09.11.2012 Wanderung Namche - Tumlingtar: Unterschied zwischen den Versionen
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Version vom 5. August 2013, 18:27 Uhr
Einsame Wege - schlafen, wie Träger - Pässe, die in die Beine gingen - Zivilisationsschock
In diesem dritten und letzten Artikel berichten wir von unserer Wanderung zurück in die Zivilisation von Namche nach Tumlingtar - ein Weg, der uns die Menschen Nepals nahe gebracht hat und uns Bewunderung für ihre Lebensweise beigebracht hat.
Inhaltsverzeichnis
- 1 30.10. Ruhetag Namche
- 2 31.10. Namche - Chaurikharka
- 3 01.11. Chaurikharka - Karthe
- 4 02.11. Karthe - Gaikharka
- 5 03.11. Gaikharka - Gudel
- 6 04.11. Gudel - Sanam
- 7 05.11. Sanam - Phedi
- 8 06.11. Phedi - Chalise
- 9 07.11. Chalise - Tumlingtar
- 10 08.11. Tumlingtar - Kathmandu
- 11 Videos
- 12 Karten
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30.10. Ruhetag Namche
Unseren Ruhetag in Namche nutzten wir, nach den vergangenen kräftezehrenden Tagen, zunächst einmal um auszuschlafen. Standesgemäß waren wir in ein wahres Luxuszimmer der Kala Patthar Lodge gezogen - es gab ein richtiges Bett mit Bettzeugs, Teppich, Nachttischlampen und Strom! Gezahlt haben wir nicht viel mehr als sonst, da es das letzte Zimmer und eine halbe Baustelle war: hinter der Badtür ging noch nichts. Leider währte der Luxus nicht lange und am nächsten Morgen mussten wir wieder ausziehen, da das Zimmer bereits ausgebucht war. Wir zogen, auf Empfehlung anderer, in die Thamserku View Lodge - ebenfalls mit schicken Zimmern aber etwas anstrengenden Gastgebern. Als wir dort nicht zum Mittag erschienen, drohte uns die Dame mit Rauswurf, den wir gerade so abwenden konnten, indem wir uns verpflichtend für das Abendessen anmeldeten. Was es dann jedoch lecker und stilecht in der Küche, fast am Herd, gab.
Nach der Nacht in gepflegter Umgebung, fielen uns unsere Anziehsachen erst recht unangenehm auf. Buchstäblich seit Wochen wurden sie nicht mehr gewaschen und entsprechend unattraktiv präsentierten sich Socken und Co. Eine kurze Visite beim Waschsalon (ja, es gibt dort oben Waschmaschinen), entschieden wir uns ob des Preises für den traditionellen Waschgang. Bewaffnet mit Seife und Bürste hockten wir uns zu den nepalesischen Frauen an die gemauerten Waschbecken am Ortseingang und wuschen unsere Wäsche im querenden Fluss - mit etwas schlechtem Gewissen, wir hatten keine biologisch abbaubare Seife in Kathmandu finden können, obgleich die anderen Wäscher natürlich natürlich nicht von derlei Luxusproblemen geplagt wurden.
Der Abschied von der hohen Bergwelt nahte und so kam die Idee auf, noch ein Souvenier einzukaufen - allerdings nicht irgend eines, sondern Ohrringe, die wir auf dem Weg nach oben Richtung Tengboche vor 14 Tagen gesehen hatten. Und so gingen wir am Nachmittag in kurzen Hosen und Flipflops abermals die Trekkingautobahn hinauf. Ohne Rucksack und gut akklimatisiert, zogen wir mühelos an den anderen Wanderern, noch auf ihrem Aufstieg Richtung Everest, vorbei, und so manchen ungläubigen Blick, für unsere Leichtfüßigkeit, auf uns. Mit im Gepäck hatten wir Grüße des (ersten) Kanadier-Paares für die Wirtin der Thamserku Lodge, deren umfangreiches Souvenierangebot uns wärmstens empfohlen wurde. Als wir ankamen war diese gerade dabei sich ein paar Bratkartoffeln schmecken zu lassen und auf die frohe Kunde über die Kanadier ("was, die sind immer noch in Namche") hielt sie uns immer wieder ihren Teller für Kostproben hin. Die Sonne schien warm und die Berge waren wolkenfrei - Kaffee und Kuchen sollten es anschließend sein, statt zwei Tassen kam eine ganze French Press voller leckerem heißen Bohnenkaffee - waren wir im Paradies angekommen? Wir fühlten uns ein wenig privilegiert, fast Familie. Die Ohrringe samt passenden Anhänger waren noch da, und in unserer Selbstzufriedenheit über die vergangenen Tage, war die Stimmung nicht nach Handeln. Verdammt teuer waren sie, aber verdient. Ganz so sah die Nepalesin das wohl aber nicht. Offensicht selbst geschockt von ihrem Coup, griff sie immer wieder mit beiden Händen in ihren Souvenierstand und legte noch diese und jene Schrulligkeit "als Geschenk" mit dazu. Am Ende hatten wir zwei Sachen gekauft und zehn dazubekommen. Selbst das Kaffeetrinken war fast kostenfrei. Autsch, da wäre wohl viel Verhandlungsspielraum gewesen.
Diesmal ließen wir uns die Laune aber nicht verderben. Nach der Verabschiedung mussten wir uns sputen. Wir hatten weder warme Sachen noch Stirnlampen mit und konnten nicht in die Dunkelheit geraten, die in diesen Breiten nur mit kurzer Dämmerung warnt. Schweinsgalopp geht in Flipflops nicht gut und so eilten wir barfuß die Sandpiste hinab, zurück nach Namche, zurück in die Zivilisation. Um noch ein paar moralische Unterstützer in Form von Schokoladenriegel für die bevorstehenden Tage einkaufen zu können, versuchten wir uns am Geldautomaten des Ortes und staunten nicht schlecht, als dieser tatsächlich frische, unbenutzte, Geldscheine ausspuckte. Es klang, als wären sie just in diesem Augeblick gedruckt worden, dauerte so lange und roch auch so - doch die Scheine wurden überall akzeptiert, wir waren wieder flüssig und bereit für die Wanderung nach Tumlingtar.
