21.01.2012 Yangshuo - was ist sanfter Tourismus?

Aus RTW

Partymeile in Traumlandschaft - Radtour zu Moon Hill und Yulong Fluss

"Diesmal haben wir uns wirklich ins Abseits geschossen", ging uns noch auf dem Weg nach Yangshuo durch den Kopf. Mit dem Bus ging es vorbei an kleinen Häuseransammlungen, umgeben von abgeernteten Feldern und freistehenden Karstbergen. Die tristlose Stimmung wurde passend durch die geschlossene Wolkendecke und andauernden Niesel untermalt. Der Regen hielt auch an, als wir unvermittelt an einer Kreuzung mit einer Tankstelle aus dem Bus geschickt wurden. So ganz wollte das alles nicht nach Yangshuo aussehen, welches bereits seit den 80er Jahren unter Kletterern als das Backpackerparadies Chinas bekannt ist. Lediglich ein Rikschafahrer belagerte uns, während wir die Hostels durchtelefonierten und eins nach dem anderen abhakten, da uns allesamt die Preise zu hoch erschienen. Erst das letzte auf unserer Liste, das Climber's Inn, bot uns ein Zimmer für 70 RMB an und das sogar mit eigenem Bad. Ohne Stadtplan machten wir uns auf den Weg ins Stadtzentrum und liefen prompt auf der falsche Seite eines Karstberges, der Mitten in der Stadt steht, herum, so dass wir erst mit Hilfe von anderen Passanten zum Zentrum kamen. Während wir noch auf dem Weg dorthin an der Großartigkeit des Ortes zweifelten, wurde das beim Betreten der autofreien Innenstadt nur noch bestätigt. Uns erwartete ein bunte und überwältigende Anzahl von Souvenier- und Spezialitätenläden, Unterkünften, Bars und sogar McDonalds und KFC reihten sich perfekt ein. Zwar mag das Erscheinungsbild einem partywütigen Aprés-Skiler gefallen, wir aber fühlten uns mit unseren Rucksäcken nicht wirklich im Backpackerparadies angekommen. Behäbig gingen wir, begleitet von mitleidigen Blicken, die kleinen Straßen nacheinander ab, ohne auch nur ein Zeichen unseres Hostels zu finden. Nach fast zwei Stunden im Regen und scheinbar endlos im Kreis führenden Gassen, gaben wir auf und baten per Telefon von einem Café abgeholt zu werden, was man bereitwillig tat. Da es inzwischen schon abends kurz vor 19 Uhr war, ging es nur noch auf ein schnelles Abendessen um die Ecke und dann schon bald ins Bett.

Auch am nächsten Tag war das Wetter noch immer trist mit wenig Fernsicht, so dass wir es bei einem Stadtrundgang und einem Spaziergang zum Yulong Fluss beließen. Am Yulong Fluss boten uns, trotz frischen Temperaturen, Bambusflößer unermüdlich ihre Dienste an. "Bamboo!?", der offizielle Gruß der Einheimischen an die Touristen, den auch schon kleine Kinder in den Straßen der Stadt zu üben scheinen. Am Abend gab es, anlässlich des Beginn des chinesischen Neujahrsfest ein gemeinsames, Gastgeber und Gäste, Jautze-Kochen unter Anleitung eines Restaurantkoches. Jautze sind kleine gefüllte Teigtaschen (Nudelteig), die man entweder kocht oder leicht anbrät. Die Füllung war in unserem Fall eine Mischung aus feinem Rindfleischhack, zwiebligem Gemüse, Kräutern und Wasserkastanien, die geheime Zutat des Meisters. Während das Falten der Teigtaschen mit den bereits fertig gekauften Teigkreisen recht einfach war, gestaltete sich das Ausrollen derselbigen als wesentlich komplizierter. Beide Varianten waren gebraten jedoch absolut lecker! Pünktlich zu Mitternacht ging es, auf Empfehlung unserer Gastgeber, zum Flussufer. Jedoch scheint sich die Begeisterung der Chinesen für farbenprächtiges Hochfeuerwerk in Grenzen zu halten. Viel lieber knallen sie lautstark und vor allem müllintensiv. Somit begann also offiziell das chinesische Neujahr auch für uns fast so traditionell wie für alle anderen Chinesen: Essen, chinesisches Fernsehen und Feuerwerk - ganz wie zu Hause.

Am nächsten Tag liehen wir uns Räder aus, um die Umgebung Yangshuos zu erkunden. Am Moon Hill (Mondberg) erklommen wir die 800 Stufen zum Gipfel und trafen dort auf eine über 70jährige, die jeden Tag diesen Weg zurücklegt um oben Getränke und Postkarten zu verkaufen. Zwar lehnten wir die Getränke ab (wir hatten Fertignudelsuppe und heißes Wasser hochgetragen), jedoch komplettierten wir ihre Passfotosammlung mit einem Bild von Petra. Am Eingang zum Moon Hill, für den man 15 RMB pro Person zahlt, bieten andere ältere Damen, weit unehrenhafter, vergünstigten Eintritt über einen Seitenpfad.

