04.09.2012 Tana Toraja - Das Geschäft mit dem Tod
Aus RTW
Moped-Tour - Schaurige Ruhestätten - Hölzerne Wächter - Bananenbrei als Mittagessen
Es fällt mir schwer für diesen Artikel einen Anfang zu finden - geht es um eines der sensibelsten und kontroversesten Themen: den Tod. Kaum jemand, der nicht mindestens einmal pro Woche einen Toten auf der Straße liegen sieht oder einem Pathologen über die Schulter schaut - im Kino oder Fernsehen scheint es mit zu den beliebtesten Themen zu gehören. Es sorgt immer für Spannung, Mitgefühl und anscheinend ein gutes finanzielles Auskommen. Betrifft es jedoch jemanden persönlich, ist der Tod für viele ein schwieriges, oft ein Tabuthema. Wie drückt man einem Verwandten sein Beileid aus? Wie einem flüchtigen Bekannten? Oder wie jemandem, bei dem man nur mal eben vorbeischaut für ein Foto und weil der Reiseführer es empfiehlt? Bedenken, die scheinbar verschwinden, wenn der Tod wieder der eigenen Unterhaltung dient - wie in Tana Toraja. Tausende von Touristen strömen jährlich in diese Region um wenigstens einen kurzen Blick auf eine Beerdigungsfeier zu erhaschen, am bequemsten im Schutz einer Reisegruppe.
Auch wir waren da, klar, sonst gäbe es diesen Artikel nicht und auch wir hatten ein gewisses Interesse an den traditionell umfangreichen Beerdigungszeremonien und Begräbnisarten für die die Toraja bekannt sind. Die Toraja (=Bergmenschen) sind ein indigenes Volk im Süden von Sulawesi. Bis zum Ende des 19. Jahrhunderts lebten sie als Animisten in ihrer durch Berge abgeschottete Region in autonomen Dörfern. Ab 1900 missionierten die Holländer mit großem Erfolg und die meisten Toraja konvertierten zum Christentum, das neben dem Islam hier am weitesten verbreitet ist. Die Missionare verboten den Konvertieten die Ausübung von life rituals, Totenritiuale hingegen waren gestattet. Der alte Glaube mit seinen Zeremonien und Mythen wird somit weiterhin von Generation zu Generation übertragen und findet sich insbesondere in der starken Verehrung der Ahnen und den Beerdigungen wieder. Offiziell wird der Glaube der Toraja als "aluk" (der Weg) bezeichnet. Die Toraja glauben unter anderem an ein Leben nach dem Tod, für welches das weltliche Leben mehr oder weniger nur eine Übergangsphase ist. Der Körper des Verstorbenen wird daher einbalsamiert und bis zur Beerdigung im hinteren Teil des Hauses der Familie aufbewahrt, da der Geist zwar den Körper verlässt, aber sich nicht weit entfernt. Die Vorbereitungen für die Beerdigungszeremonien, zu denen Verwande und Bekannte aus der ganzen Welt anreisen, sind umfangreich und kostenintensiv. So lange die Familie braucht um alles zu planen, auszurichten und das Geld zu sparen, bleibt der Körper im Haus, auch wenn es mehrere Jahre dauert. Ein Hauptbestandteil der Zeremonie ist das Opfern von Wasserbüffeln, je mehr davon um so besser, wobei die seltenen weißen Albino-Büffel für höchste Ehrung stehen. Ein weißer Büffel kostet bis zu 15'000€ auf dem Markt und die Gesamtkosten der Beerdigung können, bei zu großem Ehrgeiz, den finanziellen Ruin für die Familie bedeuten. Die Hörner des Büffels werden nach der Zeremonie am Haus der Familie angebracht. Die Anzahl der Hörnerpaare an einem Haus repräsentiert den Reichtum und den damit verbunden Einfluss.