31.10. Namche - Chaurikharka
Das erste Stück unseres Rückweges folgten wir zunächst altbekannten Pfaden. Etwas wehmütig nahmen wir Abschied von Namche, der Trekkinghauptstadt des Himalayas, meldeten uns beim Polizeiposten kurz nach dem Ort ab, d.h. versuchten es aber es hieß nur "schon ok", und grüßten den Everest ein letztes Mal vom View Point.
In Monjo fragten wir an der Grenze des Nationalparkes (oder Polizei unterhalb Namche?), ob wir uns aus der Liste der Wanderer austragen sollten, aber man versicherte uns, dass das nicht nötig wäre. Es gibt also wirklich keine vollständige Liste der anwesenden Touristen in diesem Gebiet, bzw. die Möglichkeit zu prüfen, wer nicht zurückgekommen ist.
Wir hatten noch einen Freundschaftsdienst zu erledigen. Die Familie, der wir in Gokyo geholfen hatten, hatte auf ihrem Weg dorthin, in einem Gasthaus in Benkar, unterhalb von Namche, einige Sache deponiert, die sie beim Abstieg wieder abholen wollten, wozu es aber nie kam. Wir hatten versprochen diese teilweise mitzunehmen und ihnen zukommen zu lassen. In Benkar angekommen nutzten wir den Zwangsstopp für eine ausgedehnte Mittagspause in der Sonne bevor wir weiter durch Phakding abstiegen. Ohne festes Ziel für den Abend liefen wir soweit wie möglich und entschieden uns bei Einbruch der Dämmerung für die Tourist Lodge (sherpadw@hotmail.com, 9803914886) in Chaurikharka (ca. 2600m). Mit uns waren in diesem großen Gasthaus nur eine kleine deutsche Familie und so war es, kurz nach dem Abzweig von der Touristenautobahn Lukla-Namche, erstmalig wieder ein sehr ruhiger Abend, an dem es dann auch schnell ins Bett ging.
01.11. Chaurikharka - Karthe
Wieder hieß es für diesen Tag: Soweit die Füße tragen. Wir wussten nicht genau wie weit wir kommen würden, nur, dass wir spätestens in Karthe den uns bekannten Weg verlassen würden. Da wir ohne vorgeplante Tagesetappen oder Tourenbeschreibung waren, galt es nun also wieder täglich so viele Kilometer zu schaffen wie möglich. Im Eiltempo ging es, unterhalb vorbei an Lukla (wir haben es somit nie gesehen), runter nach Surke und dann wieder steil und holprig hinauf zum Kari La. Noch während wir uns fragten, wie die Mulis immer diese rutschigen und beinbrecherischen Pfade überleben, trafen wir auf eine kleine Kolonne, die gerade um ein Lastentier ärmer geworden war. Das abgestürtze arme Muli lag ein Stück unterhalb des Weges mit gebrochener Hüfte und es blieb den Begleitern keine andere Wahl, als es von seinem Leid zu erlösen. Ein Stück weiter kamen uns schon Herren mit leeren Körben und verdächtig blutigen Messern entgegen - die Kunde hatte sich wohl schon verbreitet.
Da wir noch unsicher waren, ob wir über einen Pass (so erzählte es uns ein Guide in Namche) den Weg nach Panggom abkürzen könnten, fragten wir während unserer Mittagspause in Paiya die nepalesischen Begleiter einer Gruppe Engländer um Rat. Es stellte sich zwar heraus, dass sie, von Lukla kommend und Richtung Mera Peak gehend erstmal den gleichen Weg vor sich, jedoch wenig Ahnung von der Strecke hatten. Die Existenz unserer Variante, über Karthe, war ihnen unbekannt, laut unserer Karte jedoch die einzig existierende; ihre konnten sie uns nicht weiter beschreiben. Bis Karthe kannten wir den Weg, hatten beim Anmarsch bis dort jedoch keinen Abzweig in Erinnerung, der uns auf einen Pass bringen würde. Ein weiterer Nepalese bestätigte jedoch unsere Variante und so setzten wir uns als Ziel für die Nacht Karthe um dann ab dem nächsten Tag neue Wege beschreiten zu können.
Gegen 16 Uhr fragten wir erneut bei einem alleinstehenden Haus (2450m) kurz nach Karthe (mit ein, zwei Teehäusern) nach dem Abzweig Richtung Panggom und auch gleich nach einem Bett für die Nacht. Wir hatten Glück und der Sohn des Hauses vermittelte uns sein altes Kinderzimmer, wobei es sich eher um zwei Betten auf einem riesigen kargen Dachboden handelte, in dessen Ecken lediglich ein kleiner Schreibtisch und bunte Plakate an Kinder denken ließen. Zum Abendbrot ließen wir uns, wie nahezu immer, ein leckeres Dal Bhat (leider ohne Dal) schmecken, erfreuten uns am authentischen Flair, bedauerten jedoch, dass kaum eine Kommunikation möglich war. Immerhin erfuhren wir mit Zeichensprache, dass sie schon sehr lange an dieser Stelle wohnten, lange genug, um auch beim Durchmarsch von Sir Edmund Hillary und Tenzing Norgey 1953 dabei gewesen zu sein. Als wir schon langsam Richtung Bett gingen, hielt noch eine große Muli-Herde vor unserem Haus und wir sahen zu, wie die Mulis entladen wurden und die Treiber in den großen Raum unter unserem Dachboden zogen. Als der Schnaps jedoch das Essen ablöste lagen wir bereits im Bett und waren gespannt, was der nächste Tag bringen sollte.
02.11. Karthe - Gaikharka
Am Morgen, nach einer gewissenhaften, aber überraschend günstigen Aufrechnung unserer Übernachtungs- und Essenskosten durch den sehr betagten Hausherren, machten wir uns nach einer Nudelsuppe auf die Suche nach dem Abzweig der uns endlich in neue Gefilde bringen sollte. Wir fanden ihn kurz unterhalb des Hauses nahe eines Baches und folgten ihm erst ein Stück durch den Wald und dann über Wiesen bis wir wieder bei Häusern umgeben von Feldern ankamen. Spätestens hier waren wir uns sicher, dass es "den" Weg nicht gab und wir uns mehr oder weniger Richtung Panggom durchhangeln mussten. Es gelang durch eine Kulturlandschaft auf zahlreichen ausgetretenen Pfaden, immer etwas bergan und entlang des Berghanges, durch Flüsse und Wald, immer wieder mit kurzen Blick auf das große Kharikhola unter uns. Als endlich erste Mani-Wände auftauchten, waren wir erleichertert und endlich sicher, dass der Weg nicht versanden und Panggom bald auftauchen würde.
