29.10.2012 Wanderung Namche - EBC - Cho La - Renjo La - Namche

Aus RTW

Trekking-Autobahn von Namche zum EBC - atemlose Nacht nahe dem Basislager - Tal-Hopping über Pässe und Gletscher

In diesem zweiten (von drei) Artikeln berichten wir von unserer Wanderung von Namche zum Everest Base Camp und den anschließend "Umweg" über die beiden Pässe Cho La und Renjo La - eine beeindruckende und atemberaubende Natur. Trotz der Massen auf dem ersten Abschnitt war es eine unglaubliche Erfahrung so weit weg von der Zivilisation mit all ihren selbstverständlichen Annehmlichkeiten zu sein, insbesondere da wir bereits sieben Tagen bis nach Namche gelaufen sind. Der Höhepunkt unserer Tour ist unbestritten die Nacht in unserem Zelt nahe dem Everest Base Camp - dem höchsten Berg der Welt so nah und doch unerreichbar.

15.10. Ruhetag Namche - Everest View Hotel

Endlich, nach sieben Tagen in den Wanderstiefeln, ein Ruhetag! Wir hatten Namche, die Trekking-Hauptstadt der Solo-Khumbu Region erreicht und so bereits mehr als 100km seit Jiri zurückgelegt. Obwohl wir uns inzwischen ganz gut trainiert fühlten, ging uns beim Abendspaziergang am Tag der Ankunft die Luft aus. Jede Stufe, und Namche verteilt sich über viele Terassen, ließ uns spüren, dass wir inzwischen 3440m erreicht hatten und der Sauerstoff ganz langsam knapp wurde. Schöne Aussichten für die nächsten 2000 Höhenmeter, die noch bevor standen. Und so wurden auch am Ruhetag die schweren Stiefel geschnürrt und, entsprechend der Empfehlung unserer Wanderfibel "Trailblazer Guide", ein Aklimatisations-Spaziergang eingelegt.

8401532869_2215ce71ef_m.jpg Um nicht ganz ohne Belohnung für die bisherigen Strapazen zu bleiben, wählten wir als Ziel das (angeblich) höchst gelegene Hotel der Welt, das Everest View Hotel (3880m). Dieses massige, nicht schöne, Gebäude kann man gut in ein bis zwei Stunden, nach einem atemraubenden Serpentinen-Zick-Zack, erreichen. Dies ist meist auch der Testlauf für die Gruppen, die nach Lukla eingeflogen werden und entsprechend sieht man überall schwer atmende Wanderer sich langsam bergauf kämpfen. Im Hotel angekommen, gönnten wir uns den Luxus eines Kännchens heißer Schokolade (eher Kakao und ob des Preises teilten wir uns eines). Leider war der Name des Hotels nicht Programm und den Everest konnten wir nicht sehen. Wolken hatten inzwischen fast das ganze Khumbu Tal ausgefüllten, dagegen zeigte sich der Ama Dablam, der uns ab da fast die ganze Zeit begleitete, in seiner ganzen Schönheit. Um sich den Everest trotzdem einmal kurz anschauen zu können, hatte eine Gruppe einen Helikopterflug gebucht, inklusive Picknick-Korb voll mit Champagner. Nicht selten lassen sich die Gäste des Hotels mit dem Hubschrauber von Kathmandu bis auf die knapp 4000m fliegen. Um trotz fehlender Gewöhnung an die Höhe nicht der Höhenkrankheit zu erliegen, gibt es in jedem Zimmer Sauerstoffversorgung.

Mit uns genoss ein Paar aus den USA die Sonne auf der Terrasse des Hotels. Mit Guide unterwegs, waren sie überrascht, dass wir es ohne, aber mit Zelt versuchten und das schon seit Jiri. Am Ende gaben sie uns von ihrer kostbaren Schokoladenration einen ganzen Riegel ab - ein wahrer Schatz dort oben. Wir trafen sie später immer wieder auf dem Weg und zuletzt auf dem Kala Patthar. Hat man selbst nicht genug Schokolade oder was man sonst so als Belohnung braucht, dabei, kann sich in Namche sehr gut und nicht überzogen teuer eindecken. Es gibt alles, sogar einen Geldautomaten, sollte das knapp werden, was nicht unwahrscheinlich ist.

Nachdem uns der Kellner des Hotels zu verstehen gab, dass es Zeit war, unseren Platz zu räumen, machten wir uns auf den Weg zurück nach Namche. Um nicht die gleiche Strecke zu gehen, wählten wir einen kleinen Umweg über die weitläufigen Dörfer Khumjung und Kunde (3780m). Obwohl nur wenige Kilometer von Namche entfernt, geht es dort viel ruhiger zu. Es gibt nur wenige Teehäuser und Shops, dafür eine große, die einzige weiterführende Schule der Region (von Sir Edmund Hillary gegründet). In diesem Dorf wohnen viele Familien während der Wintermonate, die während der Touristenhochsaison weiter oben in Teehäusern arbeiten. Zurück in Namche spazierten wir wieder durch die Gassen, genossen ein letztes Stück Kuchen aus der Herman Backery und letztes Mal Internet in der Liquid Bar. Unsere frisch gewaschenen Sachen waren ebenfalls über den Tag getrocknet und so konnte am nächsten Tag der Ernst der Tour beginnen.

16.10. Namche - Tengboche - Deboche

8404994339_ee9d86c58b_m.jpg Gemütlich, gegen 8Uhr und einem großem Frühstück (gebratene Nudeln), machten wir uns auf nach Tengboche. Ab Namche folgten wir den Tagesetappen des Trail Blazers und daher waren die Stunden auf dem Weg absehbar und die Strapazen und Ziele vorher bekannt. Irgendwo hatten wir "save all your energy for the climb up to Tengboche!" (spar deine Energie für den Aufstieg nach Tengboche) aufgeschnappt und das geisterte bei uns im Hinterkopf, als wir erstmal gemütlich dem breiten Pfad folgte, der von Namche wegführt. Mit uns waren hunderte andere Wanderer aufgebrochen und so sahen wir einmal wieder die Schlange von gut ausgestatteten Touristen, unterbrochen von krumm gehenden Trägern in Sandalen. Obwohl es eigentlich staatliche Vorschriften für die Maximallast eines Trägers gibt, wird diese oft und freiwillig überschritten - bezahlt wird nach Kilo, jedenfalls bei denjenigen, die die Luxusgüter, wie Cola, Toilettenpapier und Snickers und Co, zu den Hütten tragen.

Auf dem Weg zur Hängebrücke über den Imja Khola Fluss trafen wir wieder auf das kanadische Paar und gemeinsam nahmen wir den Anstieg zum Thyanboche Kloster in Angriff. Ja, es war lang und in der strahlenden Sonne ziemlich warm, aber schlimm? Nein, nicht wirklich. Langsam aber stetig ging es für uns bergan. Lediglich einmal unterbrochen von einem jungen Paar auf dem Weg nach unten. Beeindruckt von der Größe unserer Rucksäcke drückten sie uns ihre letzten Diamox in die Hände. Die Tabletten sollen helfen die Symptome der Höhenkrankheit, wie Kopfschmerzen, Übelkeit und Schlaflosigkeit, zu unterdrücken. Bisher hatten wir lediglich gelegentlich leichte Kopfschmerzen gehabt, von Appetitlosigkeit, wie viele andere berichteten, konnte bei uns jedoch nicht die Rede sein.

8954615532_5a81a49e88_m.jpg Nach zwei Stunden hatten wir den Aufstieg geschafft und erholten uns auf der großen Freifläche vor der berühmten Thyanboche Monastery (oder auch Dawa Choling Gompa). Das Kloster auf 3860m, ist das größte der Khumbu Region und gilt als Tor zum Mount Everest und fast jeder Everest-Besteiger betetet hier für Glück und Gesundheit am höchsten Berg der Welt. So auch Tensing Norgey und Sir Edmund Hillary, die dort vor mehr als 60 Jahren hunderte von Butterlampen anzündeten. Auch wir wollten an der nachmittäglichen Gebetsstunde der Mönche teilnehmen, so wie auch viele andere Wanderer, die sich auf dem großen Plateau vor dem Kloster versammelten. Da es jedoch noch recht früh war, gingen wir erst noch ein Stück weiter um einen Zeltplatz zu finden. Man kann zwar auch in der Nähe des Klosters in einem Teehaus übernachten, doch das kanadische Paar strebte ein Teehaus an, gute 30 Minuten weiter in Deboche (3810m) , in dem sie vor Jahren ein schickes Zimmer bezogen hatten. Leider hatte auch der Fortschritt dort oben nicht halt gemacht und das kleine Holzhaus hatte zu Gunsten eines größeren, stillosen, Flachbaus abgedankt. Zwar fanden wir hinter dem alten ungenutzten Haus ein Stück gerade Wiese für unser Zelt, das andere Paar war jedoch enttäuscht von den Auswirkungen des immensen Tourismuswachstums. Der Ort Deboche (oder auch Doboche) besteht nur aus wenigen Teehäusern, verteilt in einem Waldstück und bietet so wenig für Kurzweil.

