23.11.2011 Wandern am Gelben Fluss bei Qikou: Unterschied zwischen den Versionen
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Aktuelle Version vom 17. Juli 2013, 10:00 Uhr
Einsame Bergdörfer - Preisverhandlungen auf Chinesisch - Schlafen in Höhle - Terassen so weit man schauen kann - Schmierseifenwege auf Lehmbergen - Zelten zwischen Gräbern
Früh am Morgen, weder mit richtig heißen Kaffee noch mit einem Bissen Frühstück, ging es am 19. November schon um 6:30 mit der Rikscha vom Harmony Hostel in Pingyao zum Busbahnhof. Der bereits vereinbarte Preis von 10 RMB für die Fahrt wurde kurzerhand auf 15 RMB erhöht, da der ursprüngliche Fahrer nicht so früh aufstehen wollte und nun Ersatz für ihn einspringen musste. An sich können wir das gut nachvollziehen, aber die spontanen Preiserhöhungen, von denen man dann nicht zurücktreten kann, sind uns nicht geheuer. Am Busbahnhof gab es dann gleich die nächste Überraschung: der Bus um 7:30 fährt nicht, erst der um 8:30. Zeit also für ein trockenes Gebäckteilchen in der kalten Wartehalle. Dann plötzlich kam doch wieder Bewegung in die Sache und wir sollten in einen Bus einsteigen, der vor dem Bahnhof stand und nicht wie alle anderen hinten auf dem Parkplatz. Für 35 RMB pro Person bekamen wir vom Fahrer eine Fahrkarte und nach einer kurzen Wartezeit ging es los. Aber nicht wie erwartet bis Lichí sondern nur einmal um den Häuserblock um dann dort in einer Einfahrt auf den tatsächlichen Überlandbus zu warten, in den wir dann schnell umsteigen sollten. Mit diesem Bus erreichten wir, nach fast zwei Stunden Fahrt, unsere Umsteigestadt Lichí. Laut Lonely Planet sollten wir anschließend mit dem Stadtbus Nummer 1 zum westlichen Busbahnhof fahren, von wo regelmäßig Busse nach Qikou, unserem Zielort, abfahren. Umgeben von einer Traube wetteifernder Taxifahrer suchten wir erfolglos nach dem Stadtbus und jeder, der scheinbar Hilfe anbot, hatte plötzlich einen Autoschlüssel in der Hand und verwieß auf sein Auto, mit dem er uns für entsprechendes Entgeld zu unserem Wunschziel fahren könne. Nur verraten, wie wir zum Westbahnhof mit den Öffentlichen kommen, das wollte uns keiner. Schließlich brachen wir ein und stiegen zu einer Frau und ihrem Mann in einen kleinen Bus und willigten ein, zu dritt 15 RMB für die Fahrt zu zahlen. Nur, wie sich schnell heraustellte, wussten die beiden selbst nicht, wo der Westbahnhof liegt und so fuhren sie ein bisschen in der Gegend rum und ignorierten unsere Versuche auf chinesisch die Worte "Westen", "Bus" und "Bahnhof" aneinanderzureihen. Schließlich fragten sie andere Passanten nach dem Weg und glücklicherweise fand sich einer, der Englisch sprach und unser Begehr den beiden Fahrern vortrug, wodraufhin eine andere Frau den Weg wusste. Endlich an der Straßenecke, die den Busbahnhof anscheinend ausmacht, angekommen, suchte uns die Fahrerin noch den richtigen Bus und unerhofft schnell saßen wir dann endlich im Bus nach Qikou.