Das wir tatsächlich auf dem richtigen Weg waren, bewies ein kurzers Treffen mit der Gruppe, mit deren nepalesischen Guides wir am Vortag noch den Streckenverlauf diskutiert hatten. Irgendwie waren sie über einen Pass gekommen und trafen nun auf unseren Weg. Obwohl sie etwas zerrupft aussahen, schritten sie zügig voran. Klar, die schweren Rucksäcke folgten auf den Rücken der Träger. Wir kamen nur wenig später in dem winzigen Ort Panggom (2850m) an und hielten Ausschau nach einem frühen und schnellen Mittagessen. Wir bestellten Tee und fragten nach Tsampa Porridge, ein traditionelles Gericht aus gerösteter und gemahlener Hirse. Vor uns stand dann bald eine Schüssel mit staubtrockenem Tsampa-Mehl und wir schauten etwas hilflos hinein. Zum Glück half ein Nepalese und schnell ward uns geholfen und das uns bekannte Porridge (Tsampa verrührt mit Milch und Wasser) kam dampfend zurück - nur, dass dies den erfragten Preis verdoppelt hat, damit hatten wir nicht gerechnet. Dafür durften wir das Mittag der Träger verkosten: zu einem riesigen brotteigähnlichem Ball (lokaler Name war so schnell vergessen wie sie ihn aussprachen) geknetetes Tsampa mit einer undefinierbaren leckeren Soße. Schade, dass man das als Tourist sonst nicht bestellen kann.
Gut gefüllt begannen wir den finalen Angriff auf den Panggom La (3174m), den wir gegen 12:30 erreichten. Es war unser drittletzter Pass und so gönnten wir uns eines von vier Snickers, die wir noch in Namche gekauft hatten. Mit dem Pass verließen wir entgültig das touristischen Tal mit dem Dudh Koshi Fluss, der seinen Ursprung im Gokyo Tal hat und vor uns lag ein ruhiger, leicht bergab gehender Weg durch einen sonnig-warmen Wald. Je tiefer wir kamen, je wärmer wurde es - eine angenehme Wohltat nach der Kälte oberhalb von Namche. Nur einmal trafen wir an diesem Tag noch auf einen anderen Ausländer, einen Briten, der gemeinsam mit einem Träger gemütlich von Tumlingtar nach Jiri wanderte. Er erzählte uns von der Einsamkeit der Wege, der Freundlichkeit der Menschen und, dass er nach all den Wanderungen in den touristischen Gegenden nun seine Begeisterung für das ländliche Nepal entdeckt hat. Wir waren bereits auf dem besten Wege seiner Freude über das "unberührte" Nepal zuzustimmen.
In Sibuje/Chatuk (2502m) sahen wir zum lezten Mal die englische Gruppe, die den Mera Peak anstrebte. In einem Teehaus genossen sie die Nachmittagssonne und schienen ihr Tagesziel erreicht zu haben. Am nächsten Tag würden sie von unserem Weg abbiegen, wahrscheinlich kurz nach dem Surke La und weiter nach Norden gehen. Wir hielten nicht an (mit den Herren selbst haben wir kein einziges Wort gewechselt) und über kleine Hinterhöfe des kleinen Dorfes führte der Weg weiter nach Osten. Es ging immer weiter bergab und zum Schluss wurde es so steil, dass aus dem schnellen Schritt, mit dem wir uns anfangs noch recht flott vorwärtsbewegt hatten, ein schmerzhaftes Schleichen wurde. Wie über Stufen aus Stein und Wurzeln mussten wir, gefühlt senkrecht, den Berg in engen Serpentinen hinab und das immer mit der nächsten Bergwand fast greifbar nah vor Augen, wo wir wieder hinauf mussten. Fast 1200m ging es so hinab. Endlich unten am Fluss angekommen, lockte ein schickes kleines Teehaus, mit rot-weißen Karotischdecken und Blümchen auf den Tischen in der Sonne, zum Verbleib für die Nacht, doch da der bevorstehende Aufstieg zum Surke La sehr steil war, beschlossen wir abermals weiter zu gehen um den Anstieg in zwei Tage zu unterteilen. Mit bereits müden Beinen wackelten wir auf der Hängebrücke (1988m) über den Fluss Inkhu Khola und dann wieder steil bergan. Das GPS hatte uns ein paar Hütten in geringer Entfernung versprochen und dort hofften wir auf eine Unterkunft.
Kurz darauf standen wir mit heraushängender Zuge vor einem kleinen Haus (2265m), an dem immerhin ein Schild "Teashop" so etwas wie einen Laden versprach. Tatsächlich bot uns der Hausherr seinen Dachboden an, nachdem wir nirgends auf den terassierten Hängen einen geeigneten Platz für das Zelt finden konnten. Wir versprachen fleißig zu essen, und konnten so kostenfrei die Nacht auf einem improvisierten Lager verbringen, auf dem sonst wohl nur Nepalesen nächtigen. Zum Abendessen bekamen wir ein üppiges Dal Baht mit einem sehr leckerem Kartoffel-Curry, das deutlich zeigte, dass wir wieder in einer Gegend waren, wie wir sie aus der Nähe von Jiri kannten: große Portionen zu guten Preisen, die Zutaten oft aus eigener Herstellung. Nicht alles muss hier hergeschleppt werden. Dazu gab es ein bisschen von der Lebensgeschichte unseres Gastgebers, der Vater von fünf Kindern war. Die Ältesten gingen zur Schule in ein Internat einen Tagesmarsch entfernt und er kümmert sich gemeinsam mit seiner Frau um seinen kleinen Laden, die Felder drumherum, ein Pferd und ein paar Kühe. Er war sichtlich stolz auf das, was er bisher erreicht hatte und wir bewunderten unverholen sein Vermögen in dieser Gegend, weit ab von jeglicher Infrastruktur, zu leben. Ein kleine Urkunde an der Wand verriet, dass er noch einiges vor hatte und sich bereits in Betriebswirtschaft und Umgang mit Touristen hat schulen lassen (Wochenendseminar).