8405034831_1b389f9d0e_m.jpg Nachdem unser Zelt stand (14Uhr), sprinteten wir wieder zurück (bergauf) zum Kloster. Dort trafen wir wieder die Hauser-Gruppe aus Zamfute, auf deren Reiseplan ebenfalls die Teilnahme an der Gebetsstunde vorgesehen war. Dicht gedrängt mit kalten unbeschuhten Füßen, saßen wir mit anderen Touristen an den Wänden und waren gespannt, was kommen wird. Viel passierte nicht, Mönche kamen und gingen, beteten, und wir beneideten sie um den heißen Tee, den sie immer wieder auf einen kleinen Wink hin nachgefüllt bekamen. Beeindruckend war jedoch das Mandala, welches gerade von vier Mönchen mit farbigem Sand gezeichnet wurde.

Auf dem Rückweg zum Zelt widerstanden wir dem Ruf der Bäckerei neben dem Kloster und verbrachten den Abend im Restaurant der Paradise Lodge, auf dessen Grundstück wir zelten. Erstmalig war es draußen empfindlich kalt und so folgten wir dem Rat anderer Wanderer und stellten unsere metallene Sigg-Flasche gefüllt mit Wasser auf den kleinen Ofen, der in der Mitte des großen Raumes ein bisschen Wärme verbreitete. Das heiße Wasser nutzten wir dann für Tee (eigentlich nicht gern gesehen, da der Liter immer teurer wird, je höher man kommt) und die Flasche selbst später gegen kalte Füße im Schlafsack. Den Abend verkürzten wir mit einem interessanten Gespräch mit einem Zyprioten mit englischem Pass, der mit Guide bereits auf dem Rückweg war und für den Everest, von Sherpas Chomolungma oder “Mother Goddess of the World” (Göttin der Erde) genannt, nur so schwärmte.

17.10. Deboche - Somare - Pangboche - Dingboche

8406145140_3858fbe5ff_m.jpg Um sieben Uhr klingelte bei uns der Wecker zum Start in den nächsten Wandertag nach Pangboche. Warm eingemummelt in unsere Schlafsäcke kribbelte es nur an der Nase und unsere Vermutung, dass es über Nacht so richtig schön kalt geworden war, teilte auch ein kleiner Hund. Heimlich still und leise hatte er sich in eine Apside geschlichen um dort ein paar Grad wärmer die Nacht zu verbringen. So leid es uns tat, aber wir mussten weiter und ihm das Haus abbauen. Obwohl wir ihn schon mehrmals seit Namche gesehen hatten, weiter als bis Deboche wollte er uns dann doch nicht folgen.

Das heutige Tagesziel war Dingboche auf 4410m. Gut 600 Höhenmeter galt es somit zu überwinden und die Waldgrenze endgültig hinter uns zu lassen. Überraschender Weise sahen wir an diesem Tag nur wenige andere Wanderer und teilten uns den Weg fast nur mit ein paar wilden Yaks und einigen schwer bepackten Kolonnen von Yakalos (Mischling von Kuh und Yak) - vielleicht waren wir durch das Zelt eine halbe Stunde später als der Rest. Nach dem wir das letzte bisschen Wald bei Deboche verlassen hatten, ging es erst über den Imja Khola und dann stetig parallel zum Fluss bergan. Das Wetter war fantastisch und so wurden wir erst mit einem guten Rückblick auf das Kloster belohnt und dann hatten wir den herrlichen Gipfel des Ama Dablam stets vor uns. "Nur" 6856m hoch wurde der Berg erst 1961 erstmalig erfolgreich bestiegen.

8407627648_8e2907e5de_m.jpg Nach gemütlichen drei Stunden erreichten wir einen kleinen Pass auf 3900m, wo wir mit einem fantastischen Blick über das Tal des Imja Khola erstmal pausierten und ein paar Rückkehrer, etwas neidvoll, passieren ließen. Entlang des Berges geht es dann fast gleichbleibend bis nach Pangboche (3930m), ein kleines Dorf am Fluss mit einem Kloster und vielen Teehäusern und noch mehr Weiden für Yaks. Am Ende des Dorf gibt es eine letzte Kopie der Herman Bäckerei in Namche und wir gönnten uns eine Art Brot, was jedoch sehr misslungen war und zu kaum mehr als salzigem Staub zerfiel.

Nach einem kurzen Aufstieg, geht es vorbei an ein paar Gedenkstupas für Kletterer, die am Everest ihr Leben ließen, und dann wieder fast gerade am Berghang entlang. Kurz nach Pangboche führt eine Hängebrücke über den Imja Khola und der weitere Weg führt zum Basislager für den Ama Dablam. Wir folgten jedoch dem Hauptweg und erreichten mit dem Dorf Somare die 4000m Grenze. Die Freude war groß, so hoch waren wir noch nie, und doch lagen noch gute 400 Höhenmeter für das Tagesziel vor uns.

8407648608_45c6d523bb_m.jpg Langsam war fast sämtliche Vegetation verschwunden und auf dem großem Plateau, was nach dem Dorf Orsho folgte, gab es nur noch wenige Grasbüschel. Dafür erstreckten sich in alle Himmelrichtung karge Berghänge und mit dem ersten Schnee es fegte ein eisiger Wind durch die Täler. Mit dem Plateau ließen wir auch die letzten Hütten hinter uns, die nicht rein für den Tourismus gebaut wurden. In diesen Hütten leben nur wenige Menschen, die Yaks hüten aus deren Dung, gemischt mit Gras, Brennmaterial hergestellt wird. Ab rund 4000m gibt es nicht mehr viel, von dem der Mensch leben kann und doch schafften es einige Hütten in Dingboche sich einen kleinen Gemüsegarten zu halten um ihr Dahl Baht mit frischen Gemüse anbieten zu können. Ansonsten wird alles von Mensch oder Tier hoch getragen - was jeden Kuchengenuss in der dünnen Luft besonders wertvoll macht.

8406565245_ef0a166d8a_m.jpg Hier muss man sich spätestens entscheiden, ob man nach Pheriche oder nach Dingboche gehen möchte. Für den kommenden Tag ist eine Ruhepause vorgeschlagen und so entschieden wir uns für Dingboche. Es lag etwas höher, sonniger und von dort kann man schneller einen Tagesausflug zum Nangkar Tshang machen. Und so folgten wir dem Weg über die Brücke, die den Lobuche Khola quert. Die letzten paar Meter sind bekanntlich die härtesten und so ging es für uns recht langsam bergan. Doch dann, schneller als gedacht, lag plötzlich Dingboche unter uns. Gemeinsam mit einigen anderen fielen wir geschafft ins Dorf ein, jedoch waren wir die einzigen, die nach einem Zeltplatz fragten. Wir entschieden uns für die Amadablam Lodge, bei der wir kostenlos zelten konnten und das Essen bezahlbar war.

Bereits um 14:50 stand unser Zelt und obwohl der Tag nicht lang war, waren wir geschafft und müde. Trotzdem besuchten wir noch das kanadische Paar in ihrem Teehaus, welches bedeutend wärmer war als unsere zugige Stube und verkosteten dort den hochgelobten Apfelkuchen.