Auf dem Weg nach Qikou, ca. 1 1/2 h Busfahrt für 17 RMB, bekamen wir einen ersten Eindruck von den Bergen, die komplett zu Terassen umgearbeitet wurden und auf denen sich Feld an Feld an Dorf reiht. In Qikou selbst machten wir zunächst einen kleinen Ortsrundgang rauf zum Tempel, bevor wir bei einem Garzelt ein leckeres Nudelgericht (für 6 RMB) verspeisten. Während wir stilecht die Nudeln schlürften, wurden wieder einmal unsere Rucksäcke bestaunt, angehoben und unsere Kraft bewundert (oder war es ein Zeichen, dass wir das unmöglich stemmen können und ganz dringend ein Taxi brauchen?). Die Angebote zur Übernachtung in Qikou lehnten wir dankend ab und machten uns dann zu Fuß, nach Anleitung im Lonely Planet, auf in Richtung Lǐjiāshān. Erst über die Brücke, dann entlang der Straße bis zu einem Abzweig, der rauf in die Berge führt. Bereits nach einer Stunde ist man in Lǐjiāshān, einem winzigen Ort mit überwiegend Höhlenbauten, angekommen, jedenfalls nehmen wir das an, da nirgends ein Schild (weder auf Chinesisch noch auf Englisch) zu finden war. Aber natürlich gab es gleich winkende Leute, die ihre Unterkunft mit stolz poliertem goldenem Schildchen ("Shanxi International Travel Service Co. Ltd.") einer Reiseagentur im Hof anpreisen. Während der Amerikaner gleich das Angebot annahm, wollten wir uns erst weiter nach einem Zeltplatz umschauen. Das war jedoch leider gar nicht zu einfach, da man quasi immer auf dem Dach einer Höhle oder auf einem Feld stand. Ein Stück außerhalb des Ortes trafen wir auf eine Frau, die von ihrem Feld eine Zwiebelart erntete. Obwohl wir eigentlich nach einem Zeltplatz fragen wollten, ließ sie sich gar nicht beirren und bot uns immer wieder einen Schlafplatz mit Essen bei sich an. Jedoch war die Frage nach dem Preis schwer zu beantworten. Wir verstanden weder ihr chinesisch, noch ihre Zeichensprache und erst als wir die Zeichen für die Zahlen in Mandarin aufmalten, fanden wir heraus, dass sie genauso viel verlangte, wie die einzige Höhlenpension im Ort, in der der Amerikaner abgestiegen war. Bei so viel Unsicherheiten bei der Verständigung über einen Preis, ist auch ein Verhandeln nicht möglich, da es immer so verstanden wird, als wenn man den Preis nicht richtig verstanden hat. Hungrig und auch ein bisschen entnervt von der Gesamtsituation gaben wir schließlich nach und folgten unserer Gastgeberin auf den Hof, wobei wir schon befürchteten, dass sie uns wieder zur Pension bringen wird. Stattdessen landeten wir jedoch auf einem authentischen Hof mit fünf Höhlen, Seitengebäuden und allerhand aufgereihtem Gemüse und Datteln zum Trocknen. Wir bekamen die Höhle des inzwischen ausgezogenen Sohns, der scheinbar andernorts als Polizist arbeitet. Zwar machten die Schrankwände in dem schlauchförmigen Zimmer keinen rustikalen und ursprünglichen Eindruck, jedoch hofften wir auf ein leckeres und typisches Abendessen. Unser Warten wurde dann auch reichlich belohnt und es gab eine riesige Portion frische Nudeln mit verschiedenen Gemüsebeilagen. Alles sehr lecker, was wir auch versuchten auf chinesisch zu artikulieren, was uns jedoch nur einen ungläubigen Blick ihrerseits einbrachte.
Lǐjiāshān wird im Lonely Planet als das Paradies abseits der touristischen Ballungszentren angepriesen. Und tatsächlich waren wir, zusammen mit dem Amerikaner und einer Gruppe junger Chinesen (eventuell Architekturstudenten), die die Höfe vermaßen, die einzigen Fremdlinge. Jedoch wurden wir nicht so bestaunt, was die regelmäßige Anwesenheit von Touristen vermuten lässt. Laut Lonely Planet lebten in dem 550 Jahre alten Ort einst mehr als 600 Familien in Höhlen, heute sind es jedoch nur noch um die 40. Wobei man sich die Höhlen nicht wie im natürlichen Sinn vorstellen darf. Zwar sind die Räume in den Berg hineingebaut, jedoch setzt sich ein Hof aus mehrern dieser Räume zusammen und davor gibt es eine Terasse, auf der Obst und Gemüse gelagert und getrocknet werden kann. Auch haben wir keine verzweigten Höhlensysteme gesehen. Die Räume scheinen maximal acht Meter gerade in den Berg zu gehen und der Raum verjüngt sich nicht nach hinten. Der Eingang besteht aus mehr oder weniger kunstvollen