In der Region der Toraja gibt es drei verschiedene Beerdigungsarten. Die Särge von einfachen Leuten werden in natürlichen Höhlen gelagert, während für Familien mit höherem sozialen Stand traditionell Kammern in Stein (entweder Felsenwände oder Findlinge) gemeißelt werden. Bei der letzten Beerdigungsart werden die Särge mit Hilfe von Holzstangen entweder unter die Höhlendecke oder außen an Felswände gehängt. Insbesondere bei den letzten beiden Arten sieht man unweigerlich und unvermeidbar den Zerfall der Holzsärge, was unter anderem dazu führt, dass die Überreste der Verstorbenen, insbesondere die Schädel und Knochen, auf dem Boden liegen.
In vielen Dörfern in Tana Toraja sieht man noch heute die traditionellen Häuser, Tongkonan genannt, in einer Reihe, meist nach Norden ausgerichtet und jedem Haus gegenüber steht eine maßstäbliche Verkleinerung für die Aufbewahrung des Reises. Dem Reis verdankt die Umgebung auch ihr Aussehen. Sind die Abhänge nicht zu steil und die Wälder nicht zu dicht, sieht man Reisfelder, so weit das Auge reicht. Um oder neben den traditionellen Häusern findet man heute immer mehr moderne Häuser und nicht selten eine Kirche. Doch auch die traditionellen Tongkonan werden noch immer gebaut. Es wird gesagt, dass die Dachform der Häuser die Form der Büffelhörner symbolisiert.
Gut erholt von den Togian Inseln, waren wir trotzdem zu faul die Umgebung auf einer mehrtägigen Wanderung zu erkunden. Ferner drängte die Zeit, kam unser Abflug aus Jakarte leider unaufhaltsam näher. Wir entschlossen daher für zwei Tage ein Moped zu mieten und damit die Umgebung zu erkunden. Da die meisten interessanten Dörfer großzügig rund um Rantepao, dem Hauptort Tana Torajas, verteilt sind, entschieden wir uns dort unser Lager aufzuschlagen. Außerdem lockten ein leidliches Angebot von Cafés, das Internet und die kleinen Supermärkte nach den enthaltsamen Reis-Fisch-Tagen auf den Inseln.
Wir kamen an einem Freitagabend (31.08.2012) in Rantepao an. Aus Poso waren wir mit einem Sammeltaxi nach Palopo gefahren (Bus wurde uns verweigert oder fuhr zeitlich ungünstig - nichts Genaues wissen wir). Und in Palopo bekamen wir glücklicher Weise, da schon abends, noch eine Mitfahrgelegenheit bei einem älteren Mann im Jeep, der überraschend vorsichtig die kurvigen Bergstraße ins Gebiet der Toraja fuhr. Einheimische verhalfen uns hier zu einem fairen Mitfahrpreis, nachdem der Fahrer zuvor spontan (wir waren dank Reiseführer im Bilde) das Doppelte verlangt hatte. Mehr als ein paar staubige und einsame Straßen mit wenig Straßenbeleuchtung bekamen wir von der mythischen Gegend an dem Abend nicht mehr zu sehen.
Am ersten Tag kamen wir nicht in die Gänge. Die zwei Tage Anreise mit Schiff und Auto hielten uns morgens im Bett und dann erfreuten wir uns an den Annehmlichkeiten der Zivilisation und bestaunten die, für diesen Teil der Welt, ansehnlichen Ladenregale. Als wir endlich im (offiziellen) Touristenbüro ankamen, strafte uns schon der Blick der Dame hinterm Schreibtisch. Wir waren zu spät, wie sollte uns nun noch ein Führer zu einer Beerdigung bringen?! Unsicher, ob wir das überhaupt wollten, fragten wir erstmal nach einer Landkarte und Empfehlungen für eine Mopedtour auf eigene Faust. Tatsächlich hing an der Wand eine umfangreiche Übersicht, auf der die anstehenden Beerdigungen des Großraumes standen. So richtig wollte sie es uns jedoch nichts ohne das Buchen eines Guides verraten. Beerdigung im Ausverkauf? Sie wies noch darauf hin, dass es Zeremonien nie an einem Sonntag gäbe. Warum? Na, am Sonntag gehen sie in die Kirche, wie es sich für Christen gehört. Außerdem finden Beerdigungen, Feste des Todes, nur im Herbst, nach der Erntezeit, statt. Wir beschlossen, dass es zu spät war um noch loszufahren und so hielten wir uns an die örtlichen Internet Cafés und versuchten die lokale Spezialität Pa'piong, in Bambusrohr gedünstetes Fleisch mit Kräutern.
