04.12.2011 Wandern auf der Chinesischen Mauer (Gubeikou - Jinshanling)

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Anreise nach Gubeikou - Panlongshan-Mauer - Schlafen im Wachturm - Blauer Himmel bei Jinshanling - Preisverhandlung im Bus nach Peking

Nach viel zu langen 7 Tagen lassen wir die Großstadt Peking hinter uns und lenken den Fokus wieder, etwas ab von der Kultur, auf das uns eigentlich Wichtige: Wandern in der freien Natur. Dank großzügiger Investitionen der Chinesen während längst vergangener Generationen ist es uns zum Glück möglich beides, Natur und Kultur(-geschichte) hervorragend unter einen Hut zu bringen... wir wollen auf der Großen Mauer wandern. Für den Hinterkopf sei angemerkt, dass es auch hier Anfang Dezember nicht eben kuschelig warm draußen ist (tagsüber um den Gefrierpunkt) und dies bei der Planung dieses Abschnittes eine nicht unwichtige Rolle spielt. Wandern ist dem Durchschnittschinesen (noch?) nicht als freiwillige Freizeitbeschäftigung bekannt, ein Netz von Hütten oder günstigen Herbergen für Wandersleut um die chinesische Mauer existiert nicht. An seiner Stelle findet man allenthalben Menschen, die scheinbar ihre Hilfe anbietend, ihre Bemühungen schnell verebben lassen, wenn sie merken, dass man nicht der spendable 14-Tage-Tourist ist. Wir wollen aber, wie bisher, den Gürtel eng halten und versuchen mit Blick aufs Budget zu Reisen - Peking war in dieser Hinsicht sicher kein weise gewähltes Ziel, und auch in den nur unweit entfernt liegenden Mauerabschnitten ist die Zahl der angebotenen Dienstleistungen mit eher chinauntypischen Preis-Leistungsverhältnis (um nicht zu sagen "überteuert") hoch. Bleibt also wieder das Übernachten im Freien als günstige Option... nur ob das auf/an der Mauer funktioniert?

Am Donnerstag, dem 01. Dezember, machten wir uns auf, um einen touristisch eher weniger erschlossenen Mauerabschnitt im Norden von Peking, nahe Gubeikou, zu erkunden. Von hier aus existieren viele, mehr oder minder intakte, Kilometer Mauer sowohl nach Ost als auch West. Inspiriert durch bekannte Fotografien der Mauer im Sonnenuntergang nahmen wir uns vor, so weit wir Lust haben, der Mauer folgend nach Osten, in Richtung Pazifik, zu wandern. Mit dem Bus ging es von Peking mit einmal Umsteigen nach Gubeikou. Nachdem der erste Reiseabschnitt, bis Miyun, etwas unangenehm war, da der Bus deutlich überbucht war und wir am Boden sitzen mussten, kam der zweite Teil, die Fahrt mit einem Stadtbus über die Dörfer, einer Besichtungstour gleich: Stausee, Felder, gänzlich untouristisches Hinterland - für 7 RMB (ca. 80 ct) sehr ordentlich. Angenehm auch die Menschen: kein Starren, kein Anbieten von Dienstleistungen (zu phantastischen Preisen); man konnte meinen man fährt in Deutschland unbehelligt durch die Provinz. Als wir unserer Ziel, Gubeikou, nach ca. einer Stunden erreichten, waren wir dann aber doch froh, in China zu sein. Überall am Horizont zu erahnen kleine Türmchen und schwache Linien auf den Bergkämmen, die erahnen ließen, dass wir unser Ziel beinahe erreicht hatten. Nach kurzen Verhandlungen über die Eintrittsgebühr für den lokalen Mauerabschnitt (wir waren sicher die einzigen Kunden an diesem Tag), machten wir uns schnell auf den Weg, die letzten Sonnenstrahlen dieses kurzen Tages nutzend, um die Mauer zu erklimmen, da uns die zahlreich vorhandenen "Folk Inns" (Retorten-Hotels im chinesischen Landhaus-Stil) nicht locken wollten. So standen wir um kurz nach 17 Uhr auf der chinesischen Mauer: Ohne Plan, aber wir waren da - ganz ohne Guide und Tour. Kurz von dem recht anstrengenden Aufstieg (ca. 200 hm) erholt, mussten wir erkennen, dass die Dämmerung nah und ein Weiterlaufen auf der Mauer an diesem Tag nicht ratsam war. Auch bestätigte sich die Befürchtung, dass, an einer auf Bergkämmen errichteten Mauer, Zelten nicht oder nur schwer möglich ist - überall ist das Gelände abschüssig, und ob der Lage zieht es. So machten wir aus der Not eine Tugend und nutzten den erstbesten (halb verfallenen) Wachturm als Nachtlagen. So sparten wir uns, im Falle der befürchteten Entdeckung und Rüge durch Offizielle, das Zelt; hatten nur unsere Schlafsäcke zu packen. Auch einigermaßen windgeschützt schliefen wir so. Nach eiligem Abendessen mit klammen Fingern, lagen wir also erneut viel zu früh (ca. 19 Uhr) in unseren Schlafsäcken.