Holzverstrebungen, deren Öffnungen mit Papier zugeklebt sind. In der Höhle gibt es immer einen großflächigen Steinpodest, der sowohl als Bett als auch als Arbeitsfläche dient. Direkt daneben steht der gemauerte Ofen, von dem Rohre im Sockel des Bettes verlaufen, die die Liegefläche angenehm wärmen. Das Klo ist natürlich in einem kleinen Häuschen außerhalb und man kann sich glücklich schätzen, wenn die Wände bis zur Brust (stehend) reichen. Aber andererseits hat der Hausherr ansonsten auch vom Klo aus immer einen Überblick über die Geschehnisse auf dem Hof. In unsere Höhle gab es übrigens Strom und fließend Wasser und es ist sicher ein Abenteuer für den Hostel- und Hotelschläfer, aber das absolut Ursprüngliche scheint auch hier an die Annehmlichkeiten der Zivilisation (wie man sie bspw. in den Jurten der Mongolei stellenweise noch nicht findet) bereits verloren. Sucht man eine Unterkunft, dann einfach zu dem Haus mit dem großen roten Banner gehen. Hofft man auf offene Türen und ein Bett gegen kulturellen Ausstausch, so zahlt man auch bei anderen Bewohner des Ortes den Preis, wie er scheinbar gemeinschaftlich festgelegt wurde - was sich jedoch auch irgendwie nachvollziehen lässt. Die Bewohner von Lǐjiāshān scheinen überwiegend von den Erzeugnissen ihrer Felder zu leben und von ein paar kleinen Schafherden und freuen sich somit sicher über jeden zusätzlichen Yuan.
Obwohl auch das Frühstück wieder ausgezeichnet und lecker war, hielten wir an unserem ursprünglichen Ziel, Wandern in China, fest, und zogen aus um mit unserem Zelt und Fertignudeln weiterzuwandern und uns kostenfrei die nächsten zwei Tage durchzuschlagen. Auf Trampelpfaden und betonierten Straßen ging es entlang der Terassen mit Gemüsefeldern und Dattelbäumen zum nächsten Ort, immer wieder mit Blick auf den Gelben Fluss und Qikou. In Hörweite, aber nicht sichtbar, eines Ortes, verbrachten wir auf einer scheinbar ungenutzten Terasse den Nachmittag in der Sonne und schlugen abends unser Zelt auf. Kaum war die Sonne weg, wurde es wieder kalt (immerhin nicht so kalt wie in der Mongolei) und wir verkrochen uns beizeiten ins Zelt. Nach einer ruhigen Nacht, warteten wir am nächsten Morgen bis die Sonne unser Zelt trocknete und machten uns dann weiter auf den Weg in Richtung Qikou um Abends in der Nähe zu zelten. Wieder ging es entlang der Terassen und immer mehr wurde sichtbar, dass kaum ein Quadratmeter der Berge ungenutzt oder überhaupt noch natürlich war. Wir liefen quasi auf riesigen glitschigen Lehmbergen (teilweise lief es sich wie auf Schmierseife), die komplett zu mannshohen Terassen umgearbeitet wurden. Ein faszinierender aber auch gleichzeitig erschreckender Anblick, der Bewunderung für die Bewohner der Region abringt. Für die Gewinnung ihres Wohnraumes graben sie Höhlen, so dass jede noch so winzige halbwegs gerade Fläche für den Anbau von Lebensmitteln genutzt werden kann. Durch die menschliche Umgestaltung der Berge fordert die Natur aber wiederum ihren Tribut und teilweise sind ganze Terassen weggebrochen oder mitten im Feld befindet sich plötzlich ein tiefes, ausgespültes Loch. Lediglich sehr steile Hänge und einige Klippen waren ungenutzt und dann auch nicht passierbar - einmal mussten wir Rucksäcke abseilen weil eine Passage gar zu sehr einer Schlitterbahn ähnelte als einem Weg. Dies machte auch die abendliche Suche nach einem Zeltplatz nicht einfacher. Ein Bauer, den wir nach einem Zeltplatz fragten, verstand scheinbar noch nicht einmal unser Anliegen (Konzept Zelt unbekannt) und verwies auf Qikou, wo es ein Hotel gibt. Auf einem Terassenacker, abgewand von der Straße, aber in unmittelbarer Nähe eines Grabes, fanden wir ein Hauch von Grün, wo wir bei einbrechender Dämmerung unser Zelt gut versteckt aufschlugen - Rotlicht war angesagt. Auch an diesem Abend war für kulturelle Unterhaltung gesorgt. Während wir schon tagsüber immer wieder Böller und Musik (Trommeln und Flöten, eventuell Schamanen) hörten, sahen wir Abends ein richtiges Feuerwerk und lauschten der Musik (von traditionell bis modern) aus dem nächsten Ort. Ob das alles auf Grund eines Festes statt fand oder ob es immer so ist, wissen wir leider nicht.