Da wir bereits schmerzliche Erfahrungen mit dem Reisen ohne Planung in Indonesien gesammelt hatten, wollten wir diesmal unsere Fährfahrt von Makassar zur Insel Flores (300km südlich von Sulawesi) frühzeitig raussuchen und buchen. Auf Empfehlung der Touristeninformation gingen wir zur Agentur "Metro". Geduldig beobachteten wir das geschäftige Treiben der beiden Angestellten, die uns jedoch geschickt mieden. Zum Glück für sie kam immer wieder ein Indonesier, der selbstverständlich mit Vorzug behandelt werden musste, so dass wir schließlich nachfragten, ob wir wenigstens ihr Internet für die Suche nach den Schiffen nutzen können. Dieser Antrag schien ungewöhnlich genug zu sein, um wenigstens ein paar Sekunden ihre Aufmerksamkeit an uns zu binden. Ich wage zu sagen, schneller als mit ihnen, hatten wir alle Infos zusammen und uns für das Schiff KM Sirimau am 4. September nach Larantuka entschieden. Nur kaufen konnten/wollten wir die Tickets dann nicht mehr. Bei einem Ticketpreis von 174'000 Rupien schlugen sie 75'000 Rupien Kommission drauf. Da ließen wir es lieber darauf ankommen und planten, sie direkt bei Pelni vor Ort zu kaufen. Da die Schiffe so oder so immer überbucht sind, waren wir zuversichtlich auch am Abfahrtstag noch ein Ticket zu bekommen. So viel also zu unserem Versuch unsere Weiterreise sicher vorbereitet zu haben. Anschließend sicherten wir uns wenigstens noch Nachtfahrt-Busticket nach Makassar, von wo die Fähre abends abfuhr. Später zeigte sich die Dame in der Touri-Info über die 75'000 Rupien Kommission überrascht - als hätte sie zum ersten Mal gehört, dass Langnasen andere Preise zahlen.
Am nächsten Tag ging es dann endlich mit dem Moped los. Wir hatten zwei Tage Zeit und hatten uns die Gegend in zwei Rundkurse eingeteilt, einen nördlichen und einen südlichen. Von der Info hatten wir eine richtungsgebene Karte bekommen, die wir mit Orten aus dem Lonely Planet und Straßen von OpenStreetMap aufgewertet hatten. Als erstes ging es in den Süden. Ziemlich schnell merkten wir, dass Karte und Realität weit auseinander lagen, aber dank Anwohnern fanden wir zu unserem ersten Tongkonan-Dorf Nangalla - mehr oder weniger nur ein Schaudorf. Man zahlt Eintritt, die Häuser schienen unbewohnt und nicht einmal eine Toilette gab es. Erst viel Betteln öffnete den Vorhang zu einem privaten Loch naher (moderner) Häuser. Das Highlight des Ortes waren für uns die großen Fledermäuse in den Bäumen am Ende vom Dorf.