Am nächsten Morgen wollte das Wetter erneut nicht mit Glanzleistungen aufwarten und so dauerte es etwas bis wir es aus unseren Schlafsäcken schafften. Gerade stand kurz nach 8 Uhr das Wasser auf dem Kocher, kamen auch schon drei Mütterchen auf der, nicht als praktischer Verbindungsweg für andere Ziele zu erkennen, Mauer entlang und bekicherten weise unsere noch offen liegend Schlafsäcke. Eine Versicherung in Zeichensprache, dass es warm genug war, folgte fast anerkennendes Lächeln und die Drei zogen weiter. Nach dem gewohnten Kaffee- und Haferflocken-Frühstück machten wir uns in die Spur zu einem spannenden und unter Umständen harten Tag - einige Berichte sprechen von 6 Stunden Gehzeit bei schweren Bedingungen (schlechter Wegezustand): Auf nach Jinshanling auf dem Abschnitt der Mauer, der sich Panlongshan nennt.

Immer auf der Mauer entlang, stets mindestens 5 Meter über den ohnehin schon schroffen Hügelkämmen, wanderten wir vorbei an Wachtürmen (mindestens alle 300m einer), teilweise eingestürzten Mauerteilen auf und ab, der Kontur der Landschaft folgend. Die Mauer ist in diesem Abschnitt aus der Qi Dynastie (um 550), wurde jedoch um 1400 während der Ming Dynastie erweitert und vergrößert. Heute ist die Mauer an dieser Stelle kaum restauriert und beiweitem keine Touristenautobahn, wie man es von anderen Abschnitten kennt. Nach ca. 1,5h Gehzeit endet dieser Mauerabschnitt offiziell. Es folgt ein Bereich, in dem die historische Mauer noch immer einem militärischen Zweck dient, die nördliche Außenmauer eines Sperrgebietes darstellt, und daher nicht zu betreten ist. In einem kleinen Wachhäuschen auf einem Bergkamm, etwas abseits der Mauer, konnten wir Männer durchs Fernglas sehen, die scheinbar den Abschnitt überwachten. Hier gilt es vom Pass abzusteigen und nördlich der Mauer, über einen gekennzeichneten Wanderweg (orange Punkte) so lange entlang der Mauer zu folgen, bis man, kurz vor Jinshaling, und nach einigen schweißtreibenden Höhenmetern, die Mauer wieder betreten darf. Da es unterwegs keine Möglichkeit gab Wasser zu kaufen (klingt komisch aber erscheint ob der eigentlichen Nähe der Ortschaften ratsamer als Wasser aus irgendwelchen Stehgewässern abzuzapfen), haben wir unseren Vorrat aus einem kleinen Brunnen beim Abstieg, nahe Maisfeldern, wieder aufgefüllt. Eine Entscheidung, die sich als richtig erweisen sollte, da wir, immer auf der Mauer wandernd, von da ab wieder lange kein fließend Wasser gesehen haben, es jedoch einige Mahlzeiten zu bestreiten galt.

Bereits kurz nach dem Beginn des Jinshanling-Abschnittes, am zweiten Turm, wartete bereits ein Funktionsträger darauf, von uns den fälligen Eintritt abzukassieren: Stattliche 80 RMB sollten wir bezahlen, entsprechend sorgfälig prüften wir die Tickets (Warnungen vor falschen Kontrolleuren allerorten) und freuten uns über unaufgefordertes Vorzeigen des Dienstausweises und in überraschend flüssigem Englisch vorgetragenen Eckdaten zu Dauer und Unbilden ihrer Beschäftigung an der Mauer. Etwas ärmer aber positiv überrascht wanderten wir weiter. In diesem Abschnitt zeigte sich nun deutlich was die zahlreichen Bemerkungen zur erschwerten Begehbarkeit der Mauer eigentlich sagen wollen: Alles kein Problem, aber verflixt steil ist es und die Stufenhöhen sind, leicht morsch und manchmal mit fast Kniehöhe, ein ziemlicher