03.11. Gaikharka - Gudel
Der Tag begann, traditionell mit einer Instant-Nudelsuppe und der Abrechnung. Wir kauften noch winzige Packungen Kekse (5 NPR, rund 5 Euro Cent) und machten uns an den restlichen Aufstieg zum Surke La. Landschaftlich wunderschön ging es durch Wald und entlang von Bächen bis zum nächsten Dorf, welches scheinbar als Touristen-Stopp gedacht war. Auf einem Plateau lag das kleine Najingdingma (2690m), das fast nur aus Teehäusern bestand und diesmal wurden wir bei einer kurzen Verschnaufspause immer wieder gebeten für ein frühes Mittagessen einzukehren. Wir waren jedoch satt und der Pass schien uns nicht mehr weit. Und tatsächlich erreichten wir ihn um 10Uhr nach einem strammen Marsch in einer knappen Stunde und nicht in den von einer Dame im Dorf angedrohten zwei Stunden. Dafür belohnten wir uns oben auf dem Surka La (Sipki La, 3085m) mit einem kleinen Gebäckstück, dass eine Frau aus einem kleinen Hausholz verkaufte und mit einem weiteren Snickers. So weit ab von allem, ohne Wasser und Strom scheint es fast unrentabel, und wir fragten uns wer dort in dem kleinen Laden sein Geld lässt - Touristen wahrscheinlich eher sehr selten, und wenn dann nur so wenig, wie die Nepalesen (der niedrige Preis erschien uns gerademal hoch genug um ihre Unkosten zu decken).
Nach dem Pass ging es, selbstverständlich, bergab. Diesmal zum Glück etwas gemäßigt, erst auf einem wahren Musterbeispiel für einen Römerweg und dann auf einem breiten sandigen Weg. Bald lag ein sich weit öffnendes, sehr besiedeltes Tal vor uns, und wir meinten an dessem Ende unser Tagesziel zu sehen: Bung oder Gudel. Ein kanadisches Paar hatte regelrecht von der Schönheit dieser beiden Dörfern geschwärmt und eines davon als Übernachtungsort empfohlen. Nur welches, das wussten wir nicht mehr. Erstmal war es jedoch Zeit für ein Mittag und so suchten und fanden wir eine Lodge (Himalayan Lodge, 2540m, kurz vor Khiraule) mit fantastischen Blick über das Tal, so dass wir uns kurzentschlossen an dem einzigen Tisch vor dem Haus niederließen. Da jedoch niemand kam um unsere Bestellung anzunehmen und ein junges Mädchen nicht einmal Tee kochen wollte und bedeutete, dass Mama fort sei, griffen wir dann doch auf unsere Bestände zurück und bekochten uns selbst mit Instant-Nudeln und Haferflocken mit Kakao, nacheinander versteht sich. Danach gab es einen Kaffee - das alles bei schönstem Wetter und Ausblick, perfekter konnte es fast nicht sein.
Mit dicken Bäuchen nahmen wir den Abstieg nach Bung in Angriff. Gemäßigt ging es stetig bergab, doch die Anstrengung der letzten Tage, das fortwährende auf und ab, hatte mich müde gemacht und als dann noch das Mädchen, bereits wieder auf seinem Rückweg von Besorgungen, entgegenkam, welches mit uns oben gemeinsam gestartet war, zweifelte ich doch sehr an meinem Vorankommen. Wie bereits in den letzten drei Tagen, entschieden wir uns auch diesmal unser Nachtlager auf der anderen Talseite zu suchen, so dass wir wieder ein paar Höhenmeter auf dem Weg zum nächsten Pass vorab abarbeiten. Im Nachhinein gesehen, war diese Entscheidung diesmal nicht ganz so gut. Bung (ca. 1600m) selbst war sehr schick und überraschend "normal" - ein richtiges Dorf mit vielen bunten Häusern mit gepflegten Vorgärten, kleinen Shops, einer Post, einigen Gassen, vielen Menschen und sogar ein paar administrativen Gebäuden. Darunter auch das Büro in dem die Permits für das Betreten des Makalu Barun Nationalpark kontrolliert werden. Zwar verließen wir dieses Gebiet gerade und waren nur daran entlang geschrammt, wollten aber nicht riskieren nun dafür bezahlen zu müssen. Die Erfahrung hatte jedoch gezeigt, dass sie mit den Permits entspannt umgeht, wenn man nachweisen kann, dass man bereits für sein eigentliches Ziel, in unserem Fall den Sagarmatha Nationalpark, bezahlt hat und sich mehr oder weniger nur auf der An- bzw. Abreise befindet.
Wir gingen trotzdem schnell weiter bergab zum Fluß, jedes Teehaus und jeden Laden tapfer ignorierend. Es schien gerade Markttag gewesen zu sein, denn als wir nach einer kurzen Pause am Fluß Honggu Khola (1352m) unterhalb des Dorfes wieder starteten, taten wir das mit einer großen Gruppe schnatternder Frauen, die mit Säcken und Körben bepackt ebenfalls Richtung Gudel unterwegs waren. Ihnen folgten wir wieder steil bergan über neu angelegte, überraschend breite Wege und als sie sich wieder zu einer Pause niederließen, übernahmen wir die Führung und versuchten das Tempo hoch zu halten. Die Dunkelheit kam schnell näher und von Gudel war noch nicht viel zu sehen. Wir wählten einen Pfad entlang eines Flüsschens über einen, aus riesigen Steinplatten gelegten Weg (ein Rätsel wie sie das hier ohne Maschinen bewerkstelligt hatten), der uns immer höher brachte. Bald hatten uns die Nepalesen wieder ein, die sich quer über Felder sicher den einen oder anderen Meter gespart hatten. Sie versicherten uns, dass das Dorf bald kommen würde und es dort ein Teehaus gibt. Mit ihren Handys wollten sie uns den Weg ausleuchten, jedoch waren wir etwas langsamer unterwegs, so dass wir unsere eigenen Taschenlampen zückten. In totaler Finsternis, eine mondlose Nacht in einem Ort ohne Stromnetz, fragten wir uns zu einem Teehaus durch und waren sehr froh, als wir endlich unsere Rucksäcke abstellen konnten. Obwohl es erst 18Uhr war, war es dunkel und wir hatten nichts mehr von der angepriesenen Schönheit des Dorfes Gudel (1910m). Stattdessen bezogen wir einen kleinen, aber feinen Raum unterm Dach in einem hölzernen Anbau und bestellten schnell ein Dal Bhat beim Hausherren.