Um nicht wieder auf der Hauptstraße zurückfahren zu müssen, fragten wir nach einer Abkürzung durch die Berge nach Paniki um von dort nach Tembamba zu fahren. Zwar vom Lonely Planet als Wanderweg bezeichnet, kann man inzwischen die Auswirkungen von über einem Jahr "Weltreise" in Asien auf uns nicht mehr verleugnen: Wenn der Schlamm nicht tiefer als einen Meter ist, tut es jede Piste für uns als Mopedstraße. Ein kurzer Blick in den Himmel und auf unser Gefährt, ließ den Kassier nicken. Da es seit einigen Tagen nicht mehr geregnet hat, sei die Straße passierbar, es würde nur sehr lange dauern. Und das tat es. Die Vegitation überraschend, hohe Kiefern neben Reisterrassen, mit dem Gesang von Kindern aus den Dorfkirchen, ging es auf schmalen, teilweise gepflasterten Staubwegen immer weiter am Berg Pedamaran hinauf bis wir endlich einen kleinen verrosteten Wegweiser fanden. Durch eine große, verlassen wirkende, Kaffeeplantage ging es, vorbei an der Kaffeewaschanlage zum Verwaltungsgebäude, das, ohne einen einzigen Computer, wie aus einer anderen Zeit wirkte. Allein der Pförtner mit einem übellaunigen Hund war umher (es war Sonntag) und erklärte uns mit Hand und Fuß die Besonderheit der Firma, Toarco Jaya Kaffee: Melody - ein Kaffee, bei dem die Bohnen ohne Schale getrocknet werden, was einen besonders reinen und feinen Kaffeegeschmack garantiert. Werden die Bohnen mit Schale getrocknet (wie es eigentlich immer der Fall ist), überträgt sich teilweise der muffige Geschmack der Schale auf die Bohne, was dem Kaffee einen eher erdigen Geschmack geben kann. Ob nun Kopfsache oder nicht, uns schmeckt dieser Kaffee jedenfalls sehr gut und in Indonesien war er, im Gegensatz zu Deutschland, bezahlbar. Vom Verwaltungsbüro folgten wir der Straße und standen kurz darauf an einem verschlossenem Tor, auf dessen anderer Seite die eigentliche Straße verlief. Wir hatten uns von hinten über Wirtschaftswege auf die Plantage gemogelt und waren nun eingesperrt. Man ließ uns, mit fragendem Blick, passieren und wir fuhren weiter bergab, auf einer leidlich besseren Straße. Auf Empfehlung unseres Reiseführers fuhren wir östlich durch ein schickes Tal nach Tembamba, wo man von ein paar Felsengräbern einen weitem Blick über die Reisfelder und Dörfer hat. In Tembamba selbst gab es nicht viel zu sehen. Wir, zwei Weiße auf einem Moped, wurden selbst zur Attraktion und erst recht, als wir uns an einem kleinen Straßenstand frittierte Bananen und eine Art gekochten Bananenbrei schmecken ließen. Eine Dame auf Familienbesuch übernahm kurzerhand im Weggehen unsere Rechnung und ließ uns etwas verdutzt zurück, sind wir es doch sonst, die doppelt und dreifach zahlen sollen und gern auf unser Bankkonto reduziert werden.
Zurück aus dem Tal ging es auf gleichem Wege und dann fragten wir uns mühsam nach Suaya durch, eine Felswand mit Gräbern und Tau Tau. Tau Tau sind große, meist aus Holz geschnitzte, bemalte und mit Kleidern versehene Abbilder der Verstorbenen. Sie stehen meist in Gruppen, auf Balkonen in der Steinwand, vor den Höhlen oder direkt auf einem Felsengrab. In Suaya, dem Grab des siebenten Königs (nix genaues wissen wir), gibt es, bis auf mehrere Gruppen von Tau Tau hoch in der Wand nicht viel zu sehen. Zwar gibt es einen Weg, der auf den hohen Felsen führt, aber mit mehr als einen kleinen Ausblick auf die Landschaft wird man nicht belohnt, meinten andere, die gerade wieder herunter kamen. Da wir noch viel sehen wollten und wir viel Zeit bei der Fahrt durch die Kaffeeplantage verbracht hatten, entschieden wir uns für eine schnelle Weiterfahrt.
