29.01.2012 Longsheng Reisterrassen - leider keine guten Aussichten

Aus RTW

Bus von Guilin nach Heping - Schildkrötensuppe zu 50 RMB - Aufschwung Ost nach Plan - Stochern im Nebel

Am 27. Januar fuhren wir morgens von Guilin nach Heping, von wo unsere zweitägige Wanderung durch die Reisterrassen von Longsheng starten sollte. Aber schon die Anreise gestaltete sich etwas holprig, da wir nicht den Abfahrtsbahnhof (Qintan) des Überlandbusses nach Longsheng finden konnten - wir stießen nur auf den gleichnamigen Stadtbus-Betriebshof. Zum Glück waren wir wenigstens auf der richtigen Straße, so dass wir noch zusteigen konnten. Nach zweieinhalb Stunden holpriger Fahrt wurden wir in Heping an der Straßenkreuzung zum Parkplatz für das Tal der Reisterrassen rausgelassen. Da es schon um die Mittagszeit war, wollten wir noch schnell etwas essen bevor wir uns auf den Weg machten und fragten in einem der Restaurants an der Straße den Koch, was das Gemüse in seinem Wok denn kosten solle. Zwar deutete er noch auf irgendwelches schwarzes Fleisch (Schildkröte?), was an der Dunstabzugshaube hing, aber die 50 RMB waren uns doch deutlich übertrieben. Ein kurzer Abstecher nach Heping, führte uns schließlich zu einer feinen Nudelsuppenküche mit nachvollziehbaren Preisen. Neben der Tankstelle deckten wir uns noch schnell mit Toilettenpapier und Zahnpasta ein und dann ging es bei leichtem Niesel die Straße bergan.

Wir hatten uns entschieden einer neuen Straße, die Manifestation des 5-Jahres Planes, etwas nördlich von der eigentlichen Hauptstraße im Tal, zu folgen, da wir so hofften, der Eintrittsgebühr von 80 RMB pro Person aus dem Weg gehen zu können. Gerüchten zur Folge, gibt es ein paar Schleichwege, die um die Tickethäuschen herumführen. Aber leider gehörte unsere Straße nicht dazu. Nach 3 Stunden, 9,5km und 420 Höhenmetern auf der asphaltierten aber ruhigen Straße standen wir um 17 Uhr doch vor dem riesigen Tor von Longji mit angeschlossenem Ticketverkauf. Die einsetzende Dämmerung im Nacken zahlten wir zähneknirschend die 160 RMB für uns beide, wodrauf hin wir die Wunderwelt der Reisterrassen betreten durften. Respektive mussten wir darauf vertrauen, dass dem so war, denn sehen konnten wir nichts. Hartneckiger Nebel auf fast 1000m Höhe verhinderte erfolgreich, dass wir weiter als 20 Meter sehen konnten und zusätzlich begünstigte er noch die Dämmerung, so dass wir uns sputeten zu unserem Tagesziel, dem Ort Ping'an, zukommen. Den Wettlauf gegen das letzte bisschen Tageslicht verloren wir jedoch hoffnungslos. Auf schmalen und rutschigen Pfaden, in Reihe gelegte Natursteine, erreichten wir erst bei nahezu kompletter Dunkelheit ein paar Häuser, bei denen wir schlussendlich Unterkunft finden wollten, egal ob Ping'an oder nicht. Wir folgten den Lichtern der Häuser und fragten bei den zwei Hotels nach, die wir fanden, uns jedoch mit 120 RMB eher abschreckten. Schließlich zückten wir den Kindle und fragten nach dem Gasthaus, was der Lonely Planet mit 40 RMB pro Zimmer erwähnt. Wir wurden wieder bergan geschickt und zum ersten Mal bekamen wir einen guten Eindruck von der verwinkelten Bauweise des Bergdörfchens. Kein Weg, zwischen 1 und 2 Meter breit, verläuft auch nur ein paar Meter ohne An- oder Abstieg oder ohne Krümmung. Oft mit einem kleinen aber tiefen Kanal an der Seite versehen, sind diese Pfade an sich schon spannend und sicher übel, wenn man mal betrunken nach Hause geht. Straßenlaternen gibt es keine, so dass wir, wie die Einwohner, unseren Weg mit der Taschenlampe bestritten. Während wir also so durch die Dunkelheit tappten und um die nächste Ecke bogen, erklang plötzlich englische Popmusik und bunte Lichter erhellten den Weg. Wir befanden uns mit einmal, jedenfalls gefühlt, in einem österreichischem Skidörfchen, in dem Kneipen um Kundschaft werben. Es gab laute Beats, grelles Licht, frisch gebratene Fleischspießchen und natürlich noch einen gut sortierten offenen Supermarkt. Mit einmal sah der Ort gar nicht mehr so unbewohnt und einsam aus, wie wir am Anfang noch befürchtet hatten, aber so...?

