17.04.2012 Kep - Nett, zum Nichtstun
Aus RTW
"Because you are America" - Quanzen auf hohem Niveau - Krabbenmarkt - Affen im Nationalpark - Pfeffer, Salz und geheimer See - Französische Ruinen - Lesen und Schreiben
Chaul Chnam Thmey - das Neujahrsfest in Kambodscha sollte in wenigen Tagen beginnen. Unsere Erfahrungen mit dem chinesischen Neujahrsfest und die Andeutungen über Preise und Verfügbarkeiten von Hotels und Bussen, trieben uns aus Phnom Penh nach Kep. Dort, einem kleinen unscheinbaren Ort, der oft nur neben Sihanoukville Erwähnung findet, wollten wir die Feiertage abwarten und am Meer ein bisschen dem süßen Nichtstun fröhnen.
Ohne Fleiß, kein Preis! Und somit hatte allein die Busfahrt bereits einige Herausforderungen parat. Tapfer liefen wir mit unseren, für die warmen Länder viel zu großen Rucksäcken quer durch Phnom Penh um den richtigen Busbahnhof zu finden. Erst als wir bereits aufgeben und uns wieder ein Zimmer suchen wollten, alle Busse schienen abgefahren, fanden wir durch Zufall den winzigen und recht schäbigen Hinterhof-Busbahnhof der Firma Hua Lian. Noch überraschender jedoch der Preis für die Tickets. 10 USD sollte es pro Person kosten, während es nach unserem Wissen gerade mal 5 USD sein sollten. Die Erklärung hätten wir uns selbst liefern können: Neujahrsfest. Alles ist teurer, darin waren sich auch die Umstehenden einig. Erst im Bus, nach drei Stunden Wartezeit, sahen wir auf den Tickets anderer Mitreisenden einen Betrag von knappen 6 USD. Zurück am Kassenhäuschen gab die Dame ganz unverblümt die Erklärung: "Because you are America". Von dem Aufpreis wollte sie auch nicht absehen, als ich energisch der übergeholfenen Nationalität entschieden widersprach und schlussendlich zog sie ihr Handy aus der Tasche und gab vor angeregt zu telefonieren. Es war das erste Mal, dass der Preisaufschlag so offen zugegeben wurde. Verletzend, wie leichtfertig Ausländer über einen Kamm geschoren werden und als "easy money" dienen. Selbst wenn man sich auf die gleiche Art und Weise fortbewegen und ernähren möchte, wird man klassifiziert und eine Begegnung auf gleicher Augenhöhe scheint selten möglich. Das schlimmste daran: selbst wenn man den Differenzbetrag als eine Art Entwicklungshilfe sehen möchte, geht diese Gleichung nicht auf, da das Geld sich ja nicht gleichmäßig im Land verteilt, sondern es immer bei den gleichen Funktionsträgern (Fahrkartenverkäufern, Polizisten, Agenturen) landet und somit die Schere zwischen Arm und Reich noch vergrößert. Hat der durchschnittliche kambodschanische Bauer immer noch weniger als 1 USD am Tag zum Leben, erschlich sich die Fahrkartenverkäuferin mit einem Mal 7 USD Zusatzverdienst durch unsere Tickets.
In Kep kamen wir gegen 18 Uhr, gefühlt im Nichts, an. Es waren nur wenig Häuser zu sehen, dass Meer rauschte und die TukTuk Fahrer waren wieder übereifrig. Dank eines Restaurantbesitzers fanden wir jedoch unseren Weg zum "Boat House", wo wir bereits per Telefon ein einfaches Zimmerchen mit kalter Dusche reserviert hatten. Das Boat House, das nicht, wie der Name vermuten lässt am Meer liegt, kombiniert geschickt mit zwei Häusern unterschiedliche Standards, so dass für jede Budgetvorstellungen etwas vorhanden ist. Unbezahlbar jedoch der kleine aber schöne Garten, in dem es sich sehr gut sitzen lässt.