Gebracht wurden die dampfenden Teller von einer rundlichen Dame, die sich geräuschvoll ankündigte und in unsere Begeisterung über das Essen ebenfalls vor sich hin grunzend einstimmte. Obwohl wir ein recht üppiges Mittagessen hatte, schafften wir wieder zwei Nachschläge von Reis und Gemüse und dazu einen Liter Tee. Entsprechend voll konnten wir uns dann nur noch auf unsere Betten rollen und endlich die Beine lang machen. Es war ein langer Tag gewesen mit 15km und einer sichtbaren Annäherung an die Zivilisation, wie sie für uns Stadtmenschen aussieht. Aber es waren noch mindestens drei Tage bis Tumlingtar und somit bis zum Bus. Das viele auf und ab und die Höhenmeter, 1400m Aufstieg und 1700m Abstieg allein an diesem Tag, waren auf ihre eigene Art anstrengender als die kurzen Tagesetappen auf dem Weg zum Basislager des Everests, wo die dünne Luft mehr ihren Tribut gefordert hat als die tatsächlich zurückgelegten Kilometer und Höhen.
04.11. Gudel - Sanam
Und täglich grüßt das Murmeltier, in unseren Fall: die Instant-Nudelsuppe zum Frühstück. Diesmal jedoch vor dem Haus und erstmalig sahen wir Gudel in seiner ganzen malerischen Verstreutheit. Während Bung (an der gegenüberliegenden Talwand) ein recht kompaktes und offensichtliches Zentrum hatte, waren die Häuser in Gudel über den Hang verteilt und wir waren uns kurz unsicher, ob wir überhaupt schon im besagten Ort waren. Die Menschen erinnerten uns vom Aussehen schon ein bisschen an Inder, jedoch war alles so hübsch und sauber und ein großes Schild "Open Defication Free Area" (Notdurft darf nicht im Freien verrichtet werden), wischte jeden Zweifel beiseite.
Mit noch müden Knochen stand abermalig ein Abschnitt vom Kaliber des Vortages an, und wir machten uns ohne große Ziele auf den Weg, nutzen jede Ausrede für einen Fotostopp und trödelten etwas unsicher über den Weg (wahrscheinlich führen alle in dieser Richtung) nach Sanam (2850m), wohin wir für nur 8,5km und 900 Höhenmeter ganze 4 Stunden brauchten. Bei einer Schüssel Porridge in der Sonne vor der Gumba Lodge und einem Blick auf die Karte wurde klar, dass zum einen der letzte große Pass unserer Tour vor uns lag, und zum anderen die Versorgungslage dahinter nicht rosig aussah - diesen Abschnitt heute noch anzugehen wäre wenig sinnvoll; erst recht mit müden Beinen. Also verbrachten wir den Rest des Tages mit nackten Füßen in den warmen Wiesen des hochgelegenen Dörfchens, kochten (heimlich) selbst Mittag und bestellten beim Wirt ein Abendbrot. Auch die Zimmer waren sonnendurchflutet warm und sehr angenehm. Nett waren die Leute, aber als wir dann zusammen saßen, war der Anblick der Familie traurig: scheinbar jeder war Alkoholiker. Die Küche wird normalerweise nur von Frauen betrieben, hier, statt wie sonst stolz aufzutischen, schien es als würden sie sonst nie kochen, alle Familienmitglieder versuchten unbeholfen bei der Zubereitung zusammenzuarbeiten. Das Resultat war dürftig, aber vielleicht hatten so die Kinder durch unsere Anwesenheit wenigstens eine warme Mahlzeit bekommen.
05.11. Sanam - Phedi
Am nächsten Tag zeigte sich, dass die Entscheidung nicht direkt weiter zu gehen, richtig war. Der restliche Aufstieg zum Salpa Bhnjyang Pass (3352m) dauerte zwar nicht lang, war aber unerwartet hart. Erst ging es ein ganzes Stück bergab und dann, nach ein paar Häusern steil hinauf. Am tiefsten Punkt des Tales war es überraschend kalt und erster Frost auf den Blättern kündigte den bevorstehenden Winter schneller an, als uns lieb war. Es war so unglaublich kalt und schattig dort im Wald, dass wir uns über jeden Sonnenstrahl freuten und uns mit zügigen Schritten versuchten warm zu halten. Doch lange hielten wir das Tempo nicht durch. Immer wenn wir dachten, der Pass sei zum greifen nahe, kam noch eine Biegung und noch ein paar Stufen mehr. Auf halben Wege kam uns eine Gruppe Jungen entgegen, die leichtfüßig ihre schweren Körbe voll mit Schulzeugs trugen - wir schauten uns wohl gegenseitig etwas befremdlich an. Unser letzter Pass - der wollte hart erkämpft werden, und so erklärt sich dann auch wohl, dass wir oben, obwohl erst um 11 Uhr, unter den neugierigen Blicken eines Jungen, unseren Benzinkocher anwarfen und zünftig Mittag aßen, sowie die letzten beiden Snickers ihrem Bestimmungszweck zuführten. Der letzte große Pass unserer Tour war geschafft, von nun an ging es für nepalesische Verhältnisse bergab. Und davon reichlich.
Über einen endlosen, teilweise bewaldeten Rücken ging es durch Salpa, Thulo Phocte und einige kleine Siedlungen. Wider erwarten zeigte sich die ein oder andere Möglichkeit unterzukommen, und sogar erstmals wieder eine Handvoll Touristen, die sich gemüßigt sahen zu erwähnen, dass wir keinen Führer dabei hatten. Es gab wieder Lädchen und sogar eine Papiermanufaktur. Trotzdem war unsere Faszination groß für eine Familie, die zahlreich den Berg hochschleppte, was sie als ihren Wintervorrat bezeichneten - es war Anfang November. Gebinde aller Größen und Formen wurden hinaufgewuchtet, was wir fast entspannt und mit weitem Blick über deutlich niedrigere Landschaften in der Ferne über 1600 Höhenmeter weit abstiegen. Ähnlich eindrucksvoll das Handwerk eines anderen Mannes: In einer Pause beobachteten wir ihn, wie er zahlreiche junge Bambus schlug, zu zwei dicke Bündeln schnürte und sie sich an ein Hüftgestell band, mit dem er sie dann in beachtlicher Geschwindkeit den Berg hinab zog, um sie im Ort weiterzuverarbeiten. Der zum Schluss steiler werdende Abstieg endete im Dörfchen Phedi (1685m), wo wir wohl endgültig wieder im Tiefland angekommen waren. Das Dorf war vergleichsweise modern, die Läden waren zahlreich und hatten "alles", und die Lodgebetreiber griffen bei der Preisgestaltung in die Vollen. Erstmals gab es wieder Hühner und damit Eier, aber der Appetit auf die verging uns, als wir den Preis hörten - 1,50€ pro Stück schienen dem britischen "Abenteurer" der Nachbarunterkunft angemessen, aber für uns war die Grenze zwischen Entwicklungshilfe und Dreistigkeit überschritten: es gab, ebenfalls überteuerten, Reis mit einer dünnen Suppe. Unklar wie diese Leute vor sich selbst rechtfertigen auf der niedrigen Höhe Essen teurer zu verkaufen als in kaum zugänglichen, winzigen Dörfchen viel weiter oben. Da haben uns die Unterkünfte, die weniger "professionel" waren, viel besser gefallen.