Nach mehrmaligen Fragen fanden wir sogar unsere Unterkunft "Wangji Peasant Family Happy" (fast das letzte Haus im Ort) und bekamen tatsächlich ein Zimmer für 40 RMB. Die Vermieterin spricht sehr gutes Englisch, sie ist Englischlehrerin. Die Häuser dort sehen von außen wie große ausgebaute Scheunen aus. Im untere Bereich, in dem es kaum Trennwände gibt, befindet sich die Küche und der Aufenthaltsraum, während oben mehrere Zimmer abgetrennt sind. Gebaut wird fast ausschließlich mit Holz und ohne Nägel (Zapfenbauweise). Ohne Dämmung und mit großzügigen Ritzen in den Wänden, war es auch recht frisch im Zimmer, so dass wir das Angebot des Hausherren, in der Küche am Feuer zu sitzen, dankend annahmen. Zum ersten Mal sahen wir nun endlich eine "Restaurantküche", als was normalerweise im Hinterzimmer geschieht, wenn man nicht in eine Garküche geht, von innen. Das einzige moderne Gerät im ganzen Raum war die Kühltruhe. Gekocht wird in Woks auf mehreren halbhohen Fässern, in denen Feuer brennen, Putzmittelflaschen reihen sich gut zwischen Getränkeflaschen ein. Und alles war einfach so richtig schön fettig, dunkel und irgendwie so gar nicht gepflegt. Arbeitsplatten und Waschbecken, wie wir sie kennen, gibt es keine, dafür haufenweise Schüssel und Holzbretter. Das Wasser, direkt von Berg, läuft in einem dünnen, tropfenden Plastikrohr quer durch die Küche und endet über einem großen Steinbecken am Boden, von wo das Wasser wiederum raus in den Kanal geleitet wird. Anstatt Stromkabel zu verlegen, wird, natürlich nur zweiadrig, Klingeldraht gezogen. Aber irgendwie funktioniert scheinbar alles auch wenn wir irgendwie immer denken "Muss das denn so sein, man könnte doch so schön...?" Und genau das ist es wohl, man "könnte", aber braucht es eben nicht. Und so haben auch wir die gemütliche offene Feuerstelle, auf der wir unsere Nudeln kochten, dem Benzinkocher vor dem Haus vorgezogen - auch wenn man besser rauchfrei feuert: Abzug erfolgt nur durch die Ritzen des Hauses. Nach dem Essen ging es es noch zu einer kleinen Ortsbegehung mit Taschenlampe und der Ort entpuppte sich als das Komplettpaket für den Touristen: Restaurants und Hotels für unterschiedliche Geldbörsen, sogar eine Jugendherberge, Cafés, und Massagen werden angeboten. Vervollständigt wird das ganze noch durch ein schickes, sehr hochpreisiges, winziges Hotel eines Deutschen, der die Anwohner regelmäßig mit guten deutschen Backwaren, unter anderem mit Marmorkuchen, verwöhnt. Leider hat uns unser Frühstück hingegen enttäuscht. In der Hoffnung auf ein traditionelles Frühstück, bereitet durch den Hausherren, hatten wir zu unseren eigenen Haferflocken einmal Nudeln bestellt. Um so größer die Enttäuschung, als er am nächsten Morgen mit zwei (nicht wie bestellt, einem) Bechern, statt selbstgemacht, von der örtlichen Nudelküche kam. Immerhin war Pablo gut gestärkt, da Petra das zum Frühstück viel zu scharf war.

