14.12.2011 Qufu - das leere Grab des Konfuzius
Aus RTW
Couchsurfing in College - Jahrhundert alte Gräber - Lonely Planet Effekt
Mit etwas Verspätung hier der Bericht zu unserem Aufenthalt in Qufu vom 12. bis zum 14. Dezember 2011.
Da wir in Qingdao und Tianjin fast vergeblich nach der, uns von einem anderen amerikanischen Reisenden vollmundig empfohlenen, Aufarbeitung kolonialer Geschichte gesucht hatten, starteten wir einen weiteren Versuch in Qufu, diesmal jedoch in der Hoffnung auf authentisch chinesisches Volksgut, welches bereits um lange vor unserer Zeitrechnung seinen Ursprung nahm. Qufu ist eine kleine staubige Stadt, die sich deutlich in eine mit einer Stadtmauer umgebene Altstadt und einen moderneren Bereich mit Einkaufszentren und Hochhäusern unterteilen lässt. In der Altstadt finden sich allerorten Stätten mit Bezug zum größten Sohn dieser Stadt - dem Philosophen Konfuzius (551 v. Chr. - 479 v. Chr.).
Mag Qufu relativ zum chinesischen Durchschnitt gesehen noch so klein und verschlafen sein, so sorgt dieses Vermächtnis doch dafür, dass sich, mindestens in der von einer Stadtmauer umgebenen Altstadt, auch hier alles um die Touristen dreht. Seit 1994 stehen auf der Liste der UNESCO Weltkulturerben die drei Konfuzius-Sehenswürdigkeiten: der Konfuziustempel, der Wald (Friedhof) des Konfuzius und das Kong-Familien Haus. Wir entschieden uns für den Friedhof, der außerhalb der damaligen Stadtmauer liegt und die größte künstliche Parkanlage (Pinien und Zypressen auf 200 ha Land, umgeben von 10km Mauer) und der besterhaltenste Friedhof jenes Alters in China sein soll. Neben Konfuzius wurden dort über die Jahrhundert seine Nachfahren aus über 70 Generationen begraben, sowie viele andere Würdenträger der Umgebung. Vorbei an, dank Nebensaison, gut ausgedünnten Souvenierstandreihen und den üblichen fleißigen Rikschafahrern spazierten wir quer durch die Stadt zum Eingang des Geländes, der durch einen Durchgang in der Stadtmauer in den Park, bzw. auf den Friedhof, führt. Auch dort wartete mal wieder eine Frau auf uns, die sich entschieden zwischen uns und das Tickethäuschen stellte und versuchte uns die Tickets zu verkaufen, die sie scheinbar schon einige Zeit in der Hand hielt. Obwohl sie den gleichen Preis verlangte, wie veranschlagt und die Tickets echt aussahen, waren wir unsicher, was die Absicht hinter ihrem Handeln war, daher kauften wir unsere Tickets ordnungsgemäß am Schalter und machten uns auf das Gelände zu erkunden. Natürlich sollte unser Weg auch pflichtbewusst am Grab des großen Meisters vorbeiführen und somit folgten wir den Schildern und fanden auch so manch interessant aussehendes Grab mit großen Steinwächtern, aber das Konfuziusgrab wollte sich nicht zeigen. Erst nach einigem Hin- und Herirren fanden wir recht nahe am Eingang einen eingemauerten Bereich mit kleinen Gebäuden, wo sich dann tatsächlich ein riesiger Grabhügel mit einem Gebetskissen davor befand. Leider folgte der Begeisterung schnell die Ernüchterung: das Grab ist leer und auch nicht mehr das Original. Der Friedhof wurde bereits mehrfach rekonstruiert und während der Kulturrevolution, während derer die Lehren Konfuzius als konterrevolutionär galten, stark zersört.
Aber was schaut man sich denn nun hier an? Werden die ehemals gebannten Kulturschätze auf Grund eines neu erstarkten und wiedergefunden Stolzes auf die Kultur des eigenes Land wieder aufgebaut? Oder erkennt China das Potential und den touristischen Wert der weltweit bekannten Stereotypen, wegen derer viele Reisende sich nach China aufmachen? Oder ist es einfach nur der Lonely Planet Effekt? Liest man in der englischsprachigen 2011er Version noch, "Achtung! Kein englischsprachiges Menü", so bekommt man das jetzt schon gleich unter die Nase gehalten, während man noch abwägend vor dem Restaurant steht. Entsprechend ist auch der Essenspreis angepasst. Bei nahezu allen Preisen, die im aktuellen Lonely Planet aufgeführt werden, kann man bereits 25 % bis 50% aufschlagen (im Dezember 2011).
Auch wenn uns die Stadt selbst nicht so recht begeistern wollte, wurde das jedoch durch unsere tolle Couch- und Gastgeberin Annie wieder ausgeglichen. Über Couchsurfing fanden wir Unterkunft bei einer jungen Amerikanerin, die an einer Hochschule dritten Ranges Englisch (Phonetik und Schreiben) unterrichtet. Dank ihr bekamen wir einen interessanten Einblick in die Ausbildung der jungen Chinesen. Sie lernen nahezu rund um die Uhr um sehr gute Noten zu erhalten, die ihnen den Besuch einer Universität, und damit dem vielgenannten Traum in die Welt hinaus zu können, ermöglichen sollen. Unter der Hand wurde uns erzählt, dass der ein oder andere dies auch durch Parteibeitritt zu begünstigen sucht, was wohl auch heute noch seine Vorteile bringt.
Die Studenten wohnen zum größten Teil in Wohnblöcken auf dem Gelände der Hochschule. Da sie keine Kochmöglichkeiten haben, gibt es einen gut sortierten Nachtmarkt vor dem Gelände, auf dem man sich sein Abendessen von verschiedensten kleinen Ständen zusammenstellen kann. Unsere Favoriten waren kleine Teigtaschen mit Hühnchenfleisch und ein Crepe gefüllt mit Kartoffelsalat nach chinesischer Art (ganz dünne rohe Kartoffelstreifen angebraten in viel Öl mit ein bisschen Schärfe). Sehr abwechslungsreich zu unserer sonstigen Nudelsuppe, auf die wir auf Grund unserer Sprachbarriere oft zurückgreifen. Am zweiten Abend besuchten wir zusammen mit zwei chinesischen Studenten ein Restaurant und überließen die Wahl der Gerichte ganz ihnen. Am ausgefallensten waren hier ganz klar die Süßkartoffelspalten überzogen mit karamelisierten Zucker. Aß man die nicht schnell auf, härtete der Zucker aus und man konnte das ganze nur noch mühsam von der Platte kratzen und wie einen Bonbon lutschen.
Ein Tag Qufu (zwei Nächte) reichte uns aus um den Ort zu entdecken, so dass wir uns anschließend auf den Weg nach Shanghai machten. Während wir bei unserer Ankunft in Qufu am alten Bahnhof ankamen, an dem nur langsame Züge halten, fuhren wir nach Shanghai wieder mit einem Schnellzug am eigens dafür gebauten, weit vom Ort entfernten, modernen Bahnhof. Tickets für die Schnellzüge kann man jedoch bequem am zentrumsnahen alten Bahnhof kaufen.
Fakten
- Eintritt zum Konfiziusfriedhof (im Norden der Stadt an der Lindao Lu) 30 RMB pro Person (Nebensaisonpreis)
- Street food (Essenstände) vor dem Gelände des Xingtan College