12.11.2011 ByeBye Mongolei (Zamyn Uud), Ni Hao China (Erenhot)
Aus RTW
Wie schon berichtet haben wir für den Grenzübertritt versucht die günstigste Variante zu finden, was uns bis jetzt scheinbar gelungen ist, jedoch dafür ging das Ganze gut auf Kosten unserer Nerven. Inzwischen glauben wir fast, dass das anfängliche Verneinen von verfügbaren Platztickets zu unserem Besten gemeint war und uns die mongolische Bahn nicht wirklich das anstehende Chaos zumuten wollte.
Irgendwie hatten wir es geschafft, beinahe zu spät am Bahnhof zu sein. Obwohl wir beizeiten aus unserem Hostel losgingen und nur noch eine Kleinigkeit aßen, kostete uns die Prozedur des Verschicken eines Paketes bei der Post unser ganzes bequemes Zeitpolster. Zuerst kauft man einen Karton (1'200 MNT für den kleinsten), den man dann mit erfragten Klebeband halb zuklebt, befüllt und zur Inhaltskontrolle bei der Postbeamtin vorlegt. Erst nach dem diese dem Inhalt zugestimmt hat, darf man das Paket komplett zukleben. In unserem Fall musste das Campingmesser diskutiert werden, da es in seiner ganzen Stumpfheit eine gefährliche Waffe sei und nicht mit dürfe. Erst nachdem es als Küchenmesser deklariert wurde und sich unsere mongolische Bekannte dafür einsetzte, wurde das Messer akzeptiert und wir konnten das Päckchen zukleben. Dann mussten wir den Anschriftenaufkleber kaufen (100 MNT), ausfüllen, aufkleben und noch einen Zollzettel mit dem Inhalt des Paketes ausfüllen. Irgendwie dauerte der ganze Vorgang dann doch fast eine Stunde und plötzlich hatten wir nur noch knappe 40 Minuten um zum Bahnhof zu kommen, obwohl wir eigentlich eine Stunde eher da sein wollten. Obwohl gleich ein Bus kam, war jedoch wie immer so viel los auf der Straße, dass wir kaum vorwärts kamen und beschlossen ab der Hälfte im Laufschritt unser Glück zu versuchen. Nur fünf Minuten vor Abfahrt erreichten wir den Bahnhof fix und fertig. Aber anstatt uns gleich in den ersten Waggon zu lasssen, wiesen uns die Schaffnerinnen reihenweise energisch von den Türen ab und wir mussten bis zu unserem Waggon am Zug entlang. Dort angekommen, stiegen wir noch mit einem Schwall anderer ein und blieben auch prompt im Gang stecken. Der ganze Waggon war voll von Leuten, die unmöglich noch Platz finden konnten. Wie sich dann schnell herausstellte, waren die Platzkarten mehr Schein als Sein. Unsere Plätze waren bereits mit jeweils zwei Mongolen besetzt, die zwar unsere Fahrkarten bestaunten, jedoch nicht von den Plätzen wichen. Eine englischsprechende junge Mongolin bat uns sogar die anderen, die auf unseren Plätzen saßen nicht zu verscheuchen, nur weil sie noch keine Fahrkarten haben. Nach einigem Hin und Her, rückten die anderen noch weiter zusammen und gaben uns winzige Stücke der Sitzbank frei, auf denen wir Platz nehmen sollten. Der Waggon war genau wie die der Transsibirischen Eisenbahn aufgebaut. Es gab die sich gegenüber liegenden Liegeflächen, auf denen jeweils Platz für drei Leute vorgesehen waren, die oberen Liegeflächen waren hochgeklappt. Wir saßen zu Abfahrt mit bis zu vier anderen zusammen - aber es sollte noch doller kommen.
Erst mit guten 20 Minuten Verspätung ging es dann in einem total überfüllten Zug los. Zu allem Überfluss hatte ich (Petra) dann plötzlich auch noch einen Blutspritzer am Arm, dessen Herkunft ich mit überhaupt nicht erklären konnte. Ziemlich angeekelt und eingeklemmt zwischen Mongolen bangte ich sehr langen 14 Stunden bis Zamyn Uud entgegen. Die Stimmung schien nicht gerade besonders freundlich uns gegenüber, zu mal ein Abteil weiter Iren (die, die wir am Vortag am Bahnhof getroffen hatten) saßen, die lautstark einen harten Kampf um ihre Plätze fochten und dabei auf eine uneinsichtige englischsprechende Mongolen trafen. Diese vertrat klar die Meinung, dass Touristen nicht in diese Wagenkategorie gehören und man hier eben, ob reservierter Platz oder nicht, alles teilt.