06.11. Phedi - Chalise
Reine Fleißarbeit war der nächste Tag, den wir direkt ohne Abzocker-Frühstück angingen. Wir hatten noch genügend Vorräte im Rucksack um ein Dorf weiter nach dem Ortsausgang gemütlich an einem Fluss zu kochen - sehr zum Interesse der holzsammelnden Jugend, die uns aus den Augenwinkeln beobachteten, aber so taten als gäbe es uns nicht. Über zahlreiche Flüsse und abendteuerliche Bambusbrücken (das Material für die neuen Hängebrücken lag schon parat) ging es durch enge Täler von üppiger Vegetation. Satte Felder und fast tropisch klaustrophibische Wälder wechselnden sich ab. Es war schwül, obgleich fast Winter. Kurz vor Dhobhane trafen wir ein schweizer Paar (40+), welches in die Gegenrichtung unterwegs war. Ebenfalls ohne Führer unterwegs hatten sie weder gutes Kartenmaterial noch GPS dabei, wollten es aber bis Namche schaffen. Sie berichteten, dass sie auf der eigentlich zweitägigen Strecke von Tumlingtar bereits einen Tag und gutes Geld durch "Hilfe" von Ratgebern mit bösen Absichten verloren hatten, und wir beneideten sie weder für ihre Naivität, dass das Knie schon weh tat bevor es richtig losging, noch den anstehenden saftigen Aufstieg, von dem sie nichts wussten. Alter schützt offenbar von Planlosigkeit nicht - wir hoffen, sie sind heil geblieben.
Der Weg führte auf schmalsten Pfaden durch malerische Hirse-Felder (?) entlang von immer mächtiger werdenden Bächlein und Strömen, eine idyllische Landschaft, in der wir uns selbst fast fühlten, wie in der "Heimkehr"-Szene im Film Gladiator. In Gothe Bazar gab es nochmal Kekse zu nem fairen Preis, und Tipchaur, was auf unserer Karte als Zeltplatz eingezeichnet war, verfehlten wir in dem dichtbewachsenen Flusstal glatt (ist vermutlich nördlich über den Fluss). Immerhin kamen wir so an dem Tag noch viel weiter als gedacht, aber eben wiedermal in die Dämmerung. Mit dem wilden Zelten war es soweit unten und nah an größeren Dörfern scheinbar erstmal vorbei. Jedes bisschen grade Fläche war ein Feld und ansonsten gab es schon wieder richtigen Dschungel, in dem man fast kaum den Boden sah. Bei schwindendem Licht peitschten wir uns einen überraschend intensiven aber kurzen Anstieg aus dem Tal hinauf, zum Dorf Chalise (800m), wo wir einen Mann auf dem Feld ansprachen, der uns mit in sein Heim nahm.
Die kleine Familie war schnell vorgestellt, ihr Grundstück überschaubar. Ein zweistöckiges Lehmhaus, ein Raum pro Etage, jeweils 4 mal 4 Meter vielleicht. Ein Plastikrohr im Garten wird an einer Verbindungsstelle auseinandergezogen um Wasser zu entnehmen, ein Stück Seife im Matsch daneben dient der Hygiene, der Hausherr zeigt nicht ohne Stolz wie man sie richtig benutzt, und überwacht die Anwendung. Nach kurzem öffentlichem Bad saßen wir gemeinsam im Untergeschoss auf kissengepolstertem Lehmboden und beobachteten die Hausdame bei ihrer Küchenfertigkeit. Doch nicht nur kochen kann sie, spricht besser Englisch als ihr Mann und hat überraschend aufgeklärte Ansichten über Familienplanung, aber auch noch das Wissen und Geduld einmal im Monat den bescheidenen in der Ecke der Küche befindlichen Lehmofen komplett neu zu bauen. Im interessanten Gespräch, ab und an muss man ein Huhn verscheuchen, bereitete sie uns ein liebevoll angerichtetes Abendessen und serviert Essen in vielen Edelstahlschüsselchen, in Muster geschnittene Gurke, dazu das beste Limonen-Pickle, das wir je gegessen haben. Sogar unser Ei bekamen wir endlich. Wir unterhielten uns noch ungewöhnlich (aber natürlich für uns angenehm) lange und fühlten uns echt aufgenommen, wenn die Themen doch etwas beschränkt waren, da die Welten in denen wir leben doch zu unterschiedlich sind. Stolz zeigten uns die jungen Eltern das Schreibheft der kleinen fünfjährigen Tochter, in dem sie bereits englische Vokabeln schreibt. Als es ans zu Bett gehen ging, führte uns die Gastfreundschaft dann aber doch zu weit. Sie wollten uns ihr Schlafzimmer überlassen und selbst das Untergeschoss beziehen, was wir freundlich aber bestimmt ablehnten, und sie dann auch verstanden. Wir versicherten, dass wir in der Küche mit Isomatte und Schlafsack wunderbar schlafen würden können, aber sie hatten eine andere Idee. Von seinem letzten Gang nach Tumlingtar hatte der Hausherr etwas mitgebracht, was wir in dieser Gegend nicht erwartet hätten: ein gewaltiges Luftbett, wie man es bei uns vom Shopping-TV verkauft bekommt. Wir sollten es einweihen. Mühsam wurde es aufgepumpt bis die Küche fast ausgefüllt war und dann mit schweren "koreanischen" Decken dekoriert. Eigentlich ganz bequem, nur, dass am nächsten Morgen die Luft raus war. Aber auch dafür hatte die pfiffige Ehefrau schnell eine Lösung: das Rückschlagventil allein hält nicht dicht genug, man muss schon den Deckel zuschrauben, riet sie ihrem Mann für das nächste Mal.
