12.04.2012 Phnom Penh - schwere Geschichte: Unterschied zwischen den Versionen

Aus RTW

(wikisyntax)
(Cats added)
Zeile 37: Zeile 37:
 
* [http://www.imdb.com/title/tt0087553/ ''The Killing Fields'' (1984)]
 
* [http://www.imdb.com/title/tt0087553/ ''The Killing Fields'' (1984)]
  
{{RTWblog|April|2012|Kambodscha}}
+
{{RTWblog|April|2012|Kambodscha|Geschichte}}

Version vom 20. Juli 2012, 05:24 Uhr

Rote Khmer: S21, Killing Fields - geocaching - Königspalast - wieder zu zweit

Unser Aufenthalt in Phnom Penh war geprägt von der kambodschanischen Vergangenheit. In der Hauptstadt Kambodschas, mit heute rund 2 Mio. Einwohnern, kann man deutlich den religiösen Ursprung der Stadt sehen, einige Villen aus der französischen Kolonialzeit, sowie Zeugen der Schreckensherrschaft der Roten Khmer (Khmer Rouge).

"Einmal in die Hölle und zurück", so lässt sich die Geschichte Phnom Penhs zusammenfassen. Erst 1866 wurde die Stadt unter französischer Macht ausgebaut und zur Hauptstadt, in die der König seinen Sitz verlegen musste. Während des zweiten Indochina-Krieges erhielt die Stadt einen raschen Zuwachs, da viele Bauern vor den Bombardierungen durch die USA und Übergriffe durch den Vietcong nach Phnom Penh flüchteten. Unter den Roten Khmer (1975 bis 1979) wurde die Stadt dann nahezu komplett entvölkert, mit dem Ziel einen kommunistischen Bauernstaat zu erschaffen. So scheinbar elementare Dinge wie Bargeld, Schuldbildung und Krankenhäuser wurden abgeschafft. Bis zu 2 Mio. Einwohner wurden in das Umland zwangsumgesiedelt, wo viele durch die schwere körperliche Arbeit und mangelhafte Ernährung, auch ausgelöst durch ihre mangelnde Erfahrung in der Landwirtschaft, ums Leben kamen. Nur 20 000 Menschen, überwiegend Parteifunktionäre, blieben in der Stadt. Erst so wird ansatzweise nachvollziehbar, wie z.B. die Vorgänge im Tuol Sleng Foltergefängnis, das s.g. S21, einem vormaligen Schulgelände, heute mitten in der Stadt, nahezu unbemerkt bleiben konnten. In vier Jahren wurden dort bis zu 14 000 Menschen, Intellektuelle und vermeintliche Staatsfeinde, in teilweise winzigen zwei Quadratmeter kleinen Zellen inhaftiert und von den 1 720 Angestellten gefoltert bis sie fiktive Verbrechen zugaben oder an den Folgen der Folter starben. Von allen Opfern gab es nur sieben Überlebende, die neben einigen Toten, bei der Befreiung durch vietnamesische Truppen, in den Zellen angekettet aufgefunden wurden. Starben die Insassen, nicht selten ganze Familien, nicht schon während der Folter, wurden sie zu den Killing Fields, einige Kilometer vor Phnom Penh, gebracht.

Die Gebäude des S21 sind nahezu so erhalten, wie sie von den flüchtenden Roten Khmer hinterlassen wurden. In den Massenzellen werden heute Fotografien der Insassen, Männer, Frauen, Kinder und sogar Babys, gezeigt, die während ihrer Einlieferung und bei ihrem Tod aufgenommen wurden. Darüberhinaus kann man sich einige Portraits von Opfern und Tätern durchlesen und erfährt, dass aus einem Täter damals auch schnell ein Opfer wurde.

Auf dem Gebiet bei Choeung Ek, das wohl bekannteste von über 300 Killing Fields im ganzen Land, wo wir mit Rädern hin fuhren, wurden schätzungsweise 17 000 Menschen umgebracht und in Massengräbern verscharrt. Zu lauter Propagandamusik, um die Schreie der Sterbenden zu übertönen, wurden die Gefangenen, aus Kostengründen, mit Schaufeln und Landwirtschaftsgeräten aller Art erschlagen, oder ihnen wurden mit (wirklich scharf zackigen) Palmenblättern die Kehlen durchgeschnitten. Babys wurden einfach gegen Bäume geschlagen, bevor sie bei ihren Müttern in der Grube landeten. Einige der Massengräber wurden in den letzten Jahren geöffnet und die Leichen exhumiert. Die Schädel der Toten fanden ihre letzte Ruhe in einer großen Gedenkstupa nahe den Gräbern. Es gibt noch zahlreiche ungeöffnete Gräber und während der Regenzeit werden noch immer Knochen, Zähne und Kleidungsstücke freigespült, die von den Mitarbeitern der Gedenkstätte eingesammelt werden. Eine sehr gute Audioführung, in vielen Sprachen verfügbar, leitet über das Gelände, worin sowohl Opfer als auch Täter zu Wort kommen.