Im Laufe der Fahrt gab es immer wieder Bahnhöfe, an welchen Menschen aus- und zustiegen; die Fahrgäste die von Anfang bis Ende, also Ulan Bator bis Zamyn Uud, mitfuhren, war überschaubar. Die Zahl der Fahrgäste insgesamt aber schien nach und nach zuzunehmen. Eingepfärcht mit den anderen und der schlechten Stimmung leid, versuchte Pablo dem Ganzen eine postive Wendung zu geben. Ein junger Mongole ordnete auf seinem Handy Bilder - alle schienen Sportler zu zeigen; Basketballer um genau zu sein... Besser noch: Dirk Novitzky - ein Deutscher. Zwei mal den Namen sagen, erklären das man genau wie Dirk Deutscher ist und ein Einstieg war gemacht. Der Basketball-Fan war Student der "Bibelwissenschaften" (meinte er einfach Theologie?), Christ, und auf dem Weg von der Uni zu seinen Eltern. Den anderen Reisenden entging nicht (wie auch), dass wir uns unterhielten - das Eis schien zu schmelzen. Anders bei den Iren im Nachbar-Abschnitt: Nachdem sie sich vom Streit zurückgezogen und auf die zwei oberen Liegen zurückgezogen hatten, wurden sie nur unsanft darauf aufmerksam gemacht, dass diese nicht dauerhaft zu belegen seien, sondern nur für kurze Zeit zum Erholen (vom Sitzen) zu nutzen sind. Wir waren hin- und hergrissen zwischen vermitteln und unseren eigenen Ruf nicht verderben, auch die Mongolen gaben uns gemischte Signale ("macht doch was" und "nicht einmischen"). Da auch von den Mongolen keiner wie ein König reiste, hatten wir nur diesen Rat: gebt die Idee der Platzkarte auf, macht was sie sagen, sitzt die Zeit ab, nehmt die Erfahrung mit - das war auch ziemlich die Devise nach der wir die Fahrt ab Minute 15 bewältigten. Die Mongolen in unserem Abschnitt waren nun klar auf unserer Seite, das Eis gebrochen - mittels internationaler Zeichensprache vermittelten sie uns "die da: verrückt, ihr: ok". Sehr gut - die Mühe hatte sich also gelohnt. Der Hintern tat trotzdem weh.
Gegen 20 Uhr stieg ein munterer Haufen ein. Mit dabei ein (wie wir später erfahren sollten) 50-jähriger Schäfer mit 1000 eigenen Tieren, der, auf der Gitarre einer anderen Reisenden, Lieder anstimmte. Immer wieder redete er kontinuierlich auf mongolisch auf uns ein - erst als ein junger Mogole aus dem Nachbarabschnitt mit seinem Englisch (wo war es als wir noch bangten?) als Dolmetscher einsprang kam ein Informationsfluss in Gang. In einer bidirektionalen Frage-Antwort-Runde wurden Ehestand, Bartfarbe, finanzielle Verhältnisse sowie einige Stereotype genauso abgehandelt wie Herdengröße, durschnittliches mongolisches Heiratsalter (18), Kinderanzahl (3-5), und die Aussichtslosigkeit nach dem Studium des Automobil-Ingenieurwesens einen Arbeitsplatz in der Mongolei zu finden. Ein Abend wie wir ihn uns intensiver nicht hätten wünschen können - wenn nur die Enge nicht gewesen wäre. Zu Spitzenzeiten waren wir in einem Abschnitt, in dem z.B. im Zug der von St. Petersburg nach Moskau maximal 9 Leute (3 pro Bank) fahren, 18 Erwachsene und ein Kleinkind - das Limit war absolut erreicht; selbst für die Mongolen schien es eine Ausnahmesituation zu sein.
