27.02.2012 Bac Ha - Urlaub vom Urlaub
Aus RTW
Urlaub vom Urlaub, anders kann man die Woche, in der wir uns fast nur zur Essensaufnahme von unserer Terrasse wegbewegt haben, nicht bezeichnen. Mit der Ausrede, dass wir auf Susi warteten und nicht schon zu viel von Vietnam ohne sie sehen wollten, saß es sich ganz bequem und das WLAN vom Hotel gegenüber ließ uns immerhin am weltweiten Leben teilhaben. Denn in Bac Ha ist nicht viel los, dass können wir nach fast zwei Wochen mit ziemlicher Sicherheit sagen. Das Highlight der Woche ist der sonntägliche Wochenmarkt. Dann strömen nicht nur die Händler und Bauern mit ihren frischen Waren nach Bac Ha, sondern auch die Touristen. Pünktlich zum Freitag werden Busladungen von Langnasen vor den zwei, scheinbar westlichen Ansprüchen genügenden, Hotels des Ortes (Sao Mai, Kong Fu) abgeladen. Unsere Unterkunft gehörte offensichtlich nicht dazu, zu uns verirrten sich nur ein paar Touris, die sich wie wir ohne die Sicherheit einer geführten Gruppe nach Bac Ha gewagt haben. Trotzdem kamen wir ganz kurz in den Genuss des Rund-Um-Sorglospaketes, als wir, heimlich reingeschlichen, abends beim vom Sao Mai Hotel inszenierten Tanz ums Feuer mit den heimischen Minderheiten vorbeischauten und von den Animateuren prompt mit in den hüpfenden Kreis hereingezogen wurden - der skeptische Blick der anderen Westler sagte nur "die waren doch nicht im Bus".
Aber ansonsten beschränkte sich unser tägliches Highlight auf das Verhandeln um Obst und der Besuch im Imbiss vom "Papa Russe" auf dem Marktgelände. Der gute Mann kommt eigentlich aus der Ukraine und hat scheinbar ein Herz für Touristen. Für konstante 20'000 VND gab es entweder eine Nudelsuppe oder gebratenen Reis mit Gemüse und Tofu und je nach Wunsch und Laune sogar auf Nachfrage mit Bambus und Ananas, wenn er sie nicht komplett an uns verschenkt hat. Je später am Abend, je größer und vielfältiger die Portionen. Am Ende eines Markttages kann es magerer aussehen, wenn nach "100kg Reisnudeln" die Kräfte und Ressourcen zur Neige gehen. Leider konnten wir seine Geschichten nicht verstehen, aber wir nickten verständig, als er von Socken und Fußballern der alten Heimat berichtete.
Ansonsten hielten sich die aufregenden Dinge stark in Grenzen, so dass wir dann doch zu einer Wanderung nach Si Ma Cai in Richtung chinesischer Grenze aufbrachen. Den Weg, befahrbare Sandwege, hatten wir uns mit Hilfe der Satellitenbilder bei Google Maps zusammengesucht und die wichtigsten Kreuzungen ins GPS Gerät übertragen.
Immer bergan, jedenfalls gefühlt, ging es bei strahlend blauen Himmel aus Bac Ha heraus, vorbei an kleinen Häuseransammlungen und heftig winkenden Kindern. Dankenswerterweise wurde die Forderung nach Geld, wie in Bac Ha üblich, von der Nachfrage nach Bonbons abgelöst. Was uns immer wieder schmerzlich daran erinnerte, dass wir nichts Süßes dabei hatten - nicht mal für uns selbst. Überhaupt hielt sich die Vielfalt unseres Proviants arg in Grenzen. Aus Ermangelung eines größeren Einkaufsladen in Bac Ha, hatten wir lediglich ein paar Packungen Fertignudeln dabei, die mit heißem Wasser eine magere Mahlzeit abgeben. Aber das Universum zeigte sich gnädig und schickte uns eine kleine Vietnamesin, die sich, kaum entdeckt, in den Strohhut verliebte, den Pablo seit der Tiegersprungschlucht, wo er ihn im Gebüsch gefunden hatte, mit sich herum trug. Leider war der Hut nicht so gut in Kombination mit dem Rucksack zu tragen und mit seiner steifen und doch spröden Konstruktion war er mehr eine empfindliche Last. Immerhin schützte er sehr gut vor der Sonne, was wohl auch der Vietnamesin aufgefallen war, so dass sie sogar nach ihrer Börse griff um uns Geld dafür zu geben, was wir jedoch nicht annehmen wollten. Leider war sie nicht bereit ihr traditionelles Kopftuch im Austausch zu geben, aber sie zeigte uns ihr frisch geerntetes Grünzeugs, was sich perfekt zum Aufpeppen unserer Fertignudeln eignete. Ungläubig, dass wir mit einem Bündel zufrieden waren, versuchte sie noch mehrmals uns ein zweites zu geben, was wir jedoch dankend ablehnten. Das Kraut wäre in der Wärme schneller vertrocknet, als dass wir es hätten essen können. Somit war der Tausch perfekt und sie zeigte ihre Errungenschaft stolz vorbeikommenden Vietnamesen. Die Aussicht auf die Nudeln, auch mit Kraut, war jedoch nicht besonders verlockend, und wir wollten unsere Reserven schonen, so dass wir beschlossen im nächsten Dorf einfach bei Anwohnern nach einer Mahlzeit zu fragen. Und tatsächlich klappt es und wir bekamen nach einer guten halben Stunde Warten Unmengen Reis mit Kraut. Dabei wurde einfach die Hälfte von unserem Grünzeug mit verarbeitet und ergänzt durch ein wenig aus dem eigenen Garten. Als Dank wollten wir ein wenig Geld geben und fragten nach ihren Vorstellungen. Leider verstanden wir nicht, so recht, was sie meinten (dörflich günstige 5'000, oder, unwahrscheinlich, abzockerische 50'000 VND), so dass wir soviel gaben, was uns sonst ein gemeinsames Essen in Bac Ha gekostet hätte, womit sie schließlich zufrieden schienen.