18.10. Ruhetag Dingboche - Nangkar Tshang

8406629563_2745fe3be8_m.jpg Wie bereits in Namche wird aus dem Ruhetag immer eine Akklimatisations-Wanderung und in Dingboche drängt sich dazu der Hausberg Nangkar Tshang auf. Gemeinsam mit vielen anderen machten wir uns auf den Weg zu den Stuppas, die ein Stück oberhalb von Dingboche stehen. Dort ließen wir jedoch die meisten zurück und gingen weiter hinauf. Trotzdem wir nur mit Rucksack und ein bisschen Wasser unterwegs waren, mussten wir der Höhe Tribut zollen und kurz unterhalb der Gipfelflaggen ging es immer nur noch wenige Schritte, gefolgt von einer Pause. Doch oben angekommen wurden wir dafür ausreichend belohnt: wir hatten die 5000m Grenze geknackt, der Blick war gigantisch und wir trafen Chris Warner, einen erfolgreichen Bergsteiger, der unter anderem den Ama Dablam über eine neue Route auf der Westflanke, überdies noch im Winter, bezwungen hatte. Inzwischen ist er, obwohl offenbar bescheiden geblieben, als Motivations-Coach bei den oberen Zehntausend bekannt und führt unter anderem hochbezahlte Manager für eine kleine Auszeit vom Stress durch die Berge, natürlich inklusive kostspieligem Helikopterrückflug wenn die Zeit knapp wird. Das alles fanden wir erst nach einer kleinen Internetrecherche raus, da er uns sich selbst nicht vorgestellt hatte, sondern nur einer seiner Kunden ihn als Ama Dablam - Winterbesteiger verriet. Aber auch unbekannt verfehlte er nicht uns insgeheim zu motivieren, zeigte er sich doch sehr begeistert von unserer bisherigen Reise und vor allem davon, dass wir das Zelt mit dabei hatten. Wir trafen ihn zwei Tage später in Lobuche wieder und dann noch einmal in Kathmandu - die Welt ist dann doch sehr klein dort oben.

Unseren Sieg über unseren ersten 5000er feierten wir mit einem Stück Kuchen und einem echten Kaffee aus der örtlichen Bäckerei, die von einem Tibeter in Dingboche geführt wird. Ich glaub, bisher hatte Kuchen und Kaffee noch nie so verdient geschmeckt und überraschend gut. Der Besitzer war vor vielen Jahren aus Tibet mit seiner Familie und ohne Papiere zu Fuß geflüchtet und erzählte uns, dass er unter den aktuellen Bedingungen nicht in sein Heimatland zurückkehren möchte, auch wenn er es sehr vermisst.

Die letzten Sonnenstrahlen nutzten wir dann noch zur Schuhpflege und anschließend beobachten wir eine Gruppe älterer Japanerinnen, die samt großer Mannschaft mit Zelt und Yak auf dem Weg zum Island Peak (Chhukhung Ri) waren. Ihre Zelte waren plötzlich bei uns mit aufgetaucht und wir konnten nur staunen, was ihre Yaks alles tragen mussten.

19.10. Dingboche - Dughla - Lobuche

8406757713_5ef79981f1_m.jpg Langsam fühlte sich jeder Tag wie der Tag der Tage an. Immer näher rückte das Basislager der Everests und die Kargheit der Landschaft machte klar, dass es dort oben eigentlich nicht mehr viel für den Menschen zu holen gibt. Und doch schleppen sich jeden Oktober mehr als 10'000 Menschen die Berge hoch, gezogen von einer unerklärlichen Faszination für die Höhe sowie dem Wunsch dem höchsten Berg der Welt ganz nahe zu kommen. An diesem Tag wurden uns die Massen einmal wieder mehr als deutlich vor Augen geführt. Am steilen Anstieg kurz nach Dughla (4620m) schlängelte sich eine Karawane Menschen hoch, deren Anfang und Ende fast nicht absehbar war. Irgendwie herrschte bei diesem Abschnitt eine komische Stimmung zwischen den Leuten. Obwohl eigentlich jeder seinen eigenen kleinen Kampf gegen die Anstrengung und die Sauerstoffknappheit führen sollte, herrscht scheinbar ein solcher Machtkampf, dass sich einige total verausgaben und auf halber Strecke kollabieren. Wir versuchten es, sollten wir tatsächlich mehr Erfahrung haben als der Großteil da oben, etwas anderes als die meisten anderen anzugehen und verzichteten auf sämtliche warmen Sachen und zogen im T-Shirt an den mit Regenjacken bekleideten Abenteurern vorbei.

8407857004_9a6edd44a1_m.jpg Oben am Thokla-Pass (auch Dugla Pass, 4850m) angekommen, wird man von vielen Stupas gegrüßt, die zu Ehren der am Everest und anderen Gipfeln Verstorbenen hier aufgebaut wurden, wie auch für Scott Fischer, ein erfahrener Bergsteiger und -führer, der in der Unglücksnacht vom 10. auf den 11. Mai 1996 als einer von acht ums leben kam. Es ist eine denkwürdige Stätte und die schiere Anzahl der Stupas repräsentiert doch nur einen kleinen Anteil der Toten, die der Wahn nach den höchsten Gipfeln der Welt fordert - eine Welt in der jeder kleinste Fehler bestraft wird.

Nach unserem kleinen persönlichen Gipfelsturm auf den Thokla-Pass spazierten wir regelrecht auf fast gerader Strecke weiter Richtung Lobuche. Links (westlich) von uns, konnten wir bereits auf der anderen Talseite den Pfad nach Dzongla und Cho La sehen - unser geplanter Rückweg, und zu unserer Freude, ganz ohne Menschen. Eine knappe Stunde, nachdem wir den Pass verlassen hatten, erreichten wir Lobuche, das vorletzte Teehaus-Dorf vor dem Everest Base Camp. Damit waren wir nur noch 90m von der 5000er Grenze entfernt. Bisher war es uns sehr gut ergangen und wir hatten keine Anzeichen von Höhenkrankheit. Lediglich das Schlafen war etwas unruhiger und wir wachten mehrmals pro Nacht auf. Die Diamox, die wir geschenkt bekommen hatten, waren unangetastet. Nicht so bei vielen anderen, mit denen wir sprachen. Sie nahmen seit Namche die Tablette regelmäßig - mit mehr oder weniger befriedigenden Resultaten. Interessanter Weise waren wir mit unseren schweren Rucksäcken auch nicht wesentlich langsamer als die anderen, bekamen jedoch so manches spöttisches, fast unsportliches Kommentar ("Dazu sind doch Sherpas da!") zu hören. Was auch immer es war, was sie zu solchen Aussagen brachte, ob Neid oder Sorge um die Arbeit der Träger, spätestens in der nächsten Nacht würden wir unsere Unabhängigkeit feiern.

8406775303_076aab4cdd_m.jpg Aber erstmal bezogen wir unser Lager in Lobuche (4910m) im Himalayan Eco Resort, bzw. davor mit unserem Zelt (14:10). Beim Durchqueren des Ortes hatte sich keine Möglichkeit zum Zelten aufgedrängt. Die Häuser standen dicht an dicht und wirkten dunkel, schmutzig und wenig einladend. Bei der teuersten Unterkunft des Dorfes (20€+) sah man unser Anliegen überraschend entspannt. Beim Essen hatten wir sogar den wärmsten Platz im Restaurant: direkt am Ofen in der Mitte des Raumes, während sich die Touren-Mitglieder an ihre Platzkarten weit weg vom Ofen halten mussten. Hier im Eco Resort trafen wir unsere edlen Schokoladenspender vom Everest View Hotel in Namche wieder, sowie Chris Warner mit seinem "Team", so nennt er seine Kunden im Sinne des Gemeinschaftsgeistes, von HP. Die Abendstimmung so hoch in den Bergen war magisch und immer wieder mussten wir für ein paar Fotos raus in die Kälte. Die Abendsonne auf dem Nuptse, der Mond über dem Ort, unser leuchtendes Zelt - unser Freude über die bisherige Tour und das wir soweit gekommen waren, ließ uns kaum still sitzen.

20.10. Lobuche - Gorak Shep - Everst Base Camp (EBC)

8406777587_4368730656_m.jpg Endlich, nach 13 Tagen auf dem Trek, ging es nun zum Höhepunkt, aber noch nicht zum höchsten Punkt unserer Wanderung: zum Everest Basislager auf 5360m. Wir wussten, dass im Oktober keine Saison für die Bergsteiger war und doch hatten wir gehört, dass drei oder vier Expeditionen vor Ort sein sollten, so dass wir wenigstens eine Idee von der Zeltstadt bekamen, in der zur Hochsaison mehr als 1200 Menschen wohnen, und hunderte Zelte, inklusive einer Bäckerei, stehen.

Eigentlich schlug unser Wanderführer vor auch hier in Lobuche noch einen Akklimatisationstag einzulegen, doch da wir keinerlei Anzeichen von Höhenkrankheit hatten, beschlossen wir gleich weiterzugehen. Bereits am Vortag hatten wir eine junge Chinesin getroffen, die unter starken Kopfschmerzen litt und sich nur mühsam weiter schleppte. Ihr Guide schien sie, statt ihr das richtige zu raten, jedoch nur weiter vorwärts zu treiben um nicht den Anschluss an die Gruppe zu verlieren. Nur die besser aufgestellten Tourenanbieter haben anscheinend genügend Personal mit dabei um Höhenkranke schnell wieder in die niedrigeren Regionen zu begleiten.

