian Islands! Hatten war schlussendlich, nach bereits elf Monaten in Asien, doch einen Kulturschock erlitten?
Dann endlich war es soweit: der Tag unserer ersten Fährfahrt, über Nacht, mit einem Pelni-Boot. Wir hatten sowohl Gutes als auch Schlechtes gelesen und waren gespannt, wie es auf dem Boot ablaufen wird. Die Qualität von Überlieferungen findet ihre Grenzen ja meist darin, dass man nicht einschätzen kann, welche Erfahrungen und Anforderungen der Berichtende hat: Wir waren optimistisch. Mit einem Bemo ging es zum Schiffsableger und damit zum allgemeinen Chaos an indonesischen Häfen. Es gab keine Anzeigetafeln, die den Weg zum Schiff wiesen, und die Massen an wartenden Menschen ließ uns unsicher werden, was mit dem Schiff war. Immer wieder sahen wir lange Reihen von Trägern mit riesigen verschnürten Bündeln im Hafengebäude verschwinden, nur die anderen Passagiere saßen entspannt am Boden, schliefen oder aßen. Herumlaufende Händler verkauften Wasser, Obst und dünne Matten aus Pappe mit einer aufgenähten Plastikfolie. Wir waren ziemlich hilflos und nur dank eines Schlafmattenverkäufers, der überraschend gutes Englisch sprach und uns im richtigen Augenblick durch die oberflächlichen Ticketkontrollen schickte, fanden wir endlich zum richtigen Schiff. Wie kann ein Hafen nur so schrecklich unorganisiert sein? Für Touristen ohne Indonesischkenntnisse eine Herausforderung - ungewollt oder gewollt? Wir sahen einen anderen Weißen, der entspannt, ohne Gepäck seinem kleinen indonesischen Guide folgte, direkt in die erste Klasse. Und auch wir wurde tatsächlich gefragt: Warum seid ihr nicht in der ersten Klasse? Erklärungen und Diskussionen um Geld und das wir nicht 1. Klasse-Menschen sind, sind jedoch müßig.
Das Schiff war hoffnungslos überbucht, ein Sicherheitsalbtraum. Als wir an Bord gingen waren bereits überall Menschen, in den Schlafsälen, in den Gängen und auf den Treppen. Kaum kam man einen Schritt weit bei dem man nicht irgend jemanden auf Kleid, Hände oder Gepäck trat. Wir traten die Flucht nach draußen an und ergatterten im letzten Augenblick ein Stück Fußboden auf Deck an einem schmalen Außengang. Mit unsere Zeltunterlegplane steckten wir unsere zwei Quadratmeter ab und hofften das Beste. Natürlich blieb unsere Anwesenheit nicht unbemerkt und auffällig viele Leute mussten immer wieder an uns vorbei gehen und so manches Foto wurde, Handy-Kameras sei dank, mehr oder weniger heimlich von uns gemacht - ziemlich unangenehm in der misslichen Lage, am Boden hockend, auch noch als Souvenir behandelt zu werden. Schnell füllte sich auch unser Gang, Baby-Schaukeln wurden aufgehangen, Picknicks gestartet. Wir bekamen gegen Vorlage unseres Tickets in der Bordküche immerhin etwas Reis und ein Fischteil. Wer hätte gedacht, dass unser Zeltzeugs ausgerechnet auf einem Schiff zum Einsatz kommen würde!? So hatten wir dank Isomatte und Schlafsack eine einigermaßen komfortable aber kurze Nacht. Bereits ab fünf Uhr begannen wieder angeregte Diskussionen um uns herum und die Männer frönten ihrer Tabaksucht, so dass man sogar auf offenem Deck von einer Geruchsbelästigung sprechen kann. Mit Sonnenaufgang kam endlich Sulawesi und das Ende der Fahrt langsam in Sicht. Mit zwei Stunden Verspätung kamen wir im Hafen von Pantoloan, 20km nördlich von Palu, an. Mit wenig Schlaf und ziemlich geschockt von Kalimantan, waren wir uns sicher, dass nun alles nur besser werden kann. Wir waren guter Hoffnung noch weiter nach Palu und ins Beso Valley zu kommen.