Von der Stätte in Suaya kann man einer kleinen engen Straße zwischen Felswand und Reisfeldern direkt zum Höhlengrab Tampangallo folgen. Die kleine Höhle ist mit eine der ältesten Begräbnisstätten, in der die Häuptlinge der Gegend ruhen. Der Sage nach sind sie Nachfahren des mythischen Wesens Tamborolangiq, welches, auf einer Steintreppe aus dem Himmel kommend, das Kastensystem und die Todesrituale einführte und die Methoden der Landwirtschaft lehrte. Zwar wussten wir die ungefähre Lage der Höhle, aber den Zugang fanden wir nicht. Erst durch ein Paar mit Guide, das wir im Busch verschwinden sahen, bekamen wir einen Anhaltspunkt. Wir schoben uns, mit Taschenlampe bewaffnet, durch einen schmalen Felsspalt und sahen gleich, und etwas unvorbereitet, mehr von den Toten, als uns lieb war. Schädel und Knochen lagen teilweise ordentlich zusammengesammelt da und erst auf den zweiten Blick und ein Stück weiter sahen wir noch die letzten, stark verrotteten Särge auf Balken unter der Höhlendecke, zum Schutz gegen Grabräuber. Da die Toraja an ein Leben nach dem Tod glauben, legen sie dem Verstorbenen wertvolle Beigaben und Schmuck in den Sarg, die wiederum eine leichte Beute für Diebe sind. Selbst die Tau Tau werden immer häufiger gestohlen (und verkauft), so dass die Angehörigen dazu übergegangen sind, diese zu Hause aufzubewahren. In Tampangallo jedoch beobachten die Holzfiguren noch immer das Geschehen in der Höhle und die Reste der Särge zeigen kunstvolle Schnitzereien. Touristisch gesehen scheint die Stätte, für uns überraschend und interessant, jedoch irrelevant geworden zu sein - vielleicht zu weit weg von Rantepao. Der offizielle Kassierposten, den wir kurze Zeit darauf mit dem Moped passierten, war verwaist und ungepflegt - ganz im Gensatz zu Lemo und Londa.
Auf dem Weg nach Lemo kamen wir an einer weiteren, besonderen Begräbniseigenheit der Toraja vorbei: Babys wurden bis vor kurzem im Sarg in den Verästelungen von Bäumen bestattet. Bereits etwas angeschlagen von den vielen Schädeln bei Tampangallo, waren wir unsicher, ob ein Babygrab eine geeignete Touristenattraktion ist, hielten aber trotzdem an. Als sich jedoch eine Horde kleiner Kinder für die Kassierung des Eintrittsgeldes verantwortlich zeigte, jedoch kein Wechselgeld hatte, bzw. es als Spende erwarteten, ließen wir es bleiben. Die Kombination von kleinen Kindern und die Forderung nach Geld lässt uns stets unwohl fühlen.
Die Hauptsehenswürdigkeiten von Tana Toraja werden alle vom Touristenbüro des Gebietes betreut und entsprechend einheitliche Eintrittspreise-, Tickets und Gästebücher gibt es für die Gegend. Wie ein Zentralkomitee scheinen sie auch über die Beerdigungen zu wachen und die Touristen entsprechend mit ihren eigenen Guides oder unabhängigen Touranbietern dorthin zu senden. Gelder, die über Eintritte und Touren eingenommen werden, kommen jedoch kaum bis gar nicht den Anwohnern oder Kommunen zu Gute - obwohl diese ihre Zeremonieplätze und Begräbnisstellen zur Schau stellen, erbauen und erhalten sie diese auf eigene Kosten. Entsprechend versuchen die Anwohner ihren Anteil vom Tourismusstrom abzubekommen, verwandeln Dörfer in Basars für Tücher, Sarongs und mehr oder weniger echte Antiquitäten, bieten Eintritt ohne Ticket für die Hälfte des Preises an oder deklarieren kleine, private Begräbnisstätten zu Sehenswürdigkeiten. Die ursprünglichen Gastfreundlichkeit der Anwohner, Fremde an ihren Zeremonien teilhaben zu lassen, wird stark strapaziert, und dank der sich rapide entwickelnden Tourismusindustrie ist ein einträgliches Geschäft mit dem Tod entstanden. Die Guides und Tourenanbieter kassieren für das Wissen um und die Fahrt zu den Beerdigungen, während bei den Familien oft nur das typische Gastgeschenk, Zucker und Zigaretten, ankommt. Anfang der 90er erlebte die Gegend einen wahren Boom. Die Teilnahme an einer Beerdigungsfeier inklusive Büffelschlachtung ist für den Touristen sicher ein Highlight auf einer Indonesienrundreise, aber ist er in Form einer Busladung auch noch immer ein gern gesehener Gast? Ein schweizer Geschwisterpaar, ohne Guide unterwegs, hatte das Glück auf jemanden zu treffen, der sie zu einer Beerdigung eines Familienangehörigen einlud. Während sie am Anfang noch die private Betreuung schätzten, verließ sie jedoch schnell die Begeisterung, als sie plötzlich, pünktlich zur Büffelschlachtung, umgeben von einer Busladung Touristen waren.