Nach Lobuche geht es erstmal angenehm gerade im Tal weiter bis man auf die Moräne des Lobuche Gletschers aufsteigen muss. Von dort geht es leicht bergan immer weiter auf dem Gletscher selbst, von dem man jedoch nicht viel sieht, da er fast vollständig von Geröll bedeckt ist. Auf dem schmalen Pfad entlang eines Abhanges mussten wir immer wieder Lasten-Yaks ausweichen und auch die dünne Luft trug ihren Anteil an unserer Langsamkeit bei. Doch mit der Höhe gewannen wir auch einen immer besseren Blick auf den Khumbu Gletscher, der nach und nach auf der Ostseite des Tales sichtbar wird, bis dahin von einer gewaltigen Geröllwand verdeckt wird. Auf einer kleinen Anhöhe, kurz vor Gorak Shep erblickten wir auch, dank der Verstopfung durch eine Gruppe, das Basislager selbst. Vor der Wand des Khumbutse waren mit dem Teleobjektiv einige wenige bunte Punkte auf dem Gletscher auszumachen und ihre Winzigkeit zeigte schmerzhaft deutlich, wie weit sie noch weg waren.

8408152886_d945dd43e8_m.jpg Das Wetter an diesem Tag war perfekt, der Himmel wolkenlos und die Fernsicht fantastisch. Da war es schon fast verlockend erst den Kala Patthar zu besteigen, von dem man einen wundervollen 360 Grad Blick über die umliegende Bergwelt hat. Dieser Gedanke wurde zwar nur kurz laut gedacht und doch schaffte er es eine Krise und unnötigen Streit auszulösen, was uns unterm Strich wertvolle Zeit auf den Weg zum Basislager kostete. Gegen 12 Uhr erreichten wir Gorak Shep (5140m), die letzte befestigte menschliche Stätte vor dem Basislager. Eine kleine Ansammlung von Teehäusern bietet auch hier noch Unterkunft und Verpflegung. Erst gegen 15 Uhr machten wir uns auf zum Basislager, dass man in rund zwei Stunden erreichen soll. Auf der Moräne des Khumbu Gletschers entlang zieht sich der Weg mit einem unglaublichen Blick auf die kargen Bergriesen. Je näher wir jedoch dem Basislager kamen, desto weniger sichtbar wurde der Everest selbst, bis er sich fast hinter Nuptse versteckte. Vom Basislager selbst sieht man den höchsten Berg der Welt nicht mehr.

8408161170_e632f231c2_m.jpg Nach einer guten Stunde führte uns der Weg von der Moräne herab und es ging direkt auf dem Gletscher entlang. Der Weg war nicht mehr gut zu erkennen und so folgten wir mehr oder weniger dem GPS und gelegentlichen Steinpyramiden, wichen kleinen Seen und Spalten aus. Wir passierten schnell den Trekkers' Point und steuerten weiter auf das Basislager zu; halb um Fotos zu machen, halb neugierig - wir hatten von Zeiten gelesen in denen eine Expedition der australischen (?) Armee gratis Tee an Wanderer ausschenkte, aber auch von Animositäten der Mannschaften gegen gemeine Wanderer. Obwohl noch 500m entfernt, wurden wir bereits von einem Nepalesen heftig winkend angerufen. Da wir nichts verstanden, gingen wir näher, nur um dann heftig angefahren zu werden, dass wir dort nichts zu suchen hätten. Die Dämmerung stand kurz bevor und uns unter diesen Umständen wieder auf den gefährlichen Rückweg zu schicken - nicht, dass sie dazu die Autorität gehabt hätten - erschien uns ziemlich unprofessionell, was dem Wortführer aber kein Argument war. Seine Sorge schien in erster Linie seiner Ausrüstung zu gelten und er versicherte uns in aggressivem Ton, dass sie uns sicher finden würden, wenn auch nur irgendwas verschwindet. Er sagte dies, als stünde gerade zu fest, dass dies passieren müsse. Allein die Schwere unserer Rucksäcke und unserer Kurzatmigkeit, ließen doch aber eigentlich ausschließen, dass wir auf Souvenierjagd waren. Das hatte nichts mehr mit nepalesischer Freundlichkeit zu tun und uns wurde klar, dass wir in diesem Augenblick auch nur zwei von tausenden Touristen waren.

8408188928_aa49efec90_m.jpg Ziemlich fertig vom Tag, begannen wir gegen 17Uhr den Rückweg und stolperten das Stück hinab zum Trekkers' Point, wo es wenigstens Zugang zum Gletscherbach gab, aus dem wir Wasser für Trinken und Essen bekommen konnten. Die Nacht und die damit verbundene Kälte kamen schnell und so beeilten wir uns mit Zeltaufbau und Kochen. Es wurde eisig und wir krochen schnell in unsere Schlafsäcke. Nachdem es schon einige Zeit Dunkel war, kamen zwei Nepalesen, die uns zu unserem Aufenthalt befragten und sogar ein Permit verlangten. Erst als wir versicherten, dass wir keine Zwei-Mann-Expedition starten und am nächsten Morgen auch ganz sicher wieder verschwinden würden, zogen sie weiter. So lebensfeindlich, wie die Natur auf 5360m war, so wenig herzlich kamen uns die Menschen dort vor. Unser kleines persönliches Abenteuer abseits der Trekkingautobahn am Everest bekam dadurch leider einen kleinen fahlen Beigeschmack. So viel Unsportlichkeit hatten wir nicht erwartet, rückblickend (Mai 2013) passt es aber durchaus in die Berichterstattung der jüngeren Vergangenheit. Individualreisende, Wanderer wie Kletterer, bringen nicht das große Geld und sind daher eher ein Dorn in Auge.

21.10. Everst Base Camp (EBC) - Kala Patthar - Lobuche

8412430096_ce485b8143_m.jpg Sobald die Sonne sich ein bisschen zeigte und uns nicht gleich die Finger steif froren krochen wir aus dem Zelt. Die Nacht war alles andere als erholsam gewesen und dann doch ein unvergessliches und vor allem unvergleichliches Ereignis. Unser Zelt stand, wie auch das Basislager, auf dem riesigen Khumbu Gletscher, der sich ständig bewegt. Zwar zelteten wir sicher auf einer großen Platte, die fast komplett mit Geröll bedeckt war, doch das ständige Knacken und Knarzen der Eismassen war sehr unheimlich. Gelegentlich hörten wir, wie größere Eiszacken des Eisbruches brachen und sahen Lawinen an den Hängen herabstürzen. In einer Höhe von knapp 5400m hat ist der Sauerstoffgehalt nur noch halb so hoch wie auf Meereshöhe und das ließ uns ganz schön nach Luft schnappen. So lange wir aktiv waren merkten wir zwar ab und zu, dass ein Atemzug nicht die Befriedigung brachte wie sonst, aber das war noch nichts gegen die Nacht. An Schlaf war kaum zu denken und wir wachten regelmäßig schwer atmend auf. Das Herz schlug auch beim Nichtstun so schnell, wie sonst nur unter Höchstleistung und man spürte deutlich, dass der Körper sich fast nicht regenerieren konnte. Obwohl wir recht gut akklimatisiert waren, keine Kopfschmerzen und guten Appetit hatten, war es doch eine recht anstrengende Nacht. Kein Wunder, dass die Everestbesteiger bis zu vier Wochen und mehr im Basislager verbringen, bis sich weiter nach oben wagen.

8411340193_d7b3edd739_m.jpg Gegen 9Uhr, als wir noch eine kleine Fotosession einlegten, flog plötzlich knapp über uns ein Hubschrauber zum Basislager und kurz darauf wieder zurück Richtung Lukla. Später wurde uns berichtet, dass in der gleichen Nacht ein Sherpa an der Lhotse Wand in den Tot stürzte und ein weiterer mehrere Finger durch Erfrierungen verlor. Wahrscheinlich hatte sich die Tragödie bereits am Vorabend angekündigt und die Stimmung war entsprechend angespannt im Basislager.

Gegen 9:30 machten wir uns auf zurück nach Gorak Shep, wo wir gegen 11Uhr ankamen. Fast etwas schwermütig nahmen wir Abschied von der zwar lebensfeindlichen aber unglaublichen faszinierenden Welt des Khumbu Gletschers. Ein letzter Blick zurück auf das Basislager und den darüber liegenden Khumbu Eisfall und wir begannen unseren Rückweg. Immerhin ging es nicht auf dem direkten Weg zurück, sondern mit einem Umweg über die beiden Pässe Cho La und Renjo La.