Unser Plan sah vor, zu einem kleinen Ort, Doda im Nationalpark Lore Lindu, zu fahren und dort eine zweitägige Wanderung zu unternehmen, bevor wir uns auf den Togian Islands in die Sonne legen - ganz nach dem Motto: Ohne Fleiß, kein Preis. Doch es wollte sich kein Bus finden, der vom Hafen bis nach Doda fuhr und so fuhren wir erstmal bis ins Stadtzentrum von Palu. Ein Anruf bei der Touristeninformation brachte, unerwartet, wertvolle Informationen: es gab tatsächlich einen Bus nach Doda gegen 13Uhr für 75'000 Rupien. Gleichzeitig hinterfragte der Info-Mann gleich unsere Absichten im Nationalpark und bat uns kurz vorbei zukommen um die 25'000 Rupien Tagesgebühr für den Nationalpark zu zahlen, bevor wir noch dort ankamen. Wir entschieden uns jedoch lieber zum Busbahnhof zu fahren, schließlich würde sich sicher noch jemand vor Ort finden, der uns das Geld abnehmen würde.
Der Petobu-Busbahnhof, im Südosten der Stadt, in Palu bot einen genauso trostlosen Anblick, wie der in Berau und es bestätigte sich schnell, dass kein Bus, sondern ein größeres Privatauto fuhr. Diesmal gaben wir schnell nach, kauften zwei Tickets für je 70'000 Rupien (knappe 6€) und warteten im Schatten auf das Auto. Es war unerträglich heiß und wir warteten lange, sehr lange. Erst kurz vor drei Uhr kam endlich ein Minibus vorgefahren und wir bekamen zwei Plätze ganz für uns. Aber anstatt endlich loszufahren, warteten wir noch auf andere Passagiere, luden Gepäck auf und ab und nach einer kurzen Fahrt literweise Wasser in kleinen 200ml Bechern ein. Als dann auch wieder die Straße katastrophal wurde und teilweise einfach nur noch Schlagloch an Schlagloch war, erreichten wir unsere Frustgrenze, die dank Kalimantan wohl sehr niedrig lag. Einmal wieder wurde es ein trauriger Rekord der Langsamkeit: für 150km brauchten wir acht Stunden, immerhin inklusive einer Stunde für das Abendessen, nahe des Danau Lindu, in Wuasa! Indonesien schien das erste Land zu sein, in dem sich die Qualität der Straßen rückwärts entwickelte. Die Aussage "Früher war alles besser" bekam erstmalig Sinn: Konnte man früher sicher recht zügig zum Doktor in die nächste Stadt fahren, kann man heute nur hoffen, dass man nicht hin muss.
Erst kurz vor Mitternacht erreichten wir Doda und wurden gleich ohne viel Nachfrage mit einer Unterkunft versorgt - dem Taxiunternehmer gehörte auch ein Gasthaus mit überraschend schicken Zimmerchen. Es war spät, wir waren müde und das Bett frisch bezogen. Nach unsere Odysee durch Kalimantan, dem Chaos in den wenig attraktiven Städten und den vielen Kilometern in fragwürdigen Autos und auf kaputten Straßen und der etwas schockierenden Schiffsfahrt hatten wir genug von allem und hofften auf ein paar Tage in beeindruckender, ruhiger Natur und vor allem zu Fuß unterwegs zu sein.
Fakten
- Mr. Daniels im Hotel Zorad in Samarinda (+62082154547600) spricht englisch und hat einen Fahrer für die Fahrt Berau-Samarinda, organisiert auch sonstige Touren - falls alle Stricke reißen, wenigstens diese eine Handynummer zum Anrufen
- (Langsamer) Bus Samarinda - Balikpapan für 21'000 Rupien
- Bemo in Samarinda und Balikpapan zum Standardpreis von 5'000 Rupien
- Gelora Hotel in Samarinda für 121'000 Rupien für ekliges DZ mit Bad, gutes Reisfrühstück, freies W-Lan im Frühstücksraum
- Sinar Lumayan Hotel für 158'000 Rupien im ok DZ mit Bad und TV, inkl. ein Snack und freiem Kaffee, kein Internet
- Pelni Überfahrt nach Pantoloan in Economy-Klasse für 121'000 Rupien. Komissionsfrei gebucht bei Sedayu Agentur an der Hafenpromenade von Balikpapan (S1.27809 E116.82497). Prüfen ob es einem die Ersparnis wert ist (höhere Klasse, Flug, ...)!
- Bemo von Pantoloan nach Palu gibt es zum (Touristen-?)Preis von 10'000 Rupien
- Lore Lindu-Information in Palu (+620451457623) spricht leidlich englisch, oder verbindet, und man bemüht sich. Eine Möglichkeit die 20'000 Rupien Eintrittsgeld pro Tag zu entrichten
- Busbahnhof Petobu in Palu im Südosten der Stadt, Bemofahrer tun sich schwer zu glauben, dass man da wirklich hin will (3'000 Rupien für Bemo-Fahrt innerhalb der Stadt)