Gut gestärkt machten wir uns gegen 15 Uhr wieder auf den Weg, der uns wieder bergan, vorbei an Reisterrassen und interessanten Gesteinsformationen zum nächsten Dorf führte. Dort fanden wir erst mit Hilfe eines Anwohners den Abzweig, der eher wie ein kleiner Feldweg aussah, nach Si Ma Cai. Ganz im Gegensatz zu China war keiner überrascht, dass wir die Strecke zu Fuß zurücklegen wollten. Zwar bestaunten sie immer wieder unsere Rucksäcke, vor allem die älteren Frauen, aber uns unangenehmes Starren blieb aus - es erschien uns, ob der oft durch die Einheimischen ebenso bewegten Lasten, eher als Respektsbekundung. Dank der Freundlichkeit der Menschen, die auch abseits des touristischen Marktes in ihren bunten Kleidern auf dem Feld arbeiteten, und der recht guten Wege, machte es richtiggehend Spaß durch die Landschaft zu laufen. Mit nahender Dämmerung und zufrieden mit unserem Tagwerk beendeten wir die Etappe schon bald hinter dem Dorf und bauten unser Zelt auf einer Terrasse auf, die unbenutzt war und einen guten Blick übers Tal bot. Da wir noch immer recht satt vom späten Mittag waren, verzichteten wir aufs Abendessen und genossen, stereotypisch, den Sonnenuntergang auf den noch warmen Steinen sitzend mit einem Heißgetränk. Endlich war es so warm, dass man es trotz früher Dunkelheit (um 18Uhr war es fast dunkel) noch gut draußen aushalten konnte. Für ein letztes Herzklopfen am Tag sorgten zwei Jugendliche, die kurz vor Mitternacht den Weg vom Dorf mit Taschenlampe und Musik aus dem Handy herunterkamen. Unklar, ob sie das Zelt nicht stehen sehen haben, zogen sie an uns vorbei und danach war es, abgesehen vom Hundegebell und dem Krähen der Hähne den Rest der Nacht ruhig. Im Gegensatz zu unseren Hähnen in Deutschland, unterhalten sich die Viecher hier die ganze Nacht durch und nicht erst im Morgengrauen - vielleicht liegt's daran, dass sie nicht eingesperrt werden.
Als wir am nächsten Morgen aus dem Zelt schauten, war es leider nicht mehr so klar, wie beim letzten Blick in den Sternenhimmel. Dichter Nebel umgab uns, so dass das Zelt nicht trocknen wollte und wir die herannahenden Kühe mehr hörten als sahen. Jedoch riss es pünktlich zum Aufbruch auf, so dass wir mit Blick ins Tal die letzten Meter abstiegen. Von dort ging es jedoch gleich wieder stetig bergan, vorbei an kleinen Wasserfällen, die uns das Wasser für das Mittagessen und eine erfrischende Dusche sicherten - ha, endlich in den Tropen.