8412462686_22de0ed2a7_m.jpg Mit einem Tee und einer Nudelsuppe in einem Teehaus erkauften wir uns den kleinen Gefallen unsere Rucksäcke zurücklassen zu können, während wir den Kala Patthar erklommen. Von Gorak Shep sah der Weg zum 5550m hohen Gipfel ziemlich einfach aus, doch die Realität war leider etwas anders. Nur mit Kamera und Tee bewaffnet brauchten wir fast zwei Stunden um oben anzukommen. Jeder Schritt fiel verdammt schwer und so gingen wir immer nur einige wenige, bis wir wieder pausieren mussten. Dazu kam ein eisiger Wind weiter oben, der das Atmen noch schwerer machte und einen langen Aufenthalt auf dem Gipfel fast unmöglich. Nur ganz kurz, gegen den scharfen Wind gestemmt, genossen wir den umwerfenden Blick auf den Khumbu, machten Fotos und kletterten dann wieder ein Stück runter zu einem windgeschützten Plätzchen, wo wir unseren Gipfelsieg mit Tee und einer großen Cadbury Schokolade (getragen seit Kathmandu) feierten. Der Kala Patthar war damit unser höchster Punkt der gesamten Tour.

Nur dreißig Minuten hielten wir es dort ob aus und dann ging es auch schon schnell wieder runter. Zum Glück fällt der Abstieg immer wesentlich leichter als der Aufstieg und so waren wir innerhalb einer Stunde wieder unten in Gorak Shep. Wir wollten noch am gleichen Tag wieder weiter nach Lobuche absteigen um so weit wie möglich unten zu schlafen. Doch nach der schlechten Nacht im Basislager und dem Kala Patthar waren die wenigen Kilometer nach Lobuche hart umkämpft. Obwohl es theoretisch bergab ging, fühlte es sich nicht so an und wir brauchten fast so lange von Gorak Shep nach Lobuche wie am Tag davor. Gegen 16:15 bezogen wir wieder unseren Zeltplatz vor der Eco Lodge und wärmten uns am Ofen gut durch. An dem Abend trafen wir auch wieder auf die Schokoladenspender, die uns von ihrer Tour erzählten und ein wahres Wunder vollbringen wollten: in nur zwei Tagen wollten sie nach Namche absteigen, da sie für den Aufstieg weit länger gebraucht hatten, als geplant und sie ihr Flugticket nicht verfallen lassen wollten.

22.10. Lobuche - Dzongla - Zeltplatz

Am nächsten Morgen ließen wir uns viel Zeit und warteten mit den Mitarbeitern der Lodge auf die Sonne, die sich langsam hinter den Bergen hoch schob. Als sie endlich über den Kamm lugte, summten wir leise "Here comes the sun" während die Nepalesen sich bekreuzigten (wenn auch sicher auf eine buddhische Art und Weise). Wir hatten bisher sehr viel Glück und fast jeden Tag Sonnenschein gehabt. Hier oben ein Tag ohne Sonne? Auf die Erfahrung konnten wir verzichten.

8412765322_0524e5422e_m.jpg Für unseren Rückweg nach Namche wollten wir uns etwas Zeit lassen und auf keinen Fall der üblichen Rute folgen, auf der wir bereits gekommen waren. Daher folgten wir der Empfehlung unserer Tourbeschreibung und strebten als nächstes den Cho La (Pass) an, der uns Gokyo Tal bringen sollte. Zunächst ging es jedoch noch noch ein Stück auf dem Pfad der Autobahn Richtung Dhugla bevor wir uns kurz vor dem Pass die westlichen Talseite anstrebten. Doch gerade, als wir uns zu unserem "Abseits der ausgetretenen Pfade" beglückwünschen wollten, kam uns eine lange Prozession von Touristen auf unserem neuen Pfad entgegen. Zum Glück war es dann jedoch erstmal mit Massenaufläufen vorbei und fast unbehelligt kamen wir bis kurz vor Dzonglha. Da vor den drei Teehäusern noch ein kleiner Aufstieg auf uns wartete, erholten wir uns erstmal ein Stück unterhalb und beobachteten eine Gruppe Träger, die in Windeseile fast zehn Schlaf-, ein Küchen- und ein Esszelt, sowie ein Toilettenzelt aufbauten. Wir staunten nicht schlecht, als sie auch Stühle und Tische ins Esszelt trugen. Doch als wir sahen, dass diese von Dzongla geholt wurden, waren wir froh, dass sie die nicht die ganze Zeit herumtragen mussten. Bleibt die Frage, ob sie überhaupt je weit weg von anderen Teehäusern lagerten, oder ob das eine zu große Luxuseinbuße für die Gäste wäre. Als der erste der Tourmitglieder laut stöhnend erst seinen winzigen Rucksack und dann sich in einen Stuhl fallen ließ, beschlossen wir, dass wir uns auch schnell einen Zeltplatz suchen sollten um die Beine lang machen zu können.

8411737261_f62d44291a_m.jpg In Dzongla (13:45, 4830m) befragten wir den Wirt eines Teehauses zu seinen Zimmern, entschieden uns jedoch nach einem Mittag in der Sonne noch ein Stück weiter zu gehen. Es war noch recht früh und so konnten wir dichter am Pass schlafen, so dass wir am nächsten Morgen schneller dort waren. Unseren perfekten Zeltplatz fanden wir 20 Minuten hinter Dzongla auf einem wunderschönen kleinen Plateau umgeben von Bergriesen. Wir waren definitiv nicht die ersten, die diesen Platz fantastisch fanden, viel Müll und der Ausdruck einer Mail verriet, dass auch Tourenanbieter hier öfters ihr Lager aufschlugen. Interessant zu sehen, dass gerade die großen Firmen scheinbar kein Auge für Müll haben, sind sie doch zu 100% von einem unvergesslichen Naturerlebnis abhängig.

Wir genossen die letzten Sonnenstrahlen, schlappten Barfuß durchs Gras und ließen uns Kaffee und Schokolade schmecken. Viel zu schnell war es dann auch schon mit der Wärme vorbei. Pünktlich um 17 Uhr verdeckten Wolken die Sonne, die sich dann bald endgültig hinter die Berge zurückzog und uns in eisiger Kälte zurück ließ. Da half alles nichts und wir verkrochen uns in unsere Schlafsäcke und kamen nur noch kurz zum Kochen des Abendessens und Zähneputzen raus.

23.10. Zeltplatz - Cho La - Dragnag

Beim ersten Sonnenstrahl ließen wir uns zu Haferschleim und Kaffee nieder (die kleinen Flüsschen waren über Nacht gefroren) und beobachteten die ersten Hüttenschläfer, wie sie Kurs auf den Pass nahmen. Unser Plan, früh am Berg zu sein, war also nicht wirklich aufgegangen. Zwar hatten wir es nicht mehr so weit zum Anstieg, aber dafür sind wir etwas langsamer durch Zeltabbau und das Zusammenräumen der Kochutensilien.

8413164005_d00c14fe61_m.jpg Erst gegen 9Uhr näherten wir uns dem Fuß des Passes und folgten den kleinen Pfad bergan. Nach dem ersten humanen Stück überraschte uns der Berg mit einer kleinen Hand-Fuß-Kletterpartie über große Boulder, was den Gipfel gefühlt immer weiter weg erscheinen ließ. Wie weit er jedoch wirklich war, dass hätten wir nicht gedacht. Nachdem wir die großen Felsbrocken hinter uns gelassen hatten, wähnten wir uns fast oben, sahen jedoch auf dem GPS, dass der eigentliche Pass noch ein Stück weiter ist. So pausierten wir nur kurz und gingen gleich weiter und sahen endlich, wovon alle sprachen: ein großes Gletscherfeld lag zwischen uns und dem Pass, der noch 1km und 300m Höhenmeter entfernt war. Am Anfang konnten wir uns noch am Rand halten und von Stein zu Stein gehen, doch dann ging es direkt auf dem glatten Schnee entlang. Halb rutschend hangelten wir uns weiter bis uns nur noch eine wassergefüllte Gletscherspalte vom Pass trennte. Ein keiner Sprung und dann nochmals eine kurze Kletterpartie (ziemlich uncool mit großen Rucksack) später, waren wir endlich (endlich! um 12:30) auf unserem Gipfel, dem Cho La (5368m). Hier waren wir nicht mehr alleine und überraschend viele Leute erholten sich hier nach dem Aufstieg. Die meisten kamen jedoch von der anderen Seite und hatten den Gletscher noch vor sich.