Nach dem Moon Hill ging es weiter entlang des Yulong Flusses zur 400 Jahre alten Steinbrücke Yu Long bei Yulongpu, nicht ohne einen kleinen ungewollten Umweg über einen muskelfordernden Hügel und durch ein wenig erbauliches Dorf. Dafür folgten wir dem Fluss auf dem Rückweg nach Yangshuo um so strikter ohne Rücksicht auf Verluste. Auf schmalen Feld- und Stolpersteinwegen ging es durch Orangenhaine, Gemüsebeete und sogar Reisfelder immer in Sichtweite des Ufers. Der Yulong Fluss ist wesentlich ruhiger als der Li Fluss, auf dem unentwegt Plastikbambusflöße und größere Passagierschiffe mit Verbrennungsmotoren knatternd unterwegs sind.

Ungünstigerweise war auf der Tour der Baudenzug einer Bremse bei Petras Fahrrad gerissen. Ehrlich wie wir sind, haben wir dieses bei Abgabe des Fahrrads angesprochen, was uns der Besitzer dankend mit 10 RMB in Rechnung stellte. Trotz entschiedenem Widerspruch unsererseits, da wir das als Wartungskosten des Verleihs sehen, bestand er auf sein Geld und als auch unser Gastgeber meinte, dass doch Frühjahrsfest sei und keiner sich streiten sollte, wurden eben aus den ursprünglichen 20 RMB Leihkosten 30 RMB für zwei Räder. In China scheint eben der Pech zu haben, bei dem das Fahrrad auseinander fällt, bzw. Unehrlichkeit kommt weiter.

Am Abend, nach einer handfesten Auseinandersetzung über den Mangel an preiswerten aber guten Restaurants, gingen wir schließlich in ein Hotelrestaurant und ließen uns zwei Gerichte empfehlen. Nur leider mussten wir wieder feststellen, dass sich unser Geschmack doch teilweise deutlich von dem der Chinesen unterscheidet. Das Entengericht kam, nach freundlicher Vorwarnung durch die Bedienung, samt Knochen, an denen sich nur wenig Fleisch befand (was machen die wohl mit dem Filet?), dafür lag der Kopf und ein Fuß mit Schwimmhäuten dabei. Immerhin bekam Pablo einen kostenfreien Gruß aus der Küche, endlich Hühnerfüße, die hier so gern geknappert werden. Am Fuß befindet sich neben den Krallen eigentlich nur Haut, die nachdem schmeckt, in was sie eingelegt wurde, in diesem Fall nach Knoblauch. Allein, dass viele Restaurants fleißig mit knochenlosen und vegetarischen Gerichten werben, zeigt deutlich, wer die Geldquellen sind: Touristen aus dem westlichen Ausland. Abends ging es dann auch richtig los. Fast jede Bar wurde zu einem Club, aus dem lautstark chinesischer und westlicher Pop klang zu dem sich jeweils eine Handvoll Chinesen wiegten. Wobei sich der geneigte Backpacker dann doch in einer der vielen Bars mit Livemusik zurückzieht und die heimischen Biere trinkt. So ganz konnten wir mit Yangshuo nicht warm werden. Tagsüber schieben sich Touristen durch die hergerichteten Gassen und nachts wird es zu einer Partymeile, was dem Ort an sich nicht gerecht wird. Die Umgebung mit ihren Karstbergen, die viele Kletterer anlocken, ist sehr beeindruckend und bietet viele Möglichkeiten zum Radeln, Spazieren und Baden. Leider ist das Konzept des Trekkings, obwohl es eine großen Kletterergemeinde gibt, noch nicht so richtig angekommen. Aber dazu mehr im nächsten Artikel.

Interessant war auch, dass sich unser Zimmerpreis auf Grund der Festlichkeiten verdoppeln sollte. Wir hatten bereits bei der Jugendherberge um die Ecke vorgesprochen und dort die regulären Preise zugesichert bekommen, so dass wir beim Climbers' Inn mit Auszug drohen konnte. Unterm Strich blieb es bei einem erhöhten Preis für die letzte Nacht in Yangshuo, aber es wurden nur 30 RMB mehr (70 RMB für die ersten zwei Nächte), so dass die Jugendherberge nicht preiswerter gewesen wäre. Am nächsten Morgen verabschiedeten wir uns vom noch schläfrigen Yangshuo und fuhren mit dem Bus nach Xingping, welches der Ausgangspunkt unserer eintägigen Wanderung am Li Fluss werden sollte.

Karten

Fakten

  • Eintritt Moon Hill 15 RMB
  • Fahrradverleih in Yangshuo fast überall möglich; ab 10 RMB / Tag. Unsere Vermieterin empfahl nachträglich die rosa Räder, da diese offenbar einer neueren Generation angehören
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