19.04.2012 Kratie - wenig Grazie

Aus RTW

Abgebrannt - Service-Tief - Gedanken zum Thema "Eco-Tourismus"

Nach Kep im Süden reisten wir, mit einem Zwangsstopp in Phnom Penh, weiter in den Norden nach Kratie, Richtung laotischer Grenze. Warum Kratie? Das fragten wir uns auch, als wir nach einer langen Busfahrt an der Uferstraße standen. Die Straßen des kleinen Ortes sahen aus, wir kurz nach einem Tornado. Überall lagen zerstörte Straßenstände und unglaublich viel Müll. Später erfuhren wir, dass die Markthalle nach einem Brand erst vor kurzem wieder aufgebaut wurde und wir noch die Reste der ausgelagerten Stände sahen.

Wir fanden ein überraschend preiswertes Zimmer im vermeintlich besten Hotel der Stadt (laut wikitravel) direkt am Mekong. Jedoch bekamen wir wieder einmal deutlich zu spüren , dass ausländische Touristen weniger als Kunden sondern als eine bequeme Nebeneinnahme gesehen werden. Auf mehrfache Nachfrage nach Toilettenpapier wurde uns immer wieder geraten, dass wir die Dusche nehmen sollen. Man sei ein kambodschanisches Hotel und Toilettenpapier, was am Anfang noch vorhanden war, wird maximal als Serviette für den Tisch verwendet. Und dann kam noch unsere liebste Begründung: Neujahrfest! Die Geschäfte sind in der Zeiten nebensächlich. "I don't care" (mir egal), so die Aussage des Hotelmanagers, auf den Hinweis, dass sein Haus das erste in Südostasien sei, in dem es an so Elementarem scheitert. Dies, die unverschämten Preisvorstellungen in den Imbissen, und der absolute Mangel an Sehenswürdigkeiten machten Kratie für uns zu einem unsympathischen Ort. Um so mehr überraschen die vielen Hostels und Hotels (der Übergang ist fließend), sowie die große Anzahl an Touristen. Die sind primär aus einem Grund hier: Um in überteuerten TukTuks, die Fahrer haben mit Preisabsprachen den Preis auf 20 Euro am Tag hochgetrieben, ins Umland zu fahren und beispielsweise die Flussdelphine bei Kampi, oder ein paar historische Pagoden zu sehen.

Auch für uns gab es einen greifbaren Grund für Kratie: Es ist Anfangspunkt eines Abschnittes des Mekong Discovery Trails, der bis zur laotischen Grenze führt, über den wir vage Informationen im Internet gefunden hatten. Die Bezeichnung "Trail" ließ uns auf einen Weg hoffen, dem wir zu Fuß, mit unserem Zelt ein paar Tage folgen können. Nach einem Gespräch mit einem Mitarbeiter einer Reiseagentur mit Fokus auf Nachhaltigkeit, entpuppte sich der Trail jedoch als ein Netzwerk nicht zusammenhängender Routenvorschläge entlang des Mekong. Um die Städte Kratie und Stung Treng gibt es Wanderwege, die den Besuchern das Leben und die Kultur der Khmer näher bringen, oft mit der Möglichkeit der Übernachtungen bei Familien. Möchte man jedoch die Strecke zwischen den Städten auf dem Trail überwinden, ist ein besseres Fahrrad und der Transport des Gepäcks fast unerlässlich. Services, die gern von den beteiligten Partnern gestellt werden.