07.11. Chalise - Tumlingtar
Noch vor dem Frühstück kam allerlei Verwandschaft und wollte uns sehen, gemeinsam machten wir viele Fotos und notierten die Adresse des Hauses (die Einfachheit der Postleitzahl ist wirklich eine tolle Erfindung). Unsicher ob wir die falsche Botschaft übermitteln rundeten wir beim Bezahlen mangels Wechselgeld trotzdem auf, gaben das Geld aber gern, bedeuteten jedoch, dass wir uns wünschen, dass es fair zwischen Mann und Frau geteilt wird, er es, auch wenn er nicht den Eindruck machte, nicht komplett in der Schänke lässt. Zum Abschied wies er uns ein Stück weit den richtigen Weg über unübersichtliche Feldpfade Richtung des nächsten Dorfes und wir bekamen beide einen fetten Schmatz auf die Wange und sollten das Versprechen ablegen von nun an monatlich zu schreiben - so häufig ist es aber nicht geworden.
Erstmals wieder zwischen Muli-Herden eingeklemmt ging es über alte Hohlwege durch immer dichter besiedeltes Gebiet, über einen letzten Anstieg und dann durch Gahate und Kattike hinab ins gewaltige Tal des Fluss Arun. Die Menschen wurden zahlreicher und langsam trieb wieder jeder offensichtlich Handel, nicht nur auf Nachfrage wie weiter oben. Während wir auf der Zielgerade (ja, es wurde langsam auch gerade) waren, kam uns ein junges Paar mit entschlossenem Schritt entgegen. Wir wollten schon Luft holen und einige Tipps mit auf den Weg geben, aber wir wurden konsequent ignoriert. Seltsam. In Jangbung überquerten wir endlich den mächtigen Fluss und waren somit auf der Zielgeraden. Der Weg war breit genug für Autos und so suchten wir im Staub nach den ersten Spuren und rätselten, was Motorad und was Fahrrad sein könnte.
Interessanterweise kamen uns ausgerechnet kurz vor der "Großstadt" Tumlingtar zwei Einheimische unabhängig von einander auf uns zu und erbaten sich medizinische Hilfe. Ein Mann hatte einen dick verschorfter Arm von, wie er berichtete, dem Kampf mit einem Stier, und ein altes Mütterchen hatte schlimm verbrannte Finger. Der Mann war auf dem besten Wege der natürlicher Heilung, sein Schorf war trocken und der Arm darunter schon fast wieder ganz; nix zu machen, ein paar gute Worte mussten reichen. Die alte Frau hingegen konnte Hilfe gebrauchen. Offenbar hatte sie ihre Hand in siedendes Öl getaucht und dabei alle Fingerkuppen schlimm ramponiert. Als einzige Kur musste feuchter Schlamm her, den sie darauf geschmiert hatte - sicher nicht die schlechteste Improvisation - allerdings waren auch diese Wunden nicht frisch und der Schlamm inzwischen schön verkrustet. Die Wunden fachgerecht zu säubern hätte bedeutet, sie anschließend auch lange versorgen zu müssen. So weit möglich erklärten wir ihr die Wunden selbst sauber (vom Schlamm mal abgesehen) und trocken zu halten und zu warten bis sich feine Haut gebildet hatte, erst dann die Nivea, die wir ihr aus unserem Rucksack "verschrieben", anzuwenden. Sie war sehr dankbar, wir fühlten uns etwas schlecht für so oberflächliche Hilfe, waren aber konsterniert, dass sogar hier, so weit unten, selbst so einfache Probleme nicht von einem System aufgefangen werden. Muss ja kein Krankenhaus sein, einfache Nachbarschaftshilfe hätte schon gelangt - aber dafür fehlte wohl eine Kernzutat: Bildung.
Ein Stück weiter sprach und ein Mädchen an. Sie entpuppte sich als kindliche Angestellte eines Hotels in Tumlingar und ihre Absicht war klar, wir sollten bei ihr im Haus schlafen. Sie zeigt uns einen Fußweg direkt am Fluss entlang, eine bequemere Alternative zum holprig gepflasterten Weg weiter oben. Immer wieder wollte sie uns festlegen, was wir denn zum Abendbrot möchten, doch es war früh und wir wollten erstmal ankommen. Gegen 16 Uhr waren wir durch große Hitze endlich in Tumlingtar (400m). Das Hotel des Mädchens lag jedoch am Ortsrand weit vom Zentrum entfernt. Wir hatten vor noch an diesem Tage unsere Abfahrt zu organisieren, und da die Busse von solchen Orten meist sehr früh abfahren erschien uns die dezentrale Lage des Hotels unpraktisch - wir entschuldigten uns und gingen weiter bis ins Ortszentrum direkt am Flughafen... oder sagen wir Landepiste.
Wir hatten es geschafft. Nach 32 Tagen und ca. 350km waren wir glücklich über das Erlebte, aber auch müde und froh zurück in einer Gegend zu sein, in der es außer zu Fuß auch noch anders voran ging. Wir hörten erstmalig wieder das Brummen von Jeeps und Bussen und waren froh darüber und zugleich genervt. Ein junger Mann war die letzten Meter zum Ort mit uns gegangen und er versprach Hilfe beim Kauf der Bustickets und bei der Suche nach einem günstigen Zimmer. Beides klappte so recht nicht. Zwar zeigte uns er uns den Platz, von dem die Busse und Sammel-Jeeps abfuhren, doch Tickets gab es keine. Und den Preis, der uns für ein schreckliches fensterloses und feuchtes Zimmer geannt wurde, schien sogar ihn zu überraschen (obwohl er selbst sicher bedeutend weniger zahlte).