8413173317_60887c7e39_m.jpg Um 13Uhr machten wir uns an den Abstieg und sahen uns etwas ratlos am Rand eines steil abfallenden Geröllfeldes stehend. Es war kein klarer Weg erkennbar, dafür jedoch viel Steinschlag. Obwohl es verdammt rutschig war und immer wieder Steine von uns losgetreten herabpollterten, beeilten wir uns herabzukommen. Es war sicher eine der unangenehmsten Passage unserer Tour und nicht leicht zu gehen. Wir brauchten fast zwei Stunden bis wir endlich das gefährliche Gebiet verlassen hatten. Fast ein bisschen ungläubig schauten wir zurück - überrascht, dass das noch als "normaler" Wanderweg durchgeht. Einem spanischen Paar hatte der Pass und das Geröllfeld sogar noch mehr zugesetzt als uns. Fast apathisch lief sie hinter ihm her und sie waren so unglaublich langsam, dass wir uns sorgen machten, ob sie es noch vor Dunkelheit zum nächsten Ort schaffen würden.

8413355203_ea777f7bb8_m.jpg Aber auch bei uns war ein bisschen der Schwung weg und die letzten beiden Hügelchen kamen uns größer vor als sie waren. Als es dann schließlich nur noch bergab ging, waren wir sehr froh, als endlich Dragnag (auch Thangnak, 4700m) in Sichtweite kam (kurz nach 16Uhr). Tief unten im Tal, umgeben von hohen Bergen, sah der Ort aus, als wenn er nicht viel Sonne sehen würde. Für uns bot er trotzdem ein kuschliges Heim für die kommende Nacht. Gleich im ersten Teehaus (Tashi Friendship Lodge) fragten wir nach einem Zimmer und hatten Glück: Wir bekamen eines direkt über das Gaststube, die geheizt wurde. Nach etlichen Nächten im Zelt war es ein wahrer Hochgenuss sich einmal stehend ausziehen zu können und sich auf einem Bett schlafen zu legen. Den Abend verbrachten wir, wie sollte es anders sein, mit Essen und mit einem jungen israelischen Offizier, der die ganze Wanderung in einem rasanten Tempo absolvierte. Als dann auch noch das spanische Paar durch die Dunkelheit in die Lodge stolperte waren wir sehr erleichtert.

24.10. Dragnag - Gokyo

Die Nacht war so angenehm gewesen, dass wir erst wieder recht spät auf die Beine kamen. Der Israeli war natürlich schon los, wir genossen jedoch erstmal die ersten Sonnenstrahlen, die doch noch den Weg ins Tal fanden. Unsere Tourenbeschreibung versprach eigentlich einen entspannten, sehr kurzen Tag von nur drei Stunden bis nach Gokyo und so machten wir uns erst kurz vor 9Uhr auf den Weg.

8414693116_416a7951e8_m.jpg Vor uns lag die Querung des Ngozumbo Gletschers, der der längste in der Himalaya Region ist. Seinen Ursprung hat er unterhalb des Cho Oyo (8150m), von dort windet er sich gut 36km ins Tal herab. Auch wenn der Gletscher selbst nicht besonders ansehnlich ist, er ist über und über mit Geröll bedeckt, so sind seine blauen Seen durchaus ganz schick. Den größten See, den Ngozumpa Spillway, haben wir jedoch nicht gesehen. Dieser See, 6km lang und 1km breit, ist auf Grund der Klimaerwärmung entstanden und bedroht nun Sherpa-Dörfer, die unterhalb des Gletschers liegen. Die ständige Bewegung des Eisgiganten bekamen wir zum Glück nur durch eine Umverlegung des Wanderweges zu spüren. So gut wie sonst nie, wiesen uns Markierungen den Weg und den Aufstieg zur Seitenmoräne, die wir nach einer knappen halben Stunde erreichten. Von oben hatten wir einen weiten Blick über die gigantischen Massen des Gletschers und obwohl die andere Seite gut zu sehen war, ließen die vielen Auf und Abs nichts gutes erahnen. Tatsächlich brauchten wir dann auch länger als gedacht für die Querung. Über eine Stunde brauchten wir unterm Strich bis wir die andere Seite erreicht hatten und das knarzende Eis und unseren letzten Gletscher für diese Tour hinter uns lassen konnten.

8413605085_ac72a5713d_m.jpg Um 11 Uhr konnten wir einen ersten Blick auf den Gokyo See (4790m) erhaschen und kurz darauf auf den Ort selbst. Nicht schlecht staunten wir über die zwei Hubschrauber, die wir erst kommen und nun nahe beim Ort stehen sahen. Erst wackelte eine Traube von Menschen zu den beiden Hubschraubern hin, dann zurück und dann brausten sie auch schon wieder Richtung Lukla. Später erfuhren wir, dass fast täglich Touristen, die an Symptomen der Höhenkrankheit litten, wieder ausgeflogen werden. Die Kosten für den Hubschrauberflug sind hoch (800USD pro Stunde) und obwohl einige Anwohner der kleinen Dörfer es nicht nachvollziehen können, dass die Touristen ständig davon gebrauch machen können, haben sie doch ihren kleinen Anteil daran. Wenn immer möglich laden die Pilot bei Abflug aus Lukla ein paar Säcke Zucker, Mehl oder was man sonst so braucht auf, oder fliegen sogar Nepalesen kostenfrei in die Richtung in die der Hubschrauber sonst leer fliegen würde. Wer einen guten Draht zum Piloten hat, kann sich somit den tagelangen Marsch sparen - bezahlen tun dies unsere Krankenversicherungen.

Pünktlich zum Mittag (11:15) bezogen wir ein Zimmer in der Snow Land Lodge, die uns von einem anderen Wanderer empfohlen wurde. Wir würden sie jedoch nicht uneingeschränkt weiterempfehlen. Der Aufenthaltsraum war sicher der zugigste im ganzen Ort und das Essen war in anderen Teehäusern etwas besser. Daher packten wir nach einem kleinen Snack ein paar Nudelsuppen und den Kocher ein und wanderten ein kurzes Stück im Tal entlang bis wir ein windgeschützes Plätschen fanden. Anscheinend hatten wir, ob der Anstrengung und Kälte, einen enorm gesteigerten Appetit und Hunger. Drei warme Mahlzeiten am Tag konnten wir gut verdrücken und dazu den eine oder anderen Keks und Riegel. Besonders Morgens, wenn wir gebratene Nudeln oder Reis schnabbulierten, fragten wir uns, wie die anderen sich mit einem mageren Pancake zufriedenstellen konnten. Wir nahmen jedenfalls trotz der Mengen an Kohlenhydraten während der Wanderung nicht zu, eher etwas ab.

8414721626_0d0caa34ae_m.jpg Den Abend verbrachten wir jedoch wieder in unserer Lodge, gelten die günstigen Zimmerpreise doch nur, wenn man seine Mahlzeiten in derselbigen isst. Obwohl es in den anderen Teehäusern turbulent zuging und die Zimmer gut gefüllt waren, war es bei uns recht ruhig und nur eine fünf-köpfige deutsche Familie versammelte sich noch mit uns am Ofen. Kurz vor der Dämmerung bedeckte der erste Schnee Gokyo und die umliegenden Berge. Beizeiten verschwanden wir alle aus dem kalten Speisesaal in die noch kälteren Kammern und krochen in die Schlafsäcke.

25./26./27.10. Gokyo

Ruhetag! Wie immer hieß das ein weitere 5000er, den es zu erklimmen gab. Diesmal war es der Gokyo Ri, mit 5360m, der Hausberg von Gokyo. Der Aufstieg war nicht ganz so schlimm, wie auf den Kala Patthar. Wir brauchten keine zwei Stunden, bis wir die fanatastische Aussicht genießen konnten. Alle ganz Großen waren um uns versammelt: der Everest, Lhotse, Makalu, Ama Dablam und dazu zu unseren Füßen der Ngozumbo Gletschers und der glitzernde Gokyo See (Gokyo Cho).

8423960949_5c87c097c0_m.jpg Zurück ging es wieder ganz schnell und gleich suchten wir das örtliche Internetcafé auf. Ja, auch sowas gibt es auf 4800m, die Nachfrage scheint da zu sein. Für 2,50€ konnten wir so frisch fotografierte Geburtstagsgrüße per Satellit einmal um die Welt nach Berlin (auf 34m) schicken - es dauerte zwar ewig, fühlte sich aber verdammt gut an. Dafür und unseren Gipfelsieg ließen wir uns anschließend im schicksten Haus des Ortes ein Yak-Steak servieren. Ein Steak war es aber nur im entferntesten Sinne: das Fleisch wird zu Hack verarbeitet, da es sonst zu hart ist zum Essen - sind ja auch ausgesprochen wuchtige Viecher. So oder so war es das erste Essen nach langer Zeit, was aus mehr als Reis/Nudeln und Gemüse bestand - ein wahrer Genuss. Und der Kaffee erst danach!