Das alles wird unter dem Schlagwort "Eco-Tourismus" geführt, hinter dem sich in erster Linie organisiertes Reisen mit einer festgelegten Spende für die beteiligten Dörfer verbirgt. Individuelles Reisen, wie wir es von Fernwanderwegen in Europa kennen, wird wenig gefördert und stößt immer auf verwunderte Reaktionen bis hin zum Abraten von unserem Vorhaben. Das Erkunden eines Landes mit Hilfe einer Karte und vielleicht sogar GPS und das alles zu Fuß - ein unvorstellbares Unterfangen. Braucht man doch zu mindestens einen einheimischen Führer und im Zelt schlafen, da gibt es nur ungläubig hochgezogene Augenbrauen - "maybe it's not safe". Dabei ist doch genau das, was wir unter unserem ganz persönlichen Eco-Tourismus verstehen. Mit geringstmöglicher Auswirkungen die Natur erleben und genießen. Eine Sichtweise, die wir eventuell ganz selbstverständlich mitbringen, jedoch in den südostasiatischen Ländern unbekannt ist? So kann man zwar aus einer ganzen Menge Touren wählen, aber landet dann doch immer in einem Produkt, welches routiniert zum x-ten Mal durchgeführt wird. Immerhin hinterlassen die Versprechungen vom nachhaltigen Tourismus und der Unterstützung der Gemeinden das Gefühl nicht nur für sich selbst etwas Gutes getan zu haben. Und tatsächlich bietet diese Form des Tourismus z.B. den ansonsten recht alternativlosen Bergdörfern im Norden wohl erstmals eine alternative Einnahmequelle zum massiven Brandroden, was ganz Landstriche zerstört. Ob die Kopierfreudigkeit der Asiaten und die hiesige scheinbare Bedeutungslosigkeit von geschützten Begriffen (seien es Markennamen oder Begriffe wie "öko" und "bio") kombiniert mit den in der Branche noch vielversprechenderen Gewinnmargen die Idee langfristig überleben lassen, darf bezweifelt werden. Es steht zu befürchten, dass demnächst jeder Anbieter mit den Schlagworten "eco", "social", und "organic" Werbung macht, so deren Glaubwürdigkeit aufgeweicht wird, und die Qualität im Strudel des selben Preiskampfes vor die Hunde geht, der momentan bei gewöhnlichen Angeboten zu beobachten ist. Inwiefern es Agenturen, wie Green Discovery, schaffen ihrem Leitsatz treu zu bleiben, können wir natürlich nicht beurteilen. Nach einem Blick in ihre Angebotsmappe fanden wir jedoch die gleichen Tourbeschreibungen, wie die meisten Anbieter in der Nähe anbieten. Immerhin: Inzwischen ist z.B. Motorradverleih aus der Angebotsliste verschwunden. Unterm Strich müssen wir aber eingestehen, dass es auch die Preise sind, die uns den Zugang zu derlei Touren verbauen. Interessant ist, dass Touren, die näher an der Natur dran sind und weniger Komfort bieten, meist mehr kosten. Etwas, was nach unseren Vorstellungen nicht zusammen passt. Ist es für viele ein seltenes, aufregendes Abenteuer in einem Bambushütte auf dem Fußboden zu schlafen, wollen wir uns "Einfachheit" und "wenig Komfort" nicht gönnen, sondern es als einen Aspekt kostengüstigen Reisens akzeptieren.

Trotz allem wollen wir hier nicht nur schlechte Stimmung gegen die angeboten Touren machen. Bieten sie doch den meisten Reisenden einen organisierten Einblick in die Welt abseits der Bananen-Pancake-Restaurants. Gerade, wenn man keine Erfahrungen mitbringt, kann man dank der Touren ein kleines Abenteuer im sicheren Umfeld erleben. Nur sollte man seinen Touranbieter mit viel Umsicht wählen.

Im Glauben an das Gute vertrauten wir uns CRD Tours (Cambodian Rural Development Tours) an, die, zusammen mit dem Netzwerk der Agenturen des Mekong Discovery Trail, interessante Ansätze bieten, was uns eine Mischung aus organisierten Abschnitten und individueller Tour erlaubte. Wir buchten die Anreise und die erste Übernachtung auf der Insel Koh Rougniv mit Essen bei einer Familie im Dorf, wollten dann jedoch allein die weiteren 40 km quer über die Insel zu Fuß zurücklegen und unsere Weiterreise selbst organisieren. Etwas, für das der gute Mann jede Verantwortung ablehnte. Eigentlich ist vorgesehen die Strecke zusammen mit einem einheimischen Führer in einem Tag auf dem Fahrrad zurückzulegen und am Ende in den bereitstehenden klimatisierten Van zu steigen.

Es ist ein zweischneidiges Schwert. Bucht man seine Tour (Transport, Übernachtung, Essen, täglich abgezählte Wasserflaschen) über eine Non-Profit-Agentur bekommt man ein rund-um-Sorglospaket mit einem, für uns zu hohen aber aufgeschlüsselten Preis, von dem Anteile für die Entwicklung der Gemeinden verwendet werden. Macht man das Ganze in Eigenregie ist man oft den Interessen eines Einzelnem ausgeliefert und die Kosten für Übernachtungen, die Fährfahrten und Essen werden nach Laune bestimmt. Aber das Risiko wollten wir für drei Tage Wandern abseits der Busladungen Touris gern in Kauf nehmen und so stand unserem kleinen Abenteuer nichts mehr in Wege!

Fakten

  • Odom Sambath Hotel für 7USD fürs DZ mit Bad - fragwürdiges Personal
12.4909106.0195

12.4909, 106.0195



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