Die nächsten Tage gingen wir in Ruhe an: entspannen im Gartenpavillon unserer Unterkunft, kambodschanische Leckereien verkosten, spazieren über den Krabbenmarkt und durch den Nationalpark am Berg über Kep, wo wir in der Dämmerung Affen beobachten konnten. Mit einem geliehenen Moped erkundeten wir einen Tag lang die Umgebung Keps. Über staubige Pisten ging es zu Pfeffer- und Mangoplantagen, zu Salzfeldern und zum "Secret Lake" (Versteckter See), der gar nicht so geheim, sondern von einheimischen Kindern nur so bevölkert war, einschließlich Essensständen, von denen laute Musik mit dem Donnern des nahenden Gewitters um die Wette wummerte. Trotzdem absolut sehenswert! Folgt man den größeren Straßen um Kep, sieht man an den Kreuzungen immer wieder Steinfiguren stehen, die den Arbeitsalltag der Anwohner zeigen, jedoch nur wenige Straßenschilder. Glaubt man einem Zugezogenem (Kanadier), sollen die Figuren bei Wegbeschreibungen helfen, da ein großer Teil der Anwohner Analphabeten sind. Passend dazu erzählte uns eine Kellnerin von ihrem Schicksal. Mit 28 Jahren kann sie nun, dank selbstfinanzierter Schule (4€/Monat) etwas Khmer lesen und schreiben, spricht jedoch bereits ein wenig Englisch. Als fünftes Kind hatten ihre Eltern nicht mehr genug Geld um sie in die Schule zu schicken. Nun arbeitet sie für 80€ in Monat für einen unglaublich unkoordinierten Franzosen in dessen kleinem Fischrestaurant (Tagesumsatz 250-350€), wo sie auch Nachts schläft.
Obwohl Kep oft nur wegen seines Krabbenmarktes am Rande (neben Sihanoukville) Erwähnung findet, hat es, abseits des quirligen und nach Fisch riechenden Marktes, doch noch eine ganz andere Seite. Während man auf dem Markt das Treiben der Marktfrauen mit ihren Waren und den Fischrestaurants beobachten kann, wirkt der weitläufige, überwiegend aus Unterkünften bestehender Ort, fast wie ausgestorben. Jedoch zeugen die weitläufigen, noch immer von dicken Mauern umgebenen Grundstücke mit Villenruinen aus französischen Kolonialzeiten (bis 1970iger Jahre) von der glanzvollen Zeit eines schicken Seeortes, eingerahmt vom Meer und Bergen. Der Ort und die Villen wurden während des Bürgerkrieges und der Herrschaft der Roten Khmer nahezu komplett zerstört. Überraschend, dass die Sommerresidenz des kambodschanischen Königs noch fast komplett erhalten ist. Jedoch bezeugen die Einschusslöcher, der allgemeine Verfall und die herumliegenden Strandmatten, dass hier nun Leute wohnen, die die Strandmatten an Hauptstädter vermieten, die am Wochenende scharenweise einfallen und sich die Krabben schmecken lassen. Das Grundstück und die Villa selbst kann man ungehindert fotografieren. Möchte man jedoch ins Innere des leeren Hauses, halten die Hausbesetzter die Hand auf. Laut Insiderwissen, konnte man nach dem Ende des Bürgerkrieges die Grundstücke und Häuser "besetzten". Inzwischen kann man sie für viel Geld von der "First Lady" des Ortes kaufen - ihr gehört halb Kep, bzw. hat es für sich in Anspruch genommen.
Auch auf dem Krabbenmarkt ist man nicht schüchtern, was die Preise angeht. Da hilft nur beobachten und handeln, wenn man annähernd das Gleiche zahlen möchte, wie die Einheimischen. So haben wir am Anfang noch das Doppelte für gebratene Nudeln bezahlt und damit indirekt eine alte Frau eingeladen, aber zum Schluss waren auch wir beim normalen Preis angekommen. Unser persönlicher Leckerbissen auf dem Markt waren nicht Krebse, sondern leckere in Bananenblätter und Klebreis eingewickelte Bananen, leicht angegrillt. Krabben-Ess-Tourismus ist die Haupteinnahmequelle und entsprechend werden die Preise für die Meerestiere, auch in den Restaurants, hochgehalten.
Ungünstiger Weise hatten sich, wie wir auch, viele Hauptstädter überlegt das Neujahrfest in Kep zu verbringen oder wenigstens für ein Krabben- und Fischgelage anzureisen. Entsprechend bevölkert und verdreckt war die Uferstraße und Restaurantbesitzer klagten über leere Kühlschränke und überteuerte Einkaufspreise, die sich unangekündigt auch auf unserer Rechnung wieder fanden. Das Neujahrsfest - man kann dem, scheinbar nicht vorhersehbaren Chaos, nicht entkommen. Und so atmeten wir und Kep sichtbar auf, als es nah drei Tagen vorbei war. Während Kep wieder zum verschlafenem Fischerdörfchen wurde, machten wir uns zurück auf den Weg nach Phnom Penh um von dort weiter in den Norden nach Kratie am Mekong zu fahren.
Karten
Fakten
- Bus von/nach Phom Penh für 10USD/8USD - "Neujahreszeit", normalerweise 5-7USD
- Boat House, Doppelzimmer mit kalter Dusche ab 6 USD. Wer mehr Geld ausgeben mag als wir, bekommt stilvolle Zimmer mit allem Komfort im zweiten, im schönen Garten gelegenem Haus, etwas zurückgesetzt von der Straße.