Unseren vorletzten Stopp für diesen Tag hatten wir bei Lemo, eine Felswand mit Gruppen von Tau Tau und vielen in die Wand eingemeißelten Gräbern, viel größer als Suaya. Je höher der soziale Stand des Verstorbenen, je höher liegt sein Grab in der Steinwand. Mehr gab es jedoch, abgesehen von zahlreichen Souvenirständen, nicht zu sehen. Ganz anders war es jedoch bei Londa, mit einer Höhlenbegräbnisstätte für einfache Leute, und künstlich gehauenen Nischen für hochrangige Verstorbene. Dort gab es für unseren Geschmack ein bisschen zu viel zu sehen. Bereits vor der Höhle stapelten sich die Särge und über unseren Köpfen hingen sie an der Felsenwand, beängstigend verrottet. Wir waren die letzten Besucher für den Tag und hatten die verzweigte Höhle ganz für uns allein. Lediglich mit dem Licht unserer Taschenlampe hangelten wir uns durch die teilweise sehr schmalen Durchgänge von einem Raum zum nächsten. Überall lagen Knochen, Holzreste von Särgen und in einem Raum sahen wir einen neuen Sarg aufgestapelt auf einem Haufen von älteren. Ein zugeschüttetes Grab zu sehen ist eine Sache, aber einen nur wenige Tage alten Sarg in einem dunklen Höhlenraum, umgeben von Schädeln und Oberschenkelknochen, ist etwas anderes - für uns ein bisschen zu viel Realität gepaart mit dem unguten Gefühl in eine Ruhestätte eingedrungen zu sein. Wie seltsam muss erst anmuten, wenn noch weitere Touristen um einen herumklettern? Nochmal zur Erinnerung: Wir waren hier nicht heimlich eingedrungen, sondern haben Eintritt für ein vermarktetes Produkt bezahlt; Besichtigung dieser Höhle ausdrücklich erwünscht.
Am nächsten Tag wollten wir auf jeden Fall über der Erde bleiben und keine Knochen mehr sehen. Im Norden von Rantepao hofften wir auf spektakuläre Blicke über Reisfelder und traditionelle Dörfer. Beides gab es! Auf mehr oder weniger guten Bergstraßen fuhren wir durch die schöne Landschaft nach Palawa, ein Schaudorf mit einigen der ältesten erhaltenen Häusern, einer Busladung voll Touristen und ganz vielen Frauen, die uns ihre gewebten Sarongs verkaufen wollten. Ein Stück weiter konnte man, in einem ähnlichen Schaudorf, Pangli, den Damen direkt beim Weben zuschauen und einiges über Techniken und die unterschiedlichen Qualitäten, einfach- und zweifachgewebt, lernen. Nachdem wir in Laos bereits Tücher aus Maulbeer-Papier gesehen hatten, bestaunten wir diesmal Stücke, gewebt aus Fäden, die von den Blättern einer, nicht essbaren, Ananasart gewonnen werden, gefärbt wird mit Indigo und Chili. Wir tauschten gut Bares gegen ein Exemplar.