Nachdem wir verabschiedet und auf den richtigen Weg nach Dazhai geschickt waren, trafen wir unvermittelt schon am frühen Morgen auf die sogenannten Longhair Woman, Frauen, die sich angeblich nie die Haare schneiden und sie wie einen Turban um den Kopf tragen. Wenn sie sich nicht in wildromantischen Bächen (in China ohne Müll!?) die Haare waschen, wie man überall Fotos von sieht, laufen sie durch die Gegend und bieten Touristen an, Gepäck in Körben zum nächsten Ort zu tragen, was wir natürlich dankend ablehnten (unser Gepäck kann man ja keinem Anderen antun). Darauf hin boten sie uns an, dass wir sie für 10 RMB fotografieren dürften und zum Schluss ihre Dienste als Führer über die verzweigten Wege. Wir zeigten und erklärten ihnen jedoch unser GPS-Gerät, so dass sie lachend aufgaben. Diese Prozedur wiederholte sich mehrmals innerhalb kürzester Zeit trotz dichtem Nebel und keinem anderen Touristen weit und breit.

Spannend wurde es erst wieder, als uns eben jener Deutsche einholte, der in Ping'an ein Hotel führt. Peter, versicherte uns, dass wir gerade durch den schönsten Bereich liefen und es zwischen Ping'an und Zhongliu die tiefsten Terrassen gibt. Leider konnten wir bei dem Wetter nicht einmal die winterliche Aufmachung der Reisterrassen bestaunen. Überhaupt sahen wir die abgeernteten Reisfelder nur, wenn wir unmittelbar davor standen, von einem 80 RMB-Blick auf Terrassen konnte nicht die Rede sein. Aber durch die hohe Luftfeuchte war der Steinpfad zum Teil sehr rutschig, so dass wir uns ohnehin mit konzentrierten, abwärts gerichten Blick langsam durch den Nebel kämpften. Wir erfuhren allerhand aus Peters Leben, auf Hawai und in China, über Korruption und Liebschaften mit und bei den Einheimisch, sowie über die Annehmlichkeiten, die sich ein Wohlhabener leisten kann. Kurzerhand wurden wir dann auf ein Mittag ("Wollt ihr was erleben, oder was?") bei seiner Angestellten in Zhongliu eingeladen, zu der er gerade unterwegs war. Dort angekommen wurden wir freundlich von der Familie begrüßt, die mit drei Generationen in einem alten dreistöckigen Farmhaus lebt. Im Erdgeschoss, das nicht komplett umschlossen ist, werden die Ernte und allerhand anderes gelagert, im ersten Stock gibt es einen sehr großen Aufenthaltsraum mit Feuerstelle sowie die Privaträume und ganz oben unterm Dach ist wieder Lagerplatz. Gekocht wird auf dem offenen Feuer, große Granitblöcke kunstvoll in den Holzboden eingelassen, in einem Wok. Für uns gab es "Hot Pot": in einer Brühe wird Gemüse, Tofu und Fleisch kurz gekocht und dann direkt aus dem Wok zu Reis gegessen. Zu trinken gab es Tee aus der Region mit Wasser aus dem Wasserkocher, mit dem Peter bei seiner ersten Ankunft erst mal das halbe Tal ausgestattet hat. Denn frischen Tee mit heißem Wasser (und nicht aus den sonst üblichen großen Thermoskannen, die einmal täglich gefüllt werden) ist das, was Besucher wollen, wenn sie zu einer Farmersfamilie kommen... So sagte es Peter, der öfter mit Gästen hier herkommt und den Lebensstil quasi präsentiert. Wurden wir Zeuge eines gut insziniertes Erlebnises für den zahlenden (in unserem Fall übernahm dankenswerterweise Peter die Rechnung) Gast? War es authentisch, und von Herzen? Konserviert der Tourismus die Vergangenheit, die sonst schon längst ausgestorben wäre?

Nach dem Essen bedankten wir uns mit einer kleinen Schokolade und einem Snickers und verließen Zongliu, den Ort mit der höchsten Dichte an Bierflaschen pro Quadratmeter Dorf-Bach-Bett bisher, in Richtung Dazhai. Noch immer ging es bergan, vorbei an vielen nicht mehr bewirtschafteten Terrassen, von denen es laut Peter immer mehr gibt. Was schauen sich wohl die Touristen in ein paar Jahren an? Zwar haben dann die Einheimischen genug Hotels nach dem, von der Regierung geforderten Standard (mehr Stein, weniger Holz - die Westler sollen schließlich nicht in Holzhäusern verbrennen) gebaut und jedes Dorf hat dann auch eine Straßenanbindung. Aber liegen dafür dann die Terrassen brach?