Erst gegen 18Uhr kamen wir wieder zurück in unsere Lodge und waren überrascht, wie voll sie plötzlich war. Die Stimmung war ausgesprochen seltsam, ruhig und bedrückend. Die Nachricht traf uns hart und unvorbereitet: der Vater der Familie mit der wir am Vorabend im Speisesaal saßen, war beim Tagesausflug von einem Felsen in den Tod gestürzt. Zwar versprach der Hüttenwirt Hilfe bei der Bergung, aber es war offensichtlich, dass es das erste Mal war, dass er mit solch einer Situation konfrontiert wurde. Auch betonte er, dass so etwas im Gokyo-Tal nie vorkäme und es dehalb keine Infrastruktur für einen solchen Fall gäbe. Er versprach am nächsten Morgen bei der Bergung zu helfen, blieb aber Vorbereitungen dafür schuldig - er musste ja für sein nun volles Haus kochen. Uns blieb nicht viel mehr übrig als der Familie, in dieser schrecklichen Situation in ihrer Nähe, unsere Hilfe anzubieten. Landsleute noch dazu: Ehrensache. Der Körper musste, aus schwerem Gelände, geborgen werden, dabei bestand die Herausforderung darin, ihn zu einem Platz zu bringen, wo ein Hubschrauber landen konnte um ihn anschließend auszufliegen. Was folgte war eine intensive Zeit, die uns viel zum Nachdenken gab und angenommene Selbstverständlichkeiten des Zwischenmenschlichen in Frage stellen ließ. Wir möchten zum Schutz der Familie hier nicht all zu viele Details nennen, aber versuchen die aus der Interaktion mit den Einheimischen resultierenden Gefühle zu schildern.

Von den am Abend noch kurz erwähnten möglichen acht Helfern standen am nächsten Morgen ganze drei bereit mitzukommen, ließen jedoch jedwede Eigeninitiative vermissen. Wir reden hier nicht von armen Dorfbewohnern, sondern von für nepalesische Verhältnisse gutverdienendende Reiseführer anderer Wanderer, die sich für diesen gutbezahlten Zusatzgig von ihren eigentlichen Kunden für diesen Tag "frei genommen" hatten. Gemeinsam mit dem Hüttenwirt ein Seil zu organisieren war gescheitert, da der Verkaufspreis enorm war, und auch der Versuch es zu mieten, platzte nachträglich. Als das Seil bereits bei uns in der Hütte lag, holte es jemdand wieder weg: der Wirt hatte wohl bei der Übersetzung weggelassen wofür wir planten es zu verwenden. Sherpas sind Buddhisten und was einmal einen Toten berührt hatte, wollten sie nicht wieder verwenden. Nachvollziehbar, aber wenig hilfreich. Auf der Suche nach mindestens provisorischer Bergeausrüstung erwähnte der Hüttenwirt nebenbei, dass es doch eine Klinik im Ort gäbe. Hätte er eher sagen können. Es stellte sich heraus, dass in dem kleinen Krankenhaus von Gokyo eine britische Ärztin ehrenamtlich arbeitete, die gemeinsam mit ihrem nepalesischen Gehilfen bei Organisation und Vermittlung mit den Sherpas helfen konnte. An der kompletten Abwesenheit nützlicher Ausrüstung (ihre 10kg Trage kam ob des zusätzlichen Gewichtes nicht in Frage) konnten aber auch sie nichts ändern. Einige kurze Seilreste aus der Unterkunft und unsere Zeltplane mussten genügen um das Vorhaben nicht schon in diesem frühen Stadium scheitern zu lassen. Auch bedeutet die Klinik nicht, dass es eine dazugehörige Rettungsinfrastruktur gäbe. Man könnte annehmen, dass in solch abgelegenen Regionen Selbsthilfestrukturen wie bei uns eine Freiwillige Feuerwehr existieren, dem ist aber nicht der Fall. Zwar behandelt die Klinik regelmäßig Ausländer, meist wegen Höhenkrankheit, und kann von den eingefahrenen bescheidenen Gewinnen gratis die Einheimischen und Träger versorgen, also erweiterte Erstversorgung leisten; Experten für Rettung oder gar Bergung gibt es aber nicht. Auch Technik wie tragbares Satellitentelefon oder wenigstens CB-Funkgeräte für die Verständigung innerhalb des Tals oder mit Hubschraubern gibt es nicht.

Die Bergung aus einem exponierten Geröllfeld in 5500m, mehr als 3 Stunden von Gokyo entfernt, war anstrenged und ein wenig riskant. Die Reiseagentur der Familie aus Kathmandu hatte planlos den Hubschrauber losgeschickt, der uns, winzige Punkte in der riesigen Steinlandschaft, wie zu erwarten, nicht finden konnte und wieder abdrehte - wir wären ohnehin noch nicht bereit gewesen. Eine Möglichkeit der Kommunikation von unterwegs bestand nicht, und so war eigentlich der Plan gewesen mit dem Körper eine Landezone zu finden, per GPS die Koordinaten zu ermitteln und diese später im Ort per Satellitentelefon an den Hubschrauber zu übermitteln, so aber war der teure Überflug nutzlos. Nach einiger Zeit kam der Hubschrauber wieder. Offenbar hatten die Piloten mit den in Gokyo verbliebenen Familienmitgliedern gesprochen und erfahren, dass wir weit oberhalb der Talsohle zu suchen waren. Zwar fanden sie uns diesmal irgendwie, konnten aber in dem Gelände noch immer nicht landen. Erst nach 1,4km über zum Teil mannshohe Boulder erreichten wir eine Landezone als der Helikopter just erneut auftauchte. Die vier Nepalesen hatten genug und für Pietät keine Zeit, es ging ruppig zu. Der Pilot bedeutete mir doch mitzufliegen, ich bedeutete, dass es mich nur im Doppelpack gibt. Er stimmte sich kurz mit seinem Co-Piloten ab (kann die Maschine auf der Höhe 5 Menschen tragen?) und nickte. An Bord mit Intercom, wir waren mit 160km/h auf dem Weg nach Lukla, zum Glück noch rechtzeitig, klärte sich ein Missverständnis auf: Ich war nicht der Sohn, den der Pilot mit nach Lukla nehmen sollte - der befand sich in Begleitung der Ärztin schon zu Fuß auf dem Rückweg nach Gokyo nachdem er seinem Vater den Ehrendienst erwiesen hatte und zu ihm zu führen. Die Piloten landeten also in Gokyo zwischen, wir stiegen aus und der Leichnam flog weiter nach Lukla.

Da die Familie bereits in einem der früheren Anflüge nach Lukla ausgeflogen wurde, standen wir im Mittelpunkt, als es um die Bezahlung der Helfer ging. Wie selbstverständlich gingen sie davon aus, dass wir die 300€ (es wurden explizit Preise in Euro genannt), die am Vorabend für 8 Helfer in der Rede waren, aus der Tasche ziehen konnten. Wir beglichen den Beitrag mit dem letzten Rest unserer verbliebenden nepalesischen Rupien. Unendlich dankbar bleiben wir einem kanadischen Paar, welches anschließend unsere Rechnung für Hütte und Essen übernahm und uns somit ermöglichte unsere Wanderung über den Renjo La und Thame fortzusetzen, wie sie geplant war. Ohne sie wäre es vorbei gewesen und wir hätten schnell im Gokyotal nach Namche zum Geldautomaten absteigen müssen. Am Ende unseres Aufenthaltes haben wir den ausgelegten Betrag vom Reisebüro der Familie in Kathmandu wieder komplett erstattet bekommen.