Da zogen wir lieber in ein schickes helles, etwas zugiges Zimmer eines Touristenhostels und wagten uns anschließend unter die eiskalte Dusche - die erste nach einer gefühlten Ewigkeit! Wie neugeboren spazierten wir noch eine Runde über die einzigste Straße des Ortes und bestaunten die Auslagen der Geschäfte, die wieder weit mehr als nur Nahrungsmittel hatten. Ein seltsames Gefühl war es schon, wieder zurück zu sein im normalen Leben. Irgendwie gut, aber auch ein bisschen mit Wehmut verbunden. Froh war auch eine deutsche Gruppe, die von Tumlingtar aus eine lange Rundwanderung (rund 20 Tage) zum Makalu durchgeführt hatte und nun ausgelassen in dem Gästehaus feierte, in dem auch wir untergekommen waren. Erst konnten wir das Gefeilsche über die Bezahlung der Leistungszuschläge beobachten und dann wie die sechs Gäste mit ihren neun Trägern (drei weitere waren während der Tour krank geworden, berichtete man), fünf Mann Küchenpersonal, und zwei Sherpa-Führer es zu indischer Pop-Musik und Selbstgebrautem so richtig krachen ließen.
08.11. Tumlingtar - Kathmandu
An diesem Morgen ging es schon sehr früh los. Etwas aufgeregt, packten wir zum letzten Mal unsere Wanderrucksäcke und schlichen uns noch in der Dunkelheit leise aus dem Hostel um zu 6Uhr am Bus zu sein. Obwohl es im restlichen Dorf noch sehr ruhig war, tobte am "Busbahnhof" schon das Leben, es gab Tee, Menschen standen herum und immerzu ließen die Sammel-Jeeps ihre Motoren aufheulen. Sie warben heftig für die letzten freien Plätze kurz bevor der Bus kam. Die Verlockung war groß, da die Jeeps wesentlich schneller waren als der Bus, doch hofften wir auf einen fairen Preis im Bus und auf einen eigenen Sitzplatz, den man sich nicht mit jemanden anderen Teilen muss. Wir trafen auch den jungen Mann vom Vorabend, der dann jedoch mit einem Taxi-Ticket in der Hand da stand. Wir vermuteten sogleich, dass es doch keinen Bus gibt und wir nun ebenfalls auf einen Jeep aufspringen müssten, doch sein Vater hatte ihn zur Abfahrt begleitet und ihm scheinbar eine luxuriösere Fahrt zurück zum Studium spendiert. Auch wir kamen in den Genuss der Spendierfreudigkeit des Vaters und wurden auf einen Tee eingeladen um die Wartezeit in der Kälte des Morgens etwas angenehmer zu gestalten.
Wir erstanden zwei Tickets an einem kleinen Holzhäuschen und als der Bus endlich mit reichlich Verspätung auf den Platz rollte, war klar, dass es eine sehr lange Fahrt werden würde. Der Bus war bereits ausgesprochen voll und Sitzplätze gab es keine mehr. Erst als wir bereits eine ganze Weile sehr langsam auf ausgewaschenen Straßen geholpert waren und Leute an einsamen Stellen ein- und ausstiegen, bekamen wir getrennte Plätze zugewiesen. Die Erleichterung darüber war jedoch nur von kurzer Dauer, bis ein sehr altes Männchen einstieg, für das niemand aufstehen wollte. Gleich beim ersten Anfahren viel er nach hinten um, so dass ich meinen Sitz wieder frei machte und über die Ignoranz der anderen Insassen nur staunen konnte. Irgendwie hätte ich mehr Respekt für das Alter erwartet. Und so ging es etliche Stunden weiter, in denen wir uns quälend langsam über endlose Serpentinen hinauf und hinab bewegten, immer wieder sitzend und stehend. Es dauerte fast den ganzen Tag um die knapp 200km nach Dharan zu kommen, wo wir in einen Bus nach Kathmandu umsteigen konnten.
Mit Dharan war es dann auch entgültig vorbei mit der romantischen Vorstellung von einsamen Bergdörfern in malerischer Umgebung. Es war laut, voll, heiß und chaotisch, Autos und Menschen überall - die "normale" Welt hatte uns wieder. Dank eines jungen Mannes fanden wir ein Busunternehmen, von dem bald ein Bus nach Kathmandu abfuhr und zu dritt hatten wir einen guten Hebel um einen guten Preis auszuhandeln. Interesssant zu sehen, dass auch die Einheimischen um Fahrpreise feilschen müssen. Wir erstanden noch ein paar Bananen und dann ging es auch schon weiter in Richtung Hauptstadt.
Von einer erholsamen Fahrt kann man nicht schreiben, es war ausgesprochen holprig und an Schlaf war wenig zu denken. Obwohl es nur knappe 500km waren, dauerte es eine halbe Ewigkeit und entsprechend erschöpft kamen wir in Kathmandu an. Mit dem GPS versuchten wir eine Idee zu bekommen, wo der Bus hinfuhr. Doch unsere Hoffnung, dass er den Busbahnhof anpeilen würde, ging leider nicht in Erfüllung. Wir fuhren auf einer großen Straße weit entfernt vom Zentrum herum und als wir schon nervös auf den Sitzen umherrutschten, rat uns ein Mitfahrer einfach auszusteigen. Dichter als zu dem Zeitpunkt würden wir nicht an Thamel herankommen. Kurz darauf standen wir auch schon in der vormittäglichen Hitze an der stauben Straße und wenig begeistert sahen wir auf dem GPS, dass wir noch rund fünf Kilometer von unserem Hostel entfernt waren. Wie uns empfohlen wurde, liefen wir erstmal in die richtige Richtung los um in den ruhigeren Gassen ein Taxi zu finden, dass wir mit unserem Erscheinen überraschen konnten und nicht umgekehrt. Wir liefen und liefen und nach vier Wochen in der Natur, war es in den Straßen Kathmandus ein wahrer Zivilisationsschock. Ein Taxi musste her, das Laufen viel so unendlich viel mehr schwerer als in der schönen ruhigen Bergwelt.
Zurück im Hotel Potala gönnten wir uns ein Luxuszimmer mit eigenem Bad. Wir duschten ausgiebig, lagen auf den Betten und schauten Fernsehen... es war vorbei. Das wohl größte, aber auf jeden Fall höchste Abenteuer auf unserer Weltreise hatte ein Ende gefunden. Noch war es nicht schlimm aber jetzt beim Schreiben darüber, gut ein halbes Jahr später, schmerzt es ein wenig und das Fernweh nach dieser wunderbaren Welt, weit ab von Luxus und Konsum, wächst wieder. Nur gut, dass das kleine Nepal zu Fuß dann doch endlos groß ist.
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