Während einige Personen des Führungskaders der Roten Khmer von einem eigens gegründeten Roten-Khmer-Tribunal (Außerordentliche Kammern an den Gerichten von Kambodscha in Zusammenarbeit mit den Vereinten Nationen), darunter Duch, der Leiter des S21, zu lebenslanger Haft verurteilt wurden, lebte Pol Pot, der Führer der Partei bis zu seinem Tod 1998 "nur" unter Hausarrest, dazu verurteilt wurde er erst 1997. Für seine Taten, die er selbst in einem Interview kurz vor seinem Tod als Fehler aus Mangel an Erfahrung bezeichnete, wurde er nie zur Rechenschaft gezogen. In einem Schauprozess, veranstaltet von der pro-vietnamesischen Regierung, wurde er zwar bereits 1979 unter Abwesenheit zum Tode verurteilt, jedoch nie inhaftiert. Schlimmer noch, als er 1982 zusammen mit anderen nicht-kommunistischen Parteien und dem König eine Exil-Regierung gründete, wurde diese von den Vereinten Nationen anerkannt - im Gegensatz zu der Regierung, die von den Vietnamesen nach der Befreiung, in der sie der Schreckensherrschaft ein Ende bereiteten, eingesetzt wurde. Auch das ist eine Konsequenz des Kalten Krieges: die im "Vietnamkrieg" siegreichen kommunistischen Nordvietnamesen sollten im Westen in keinem Fall mit etwas Positivem assoziiert werden - und koste es die Existenz einer gesamten Nation.

Die Herrschaft der Roten Khmer hat bis zu zwei Mio. Menschen das Leben gekostet. Es wurden ¾ der Lehrer umgebracht und nur 50 Ärzte überlebten. Die nahezu komplette Vernichtung der Intellektuellen kombiniert mit den unrealistischen landwirtschaftlichen Reformen begünstigten einen großen Bildungsmangel und haben eine Armut ins Land gebracht, die bis heute noch nicht wieder überwunden werden konnten. Die Schreckenszeit ist gerade knappe 30 Jahre her und es gibt noch eine Generation, die selbst davon berichten kann und in der der jeder Angehörige und Freunde verloren hat. Doch weiß man um die große Anzahl von Menschen, die es gebraucht hat um den Genozid aufrecht zu erhalten, bleibt die Frage, wie oft steht man einem ungestraften Henker gegenüber? Kein allgegenwärtiger Gedanke auf der Reise durchs Land, doch bei der verständlichen Dominanz des Themas, eine ab und zu wiederkehrende, sehr befremdliche Frage.

Nach so viel trauriger und schockierender Geschichte, von der wir zugegebener Maßen nur sehr wenig wussten, musste erstmal ein wenig Aufheiterung her und so machten wir uns auf um unseren ersten Geocache zu suchen, den wir einige Kilometer entfernt von Choeung Ek, versteckt in einem Baum schnell fanden. Hoch motiviert ging es dann gleich zurück nach Phnom Penh zum buddhistischen Kloster Prochum Sakor, wo wir tatsächlich die angekündigten Affen sahen und einen zweiten Geocache fanden. Zum Abschluss des Tages ließen wir uns ein leckeres Abendessen schmecken, was aber auch leider das letzte Abendessen mit Susi war.

Am Tag von Susis Abflug gab es noch einmal kurz ein bisschen Kultur zum Abschluss, den Königspalast. Schicke und repräsentative Gebäude mit jedoch etwas angestaubten Ausstellungen, mit Fotografien und Kostümen. Vom aktuellen Leben und schaffen des Königs, schließlich ist Kambodscha eine konstitutionelle Monarchie, erfährt man aber bedauerlicherweise nichts.

Und dann war es soweit. Nach sechs Wochen gemeinsamer Zeit in Vietnam und Kambodscha musste Susi zurück nach Deutschland. Ein letztes Mal feines kambodschanisches Essen, eine letzte TukTuk-Fahrt zum Flughafen, Winken zum Abschied und wir waren wieder zu zweit. Ein seltsames Gefühl, zumal wir wieder ohne Plan vor unserer Weiterreise standen. Nur eines war klar, wir wollten zum kambodschanischen Neujahr, Chaul Chnam Thmey, raus aus Phnom Penh und uns einen kleinen ruhigen Ort suchen, da wir den gleichen Wahn erwarteten, wie in China zum Neujahr.

Karten

Fakten

  • Eintritt Tuol-Sleng Gefängnis, S21, für 2 USD p.P.
  • Fahrradverleih, z.B. vom Mad Monkey Guesthouse, für 1 USD pro Rad und Tag
  • Spieße, typisches Studentenessen in den Abendstunden, zu günstigen Preisen auf der Pasteur Street (#5) Ecke Sokun Meanbon (#178), nahe Doun Phen High School. Probieren: frittiertes Honigbrot
  • sehr gutes/günstiges Restaurant mit Khmer-Essen (nicht nur für Touristen) Pasteur Street (#5) Ecke Senei Vinnavat Oum (#254), nahe der kanadischen/australischen Botschaft
  • Eintritt Königspalast 5 USD p.P.
  • TukTuk zum Flughafen für 6-7 USD

Weiterführende Literatur


Alle Blog-Einträge