Kurz vor Si Ma Cai, bereits im Grenzgebiet zu China, kamen wir durch ein Dorf, in dem uns eine ältere Dame mit Gesten anbot bei ihr zu schlafen. Nach kurzem Zögern sagten wir zu und sie brachte uns zu einem Hof mit zwei großen Häusern, von denen sie eins mit ihrer Familie (ihr Ehemann, Sohn mit Ehefrau und deren drei kleinen Kinder) bewohnte. Wir wurden in der besseren Scheune am einzigen Tisch auf kleinen Stühlchen platziert und waren umgehend von einer Kinderschah umgeben. Irgendwann legte uns der Sohn des Hauses einen Zettel vor, auf dem auf Vietnamesisch eine Frage geschrieben stand, die wir, trotz Wörterbuch, nicht entziffern konnten. Als er dann noch aufschrieb, dass das Hotel in Si Ma Cai nur zwei Kilometer entfernt ist und er auf sein Motorrad deutete, waren wir uns nicht mehr sicher, ob das Übernachtungsangebot noch stand. Doch kurz darauf wurde uns Reis und Gemüse zum Abendbrot gebracht, was wir jedoch getrennt von unseren Gastgebern im Haus aßen, während diese in der Küche nebenan saßen. Nach dem Essen wurde es jedoch eine gemütliche Runde, wir kommunizierten mit Hand und Fuß und zeigten Familienbilder. Da nicht klarer wurde, wo wir denn schlafen sollen, beschlossen wir die gute Stimmung zu nutzen, eine Attraktion zu bieten, und einfach auf der Terassse des Hauses unser Zelt aufzuschlagen. Umringt von unseren Gastgebern war das Zelt schnell aufgebaut und es wurde eingehend inspiziert. Anscheinend hatten wir einen günstigen Zeitunkt erwischt, denn sobald das Zelt stand und wir bedeuteten, dass nichts spannendes mehr aus unseren Rucksäcken kommt, gingen alle ins Bett und wir hatten die Terrasse unter dem Vordach für uns, abgesehen von den Enten, Hühnern, Hunden, Schweinen und Wasserbüffeln, die sich zur Nacht ums Haus versammeln. Leider hielten sich die Hähne abermals nicht an den Sonnenaufgang und krähten die ganze Nacht das Tal hoch und runter, so dass die Nacht ungewohnt laut war. Trotzdem war sie wie im Flug vorüber, da unsere Gastgeber bereits um halb sechs mit ihrem Tagewerk anfingen. Schnell packten wir das Zelt wieder zusammen und während wir noch überlegten, ob es wohl ein Frühstück geben wird, bekamen wir von der jüngsten Tochter ein Bananenbrot gebracht. Voller Vorfreude entfernten wir die Bananenblätter, in denen der Teig gebacken wird und bissen in den Teig, der sich leider als eine undefinierbar geschmacklose Masse entpuppte. Ziemlich mühsam kauten wir gemeinsamen am zähen Klumpen und überlegten schon, wie wir unbemerkt dem Hund den Rest zukommen lassen können, als wir wieder ins Haus gebeten wurden, wo uns wieder Reis und Grünzeug (das gleiche wie zum Abendessen) serviert wurde. Dementsprechend pappsatt brachen wir, nach einem Gruppenfoto mit unseren Gastgebern, schon kurz nach sieben auf. Als Dank für die Gastfreundlichkeit und das Essen baten wir der Hausdame Geld an, was sie erst nach heftiger Abwehr annahm und sich selbst dann herzlichst bedankte. Während unseres Aufenthaltes war nicht einmal eine solche herzliche Stimmung aufgekommen, wie bei unserem Abmarsch. Wahrscheinlich waren alle doch ein bisschen froh, dass es vorbei war, da die eine fehlende gemeinsame Sprache die Kommunikation schon unglaublich schwer gemacht hat und viel Unsicherheit auf beiden Seiten verursachte. Übrigens gab es auf dem Hof keine Toilette. Man geht einfach zu den Tieren um die Hausecke. Trotz allem war es eine tolle authentische Erfahrung, die man für Geld nicht kaufen kann, die uns zeigt, dass es abseits der Touristenzentren die Vietnamesen weit freundlicher und aufgeschlossen sind, als bisher Bac Ha vermuten ließ - Erfahrungen nach denen wir auf der Suche sind. Mehr davon!
Kurz darauf gab es nach ein paar Straßenkurven erstmal einen Kaffee mit Blick aufs Tal und Si Ma Cai und dazu eine kleine Seifenoper mit einem sich trennenden Pärchen und der Mutter der Frau in den Hauptrollen. Er stand mit dem Motorrad wartend da, während die Mutter weinend am Arm der Tochter hing, kunstvolle Handarbeit in den lokalen Mustern lag im Matsch daneben. Später sahen wir, dass der Mann ohne die Frau davon fuhr, jedoch kurz darauf einen zweiten Anlauf startete.
In Si Ma Cai angekommen, hielten wir kurz und erfolglos nach dem winzigsten Hotel ausschau und sprangen dafür auf den nächsten Bus zurück nach Bac Ha auf. Somit waren wir innerhalb einer Stunde, entlang einer wunderschönen Schlucht, wieder zurück am Ausgangspunkt unserer zweitägigen Wanderung und bezogen wieder unser altbekanntes Zimmer und genossen erstmal eine lange Dusche.
Am nächsten Tag, unserem dritter sonntäglichen Markttag, sollte es dann doch endlich nach Hanoi gehen. Unser Hotelbesitzer empfahl uns, anstatt den Zug von Lao Cai zu nehmen, mit dem Nachtbus direkt von Bac Ha nach Hanoi zu fahren. Den Preis von 270'000 VND konnte kein anderes Hotel unterbieten und da wir unfähig waren den offiziellen Ticketverkauf zu finden, baten wir den Hotelbesitzer um Hilfe. Jedoch beschloss er dann, dass die Tickets nun doch 300'000 VND kosten und er einfach das Wechselgeld behält (unter Strich kosten sie jedoch nur 240 000 VND). Immerhin waren wir nach einer holprigen Nachtfahrt morgens um 6 Uhr nur noch vier Kilometer vom Zentrum der Hauptstadt von Vietnam, Hanoi, entfernt. Doch dies ist eine andere Geschichte...
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