Nachdem wir den Pass überschritten hatten und nach Dazhai abstiegen, lichtete sich der Nebel und wir sahen endlich Terrassen und noch mehr Unterkünfte an die Hänge geschmiegt, zwar schick aber mit einem faden Beigeschmack. Uns entgegen kamen Frauen in farbenfrohen Trachten, die fleißig Gepäckstücke der chinesischen Touristen, die schnaufend hinterher kamen, hochtrugen. Die wenigen Ausländer, die wir sahen, trugen allesamt ihr Zeugs selbst. In Dazhai angekommen, mieteten wir uns gleich im ersten Haus (von oben kommend), im Minority Cafe & Inn, ein und bekamen ein kleines zugiges Eckzimmerchen mit einem tollen Blick über Dazhai. Den Rest des Tages verbrachte wir auf der Terrasse des Hauses und mit einem Spaziergang durch den Ort. Abends gab es dann noch um ein wärmendes Feuerchen einen netten Plausch über die Erfahrungen in China mit drei jungen Lehrerinnen aus Deutschland, die ein Praktikum an der deutschen Schule in Shanghai absolvieren.

Am darauf folgenden Tag war das Wetter endlich ein bisschen besser und der Nebel zum größten Teil verschwunden, so dass wir einen Rundgang zum Golden Buddha Peak (Goldener Buddha Gipfel) unternahmen. Golden war da jedoch nichts. In der Nebensaison sind die Fress-Hütten dort oben verrammelt und verriegelt und alles sah aus, als wenn es einmal bessere Zeiten gegeben hat - vielleicht kommen die ja mit dem Sommer wieder.

Am vierten Tag ging es für uns schlussendlich mit dem Bus von Dazhai zurück nach Heping und von dort nach Guilin, von wo wir ein Nachtzugticket nach Dali gebucht hatten.

Rückblickend war der Ausflug zu den Reisterrassen etwas enttäuschend, was nicht nur an dem wenig optimalen Wetter lag. Klar, es ist eines der Toptouristenziele Chinas, aber vermutlich nur, weil es vor ein paar Jahren eben noch nicht touristisch war und die Leute sich auf den Reisanbau konzentrierten und nicht Koffer getragen haben. Wir sind gespannt, wie lange aus der Gegend noch Geld gepresst werden kann. Die Eintrittsgelder gehen angeblich direkt an die Regierung, so dass sich die Einheimische eigene Wege suchen um was vom fetten Kuchen (2'000 Touristen am Tag allein im Kaff Ping'an) abzubekommen. Zudem handeln Tourenanbieter unglaublich niedrige Preise aus, so dass es zu regelrechten Meutereien kommt und die Reisbauern ihre Felder erst später Fluten und die Touris auf unspektakuläre trockene Terrassen schauen. Hört man, wie langwierig und anstrengend der Reisanbau ist, kann man den Bauern fast gar nicht verübeln, wenn sie sich andere Methoden zur Geldeinnahme suchen. Am Anfang der Saison werden die Felder mit Kuhdung gedüngt, der zusammen mit den Stoppeln vom Vorjahr untergepflügt wird. Ist das Feld zu klein um einen Ochsen vor den Pflug zu spannen, muss die Frau den Pflug ziehen. Vielleicht würde ich dann auch lieber einen Koffer tragen, anstatt durch einen Matsch aus Kuhdung einen Pflug zu ziehen und den ganzen Tag im nassen Wasser zu stehen. Aber andererseits hat sich dadurch noch eine weitere Kernkompetenz bei den Damen der Region entwickelt: Fußpflege und -massage. Von bis zu drei Generationen kann man sich gleichzeitig verwöhnen lassen, wusste Peter zu berichten.

Karten

Fakten

  • Eintritt 80 RMB
  • Übernachtung in den Dörfern im DZ ab 40 RMB möglich (nachfragen!)
  • Bus von Guiling nach Heping (= Hepingxiang) 24 RMB
  • Bus von Dazhai nach Guilin 7 RMB + 24 RMB, Umstieg in Heping (mit Warten an der Straße) - nicht, wie gern erzählt, erst nach Longsheng fahren
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