Einige Fahrgästen äußerten (der Übersetzer war gegangen, aber wir fanden unsere Wege der Kommunikation) die Hoffnung, dass es ab ca. 2 Uhr morgens (die Ankunft sollte gegen 8 Uhr morgens sein) leerer werden sollte, dies bestätigte sich jedoch nicht. Vielmehr übernahmen die zugestiegenen reiferen Damen direkt das Kommando unseres Wagenabschnittes. Sie machten lautstark klar, dass auch sie nicht einsehen wollten, dass die Reservierungen so gar nichts bedeuten sollen. Nach einigen sinnlosen Minuten streiten sackten aber auch sie kraftlos auf ihre wenigen Zentimeter Bank. Zwei hinterließen mit ihrem gegifte jedoch genug Eindruck um direkt die aktuellen Nutzer der Liegeflächen (darunter Petra) zu verdrängen und so - wider dem Komfort-Niveau dieser Zugfahrt - direkt vom Bahnsteig ins Bett zu fallen. Angetrieben von diesem Erfolg erklärte eine weitere das Gepäckfach unter der Decke zum Bett. Einziges Problem: einer unserer Rucksäcke und ein Berg Kisten, die dort oben ganz gut untergebracht war. Irgendwie fand sie die Unterstützung der Mehrheit, und so wanderten unsere Rucksäcke zusammen auf eine Ablagefläche und die Kisten auf den Fußboden. Ihr Komfort wurde getauscht gegen den aller anderen - erst mussten alle helfen das Gepäck neu zu sortieren und dann konnte man nicht einmal mehr die Beine am Boden bewegen. Nun war es nur noch absitzen - um 07:30 war die schlimmste (vorerst?) Zugfahrt unseres Lebens beendet, Zamiir Uud erreicht. Den Kulturschock "Mongolei" erlebten wir also bei der Ausreise.
Da wir es damit erst bis zur Grenzstadt auf mongolischer Seite geschafft hatten, galt es nun ein Transportmittel über die Grenze zu finden, da laufen nicht erlaubt sein soll. Die uns bekannten Iren, zusammen mit einigen Spaniern, die wohl auch noch im Zug waren, stiegen sofort in den ersten Geländewagen, die en masse vor dem Bahnhof bereit standen, und fuhren mit der Information 30 USD pro Wagen ab. Da wir Hunger hatten, uns das Ganze zu sehr nach Touristenfalle aussah, beschlossen wir, es langsam anzugehen. Nachdem wir die Hälfte unserer verbleibenden Tugrug in Kekse und Joghurt umgewandelt hatten, aßen wir in einer gut besuchten Kneipe, so wie alle, jeder eine Riesenportion Reisgricht zum Frühstück - die lange Zugfahrt hatte nicht nur auf unseren Biorythmus ihre Wirkung gehabt.
Frisch gestärkt machten wir unseren eigenen Anlauf ein Vehikel über die Grenze zu besorgen. Nach einigen vergeblichen Minuten Herumstehen und mehreren Angeboten zu 80 RMB (ca. 9 EUR) pro Person fanden wir unser Fahrzeug: Ein alter russischer Geländewagen, zwei engagierte Chaufferinnen und ein Preis von 50 RMB pro Person, der auf Nachfrage auf 16 USD (11,50 EUR) für uns zusammen umgerechnet wurde. Zwar mussten wir uns auf der Dreier-Rückbank zu viert gemütlich machen, aber wir hatten das Gefühl ein Geschäft gemacht zu haben. Zügig ging es bis zur mongolischen Ausreisekontrolle. Die Schlange bestand aus mindestens 30 Fahrzeugen von ausschließlich Geländewagen, daneben eine weitere für Autobusse. Nur schrittweise ging es auf der Asphaltstraße voran, die Geländewagen mit ihren schweren Dieselmotoren erwiesen sich als denkbar ungeeignet.
Irgendwann war es geschafft, sowohl die mongolische Ausreisekontrolle als auch die chinesische Einreisekontrolle (zwei getrennte Male aussteigen) erwiesen sich als harmlos. An der chinesischen Grenze durften wir mittels eines kleinen Gerätes sogar die Schalterbeamtin bewerten, die unsere Einreise in den Pass stempelte - alles sehr unkompliziert, ledeglich die lange Wartezeit (insgesamt gut 3 Stunden) war störend. Unsere Fahrerinnen fuhren uns letztlich auf den zentralen Platz von Erenhot, der ersten Stadt auf chinesischer Seite. Ohne Reiseführer oder Vorbuchung für eine Unterkunft, und da keine Touristeninformation zu sehen war, liefen wir direkt los und fragten am erstbesten Hotel nach dem Preis: 70 RMB (8 EUR) für ein Doppelzimmer mit echter Toilette und Dusche - gebucht. Nachmittags um 15 Uhr gingen wir erstmal direkt ins Bett um uns von unserer Zugfahrt zu erholen. Auf einem Abendspaziergang orientierten wir uns in der Stadt, machten den Busbahnhof dank eines netten Taxifahrers aus (um 18 Uhr schon Totenstille und kein offener Schalter in der Halle), schauten einige schrullige Läden an, und aßen zum ersten Mal seit langem wieder Junkfood, in einer chinesischen McDonald's-Kopie, genannt Dico's.
Am nächsten Tag machten wir uns direkt auf, den Bahnhof zu finden, um die Preise von Bus und Bahn Richtung Datong vergleichen zu können. Schnell fanden wir Gleise und Bahnhof, auch den Fahrkartenschalten. Dank Chinesisch-App auf dem iPod kannten wir die Symbole für Datong und sahen auf einer Tafel einen Zug dahin verzeichnet (10:36). Die Fachkraft hinter einer Glasfront verneinte jedoch dessen Existenz (ausschließlich auf Chinesisch) und verwies uns höflich aber bestimmt auf den Bus. Ob es wirklich keinen Zug gibt, wir nur keine Tickets kaufen dürfen, und was er gekostet hätte: wir wissen es nicht. Am Busbahnhof hatten wir mehr Glück: für 120 RMB pro Person verkaufte uns eine ebenfalls nicht Englisch sprechende junge Dame zwei Fahrkarten für den Bus nach Datong.
Anschließend, auf der Suche nach etwas zu essen, trafen wir in einem Restaurant (eigentlich das falsche Wort) auf zwei Finnen, die wir bereits aus Ulan Bator kannten, die eben mit der selben Zug-Jeep-Kombination angereist waren. Sie berichteten, dass sie für den Zug im "hard sleeper" (einfacher Schlafwagen) 30'000 MNT, also das dreifache wir wir für den Sitzplatz, bezahlt hatten. Dafür hatten sie eine ganze Liege für sich und wohl auch eine gute Nachtruhe. Auch ihre Grenzüberquerung im Geländewagen war mit 20'000 MNT (ca. 11,20 EUR) pro Person fast doppelt so teuer wie die unsere. Ob wir wieder das Sammelabteil buchen würden und das Geld sparen: Eher nicht - die Fahrt könnte eine erholsame Nacht für der Einreise nach und Weiterreise in China sein; nach dem Sammelabteil braucht man einen Tag Erholung. Bei der Grenzquerung mit dem Auto lohnt es sich herumzufragen. Preisunterschiede sind vorhanden, und der Unterschied in der gebotenen Leistung scheint überschaubar: alle stehen in der gleichen Warteschlange.
Erenhot selbst ist seltsam anzuschauen. Die ganze Stadt wirkt wie eine Fassade, in der nur manchmal ein bisschen Leben steckt. Unsere erste Assoziation ging in Richtung spanischer Baukunst: breite Fußgängerwege, die komplett mit Marmor geflastert sind, winzige Baumflächen, groszügige und mediterane Häuserfronten mit vielen Ladenfronten. Der Kontrast dazu: überall chinesisch und dazu immer gleich auch noch die Bezeichnung des Ladens auf kyrillisch und alt-mongolisch, denn, in der Stadt wimmelt es nur so von Mongolen. Auch in unserem Hotel wohnen nur Mongolen und als wir in der Stadt essen waren, wurden wir auch von Mongolen begrüßt und ein mongolischer Vodka wurde herumgereicht. Allein der sowjetische Bruderkuss, der Pablo dann schon fast drohte, passte nicht ganz ins Bild. Bei unserem Einkauf für die Busfahrt am nächsten Tag waren wir dann sogar die Attraktion. Eine ältere Dame lief uns mit ihrer Handykamera lange hinterher und konnte gar nicht fassen, dass wir uns dort im Laden befanden. Und gleich fünf Minuten später zückte ein junges Mädchen ihr Handy. Leider hatten wir ausnahmsweise kein Aufnahmegerät dabei, aber beim nächsten Mal gibt es ganz klar einen Konter.
PS: Wir können überraschenderweise problemlos zu Flickr hochladen, die Ergebnisse aber nicht selbst sehen/prüfen - Kommentare zu Problemen erwünscht.
Fakten
- Bahnfahrt von Ulan Ude nach Zamyn Uud:
- Platzkarte: 10'600 MNT, Erfahrung: Unbezahlbar (s.o.)
- Hard Sleeper: ca. 30'000 MNT
- Über die Grenze
- Jeep: von 10 USD bis 30 USD pro Person ist alles möglich
- Dauer: zwischen 3 und 4 Stunden
- Straßengebühr auf mongolischer Seite: 1'000 MNT oder 1 USD pro Person
- Gebühr auf chinesischer Seite: 5 RMB oder 1 USD pro Person
- Internet in Erenhot
- Läden mit zwei kleinen Pinguinen
- 30 min für 3 RMB
- Pass muss vorgelegt werden und wird gescannt
- Es gibt ein freies WLAN am Busbahnhof (welch Ironie)