Wir sind froh, dass wir helfen konnten, etwas schockiert, dass wir dafür die erste Wahl waren und traurig, dass es überhaupt nötig war. Es ist schwer unsere Gedanken und Gefühle in Worte zu fassen ohne, eventuell durch Unwissenheit über Kultur und Religion, ein zu harsches Urteil zu fällen. Damals, zur Zeit des Geschehens, konnten wir jedoch nicht glauben, wie wenig Initiative und Hilfsbereitschaft durch die Lokalen angeboten wurde, während es für uns, Ausländer, selbstverständlich war alles zu tun und zu geben. In einem späteren Gespräch wurde uns versichert, dass bei einem Unfall mit Überlebenden alle sofort losgegangen wären, egal ob für Ausländer oder für Nepalesen. Auch ohne erst ein Gehalt auszuhandeln? Die Sherpas waren zur Bergung alle samt ohne Ausrüstung gekommen, sie hatten keine Handschuhe und mussten sie sich unterwegs von uns borgen, gaben sie jedoch erst auf Nachfrage zurück. Später erfuhren wir, dass es Usus ist, seine Träger und Führer auszustatten, geborgte Sachen zu überlassen oder auch die Sachen zu geben, die man nicht mehr braucht. Nein, es erschien uns nicht als ein Miteinander zwischen Nepalesen und Touristen, trotz des besonderen Umstandes, sondern es blieb ein Geschäft. Und, dass individuell Reisende diesem Geschäft nicht zuträglich sind, gab uns unter anderem unmissverständlich eine andere Wirtin des Ortes zu verstehen, als wir vom Hubschrauber kamen. Aus dem lauten und bitterbösen Redeschwall verstanden wir nur, dass das alles mit nepalesischem Führer nicht passiert wäre. Er hätte es koordinieren können und dem Ort wäre viel Aufregung erspart geblieben. Was sollten wir dazu sagen? Wir haben niemandem vom Helfen abgehalten. Es wäre wohl dennoch zu einfach und nicht richtig die Menschen, auf Basis der Reaktionen einzelner zu verurteilen. Wir haben viele nette Menschen getroffen, besonders in den niedrigeren Regionen, wo sie nicht nur für uns Touristen da sind, sondern ein davon unabhängiges Leben führen.

Trotzdem müssen wir in diesem Zusammenhang folgendes sagen: Liebe Wanderer, bitte seid vorsichtig in Nepal! Wandert niemals allein und haltet euch an die Wege. Kehrt um, wenn es nicht weitergeht, der Weg unklar ist, oder das Wetter umschlägt. So makaber es klingt, aber wir sind froh, dass wir nicht bei einer Rettung eines Verletzten helfen mussten - einen Unfall wollt ihr dort oben nicht haben!

8422659963_87f15d6b74_m.jpg Den nächsten Tag brauchten wir um das Erlebte zu verdauen. Wir wollten nicht den ganzen Tag in der Hütte sitzen und taten so das einzig richtig Erscheinende. In einem kleinen Lädchen im Ort kauften wir zwei Ketten von Gebetswimpeln und machten uns auf in die Nähe des Thonak Tsho (dem vierten See des Gokyo Tales) und damit der Gegend des Vortages, allerdings deutlich tiefer im Tal. Wie wir es schon so oft gesehen hatten wollten wir eine kleine Pyramide bauen - wir errichteten sie am Wege in der Nähe eine vorhandenen koreanischen Denkmales und brachten anschließend die Gebetswimpel an. Konnte es auch nichts mehr gut machen, gaben uns die paar Stunden frische Luft doch die Möglichkeit ein wenig in uns zu gehen, und das Gefühl zu haben, getan zu haben, was wir konnten. Anschließend gab es Mittagesen in der Namaste Lodge. Zu unserer Überraschung bekamen wir anschließend Kaffee und Kuchen aufs Haus - die schimpfende Wirtin des Vortages war von hier. Entweder hatte sie gemerkt, dass sie sich im Ton vergriffen hat, oder erst richtig erfahren, was eigentlich vorgegangen war und was wir mit der ganzen Sache zu tun hatten. Entschuldigung angenommen.

28.10. Gokyo - Renjo La - Lumde

8423760984_8233ed2cb6_m.jpg Am nächsten Tag sollte unsere eigentliche Wanderung weitergehen. Wir verabschiedeten uns von der Ärztin und marschierten bei ziemlicher Kälte über Eis und Schnee entlang des Dudh Pokhari (Gokyo See) Richtung Westen hinauf zum Renjo La. Zunächst ging es noch zügig, erst mäßig bergan, dann Serpentinen durch knöcheltiefen Schnee, bis auf ein kleines Hochplateau. Ab hier wurde es steiniger und je näher wir der immer imposanter werdenden Wand kamen, umso größer wurden die Gesteinsbrocken und die Augen. Erst spät erklärte sich, wo es denn da bitte hinaufgehen sollte - bis ganz an die Wand heran muss man, bevor es daran entlang über eine Rampe aus Riesenbouldern brutal bergan geht. Unten saßen ein paar Porter die sich vom Abstieg erholten und uns für unsere Rucksäcke breit angrinsten. Aber kein Problem, man wächst mit der Herausforderung, und die vergangenen Wochen Training hatten sicher auch nicht geschadet. Gegen 12:45 hatten wir es geschafft und überquerten den zugigen Pass auf 5360m nach einem kurzen Snickersstopp.

8423785168_307802f6a1_m.jpg Der Weg hinab war deutlich einfacher zu finden als der auf der Westseite des Cho La, trotzdem galt es dank des Neuschnees der vergangenen Nacht Vorsicht auf den erst jüngst gebauten Stufen walten zu lassen. Offenbar hatte Renjo La keinen all zu guten Ruf bei Wanderern, und um die Attraktivität des Weges und damit der Orte und Hütten im Tal Lumde/Thame, zu steigern, hatten die Anwohner die Anstrengung unternommen und großte Teile der Westseite in Stufen verwandelt. Sicher sehr viel bequemer bei schönem Wetter, aber bei Schnee fühlte es sich etwas unsicher an. Wir bedauerten vorab die Wanderer die hier am nächsten Morgen auf über Nacht gefrorenem Schneematsch laufen mussten. Das Tal auf der anderen Seite war, wie von anderen zuvor berichtet, zugegeben etwas karger aber deshalb nicht weniger interessant - wir bereuten unseren Weg nicht. Recht ereignislos aber mit heftigem Wind und großartigen Blicken ging es vorbei am Angladumba Tsho hinein ins Bhotse Koshi Tal und zu unserem Tagesziel Lumde (4370m, 15:30), wo wir zufällig mit dem kanadischen Paar aus Gokyo gemeinsam in einer Hütte waren und den Abend schwatzend nahe am Ofen verbrachten.

29.10. Lumde - Thame - Namche

8422710311_622c764977_m.jpg Wir wussten aus unseren Karten, dass wir theoretisch nur noch einen Tagesmarsch von Namche entfernt waren - verrückt, da wir für die gleiche Entfernung beim Aufstieg zwei Nachbartäler weiter so lange gebraucht hatten. Da wir aber nicht mehr das Gefühl hatten uns beweisen zu müssen gingen wir ohne Ziel los, so weit wir Lust hatten. Gemeinsam mit den Kanadiern genossen wir die Landschaft und tauschten Jägerlatein und Nepalwissen. Vorbei an vielen Yak-Weiden ging es spielend bergab durch Tarangar und Hungmo pünktlich zum Mittagessen nach Thame (3820m). Das Heimatdorf Tenzing Norgays wirkte nach langer Zeit karger Steine und dünner Luft geradezu frühlingshaft. Die Kanadier kannten eine Lodge und wollten hier bleiben - überraschend luden sie uns zum Mittagessen ein und wir zelebrierten es glücklich mit nackten Füßen in der Sonne, ein bisschen als wären wir gerade vom Mond gelandet. Wir diskutieren, was wir anschließend machen sollten. Bald waren wir in Namche und es galt eine Entscheidung zu treffen, wie wir von dort zurück in die Zivilisation kommen sollen: schließlich war die nächste Straße auch dort noch mehr als 100km entfernt. Es gab die Möglichkeit von Lukla mit dem Flugzeug zu fliegen, was wir von Namche in einem Tag hätten erreichen könnten, aber wollten wir das? Das haben wohl auch die Kanadier gemerkt und machten einen anderen Vorschlag. Klar wollten wir nicht unbedingt den gleichen Weg nach Jiri zurück laufen, den wir gekommen waren... mussten wir aber auch nicht. Sie waren schon öfter in der Gegend unterwegs und legten uns die Strecke von Namche nach Tumlingtar ans Herz. Ungefähr genausoweit entfernt wie Jiri, jedoch nach Südosten statt Südwesten. Unsere Bushaltestelle stand also fest.

8422717715_ff2253e549_m.jpg Und damit auch, dass wir noch an diesem Nachmittag nach Namche weiter laufen würden. Unseren anstehenden Ruhetag in Namche wollten wir uns zwar nicht nehmen lassen, aber dafür wenigstens auch etwas getan haben. Wir verabschiedeten uns herzlich mit Adresstausch und flogen das Tal hinab, erneut über den Bhotse Koshi, durch die ersten Wäldchen und vorbei an riesigen religösen Felsmalereien, bis wir gegen 17 Uhr von der neuen Hubschrauberplattform in den Talkessel von Namche blicken konnten. Kurz darauf saßen wir natürlich wieder in der Bäckerei - der Kreis war geschlossen.

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