Am nächsten Morgen, an dem wir kaum weiter als 20 Meter sehen konnten, ging es schon früh runter nach Qikou zum Bus. Mit ein paar noch warmen Gebäckteilchen warteten wir kurz und entschieden uns dann für den Bus, in den die meisten Leute eingestiegen waren. Auf halber Strecke mussten wir dann jedoch mitten auf der Strasse (quasi von Trittbrett zu Trittbrett) in einen anderen Bus umsteigen, der uns dann bis nach Lichí fuhr. Dort angekommen gab es erstmal wieder eine leckere Nudelsuppe und ein paar Dampfknödel in einer Garküche auf offener Straße (toi, toi, toi, dass wir uns noch nicht die Mägen verdorben haben!) bei einem sehr erfreuten und engagierten Pärchen, zum Kampfpreis von 15 RMB für alles zusammen. Leider war die Weiterfahrt zum zentralen Busbahnhof wieder nicht so einfach und den Anweisungen des Lonely Planet konnten wir nicht ganz folgen. Erst ein leidlich englisch sprechender Passant konnte uns nach einigem Umherirren weiterhelfen. Rückblickend wären wir sicher auch vom Westbahnhof in Richtung Taiyuan gekommen, da dort ein Überlandbus kurz anhielt und andere Reisende zustiegen. Wir kauften jedoch, mit Hilfe einer (bedenkt man, dass sie für genau diese Aufgabe vorhanden war) schlecht englisch sprechenden Busmitarbeiterin unser Ticket am Schalter des großen Busbahnhofes und wurden dann von ihr persönlich bis in unseren Bus gebracht, der glücklicherweise innerhalb von 30 Minuten abfuhr. Auch in Taiyuan half uns dann wieder ein überaus eifriger Passant und zeigte uns den Stadtbus vom Busbahnhof zum Bahnhof (Linie 689?), wo wir gute drei Stunden auf die Abfahrt unseres Zuges nach Beijing unter genauerster Beobachtung zahlloser Chinesen in der Wartehalle warteten - aber nur ein Foto diesmal. Auf der Suche nach Essbarem kauften wir zwischendurch in einem riesigen, dreistöckigen Spar ein und aßen einen Burger bei McDonalds (was preislich frustrierend ist, wenn man für die Hälfte des Preises eine leckere vollwertige Nudelsuppe bekommen kann).
Die Zugfahrt selbst verlief dann, wie zu erwarten, unkompliziert und ordentlich. Lediglich, dass wir Schlafplätze in getrennten Bereichen (eine Wand zwischen uns) hatten, war nicht so schön (Merke: die niedrigere Zahl muss ungerade sein), und der Platz direkt am Ausgang des Waggons zu den Toiletten und dem Raucherbereich ist ebenfalls unpraktisch (Merke: Ideal sind wohl Reihen zwischen 8 und 16). Ein Gemisch aus Toiletten- und Zigarettengestank ließ sich auch bei verschlossener Tür nicht verleugnen. Und an die Geräusch, wenn der Chinese (immerhin) in den Mülleimer spuckt, können wir uns auch nicht gewöhnen. Trotzdem kamen wir halbwegs ausgeschlafen am nächsten Morgen um kurz nach 8 in Beijing an und machten uns auf die Suche nach unserem Hostel.
Inhaltsverzeichnis
Videos
Karten
Fakten
- Busfahrt von Pingyao nach Lichí (7:30, 8:30, 12:00) kostet 36 RMB pro Person, Gepäck inklusive.
- Busfahrt von Lichí (Westbahnhof) nach Qikou (stündlich?) kostet 17 RMB pro Person, Gepäck inklusive.
- Busfahrt von Lichí nach Taiyuan kostet 70 RMB pro Person, Gepäck inklusive.
- Zugticket (Hard Sleeper, unterstes Bett) von Taiyuan nach Beijing kostet 149 RMB.
- Eine Höhle in Lǐjiāshān kostet 50 RMB pro Person inklusive (in unserem Fall absolut geldwertem) Abendessen und Frühstück, 20 RMB ohne Essen.