Von Palawa folgten wir den Serpentinen nach Norden immer höher durch kleine Dörfer und riesige Reisterrassen in die Berge. Bei Deri gibt es eine kleine Ansammlung von Felsengräbern in großen Findlingen, verziert mit steinernen Tau Tau und kleinen Tongkonan-Dächern. Oben angekommen belohnten wir uns mit einem Kaffee im Tinimbayo Coffee Shop, der sicher nicht für seinen Kaffee aber zurecht für den gigantischen Ausblick berühmt ist.
Unser nächstes Ziel war Loko Mata, die vielleicht beeindruckendste Begräbnisstätte der nördlichen Region. In dem größten Felsbrocken der Gegend wurden und werden noch immer Gräbern eingemeißelt. Wir durften Zeuge werden, wie mühsam ein Steinmetz per Hand, mit orenbetäubendem Widerhall in der kleinen Kammer, gegen den harten Stein ankämpfte - die Fertigstellung einer Gruft, die Platz für eine ganze Familie bietet, kann bis zu einem Jahr dauern. Verschlossen werden die Gräber mit kleinen Holztüren, die teilweise kunstvoll mit dem Abbild von Wasserbüffelköpfen verziert sind. Nahe des Felsen stehen, einen Kreis bildend, eine Gruppe Menhir (lange, aufrechtstehende Steine), die entweder alte Gräber oder eine Opferstelle markieren. Diese Stätte war für uns sicher die sehenswerteste und am wenigsten touristische während der zwei Tage.
Zurück nach Rantepao machten wir noch kurz einen Abstecher nach Bori, einem berühmten Zeremonieplatz mit vielen Menhir und einigen Häusern. Da man bereits viel von der Straße sieht und wir uns ohne Erklärungen nicht viel von der Besichtigung versprachen, aßen wir lieber ein paar Nudeln vom Kiosk gegenüber und erkundeten dann noch ein wenig das Tal mit dem Moped. Kurz vor der Dunkelheit trennten wir uns schweren Herzens vom Moped und holten unser Gepäck vom Hotel. Eine Nacht im Bus nach Makassar stand uns bevor und damit waren unsere letzten 24 Stunden auf Sulawesi angebrochen. Nach unserem misslichen Start mit Indonesien in Kalimantan (Borneo), hatte es uns auf Sulawesi sehr gut gefallen. Die Vielfalt der Insel, mit Dschungel und Reisfeldern im Bada Tal, traumhaften Schnorchel-Spots auf den Togians und den mystischen Ritualen der Toraja, hatte uns erstmal wieder mit Indonesien versöhnt. Selbstkritisch mussten wir auch feststellen, dass es uns, nach vielen Monaten in Asien, die Christianisierung mit ihren, so wohl vertrauten Werten, hier heimeliger gemacht hat. So scheint jede Insel eine eigene vielschichtige Identität zu haben, und folglich das ganze Land. Das Indonesien gibt es nicht. Wir hofften auf Flores und viele spannende Erlebnisse, ohne die Strapazen wie in Kalimantan, nur eine Nacht auf einem Pelni-Schiff entfernt.
Inhaltsverzeichnis
Karten
Videos
Fakten
- Sammeltaxi von Palopo nach Rantepao kostet 25'000IDR p.P., ca. 2h
- Übernachtung im Wisma Irama (+62 423 21371) für 100'000IDR im aushaltbaren DZ mit Kaltwasser-Mandi und überraschend gutem Frühstück
- Karaoke-Bar Kandora(?), nahe Indra Toraja II am Fluss, bietet ganz gute Snacks und W-Lan
- Eintritt für touristische Grabstätten konsistent 20'000IDR, Dörfer 10'000IDR p.P.
- Moped-Verleih gibt es u.a. gegenüber vom Wisma Maria I, ab 60'000IDR pro Tag
- Nachtbus von Rantepao nach Makassar (z.B. Manggala Trans), durchgeführt mit guten Mercedes, ab 100'000IDR - Anbieter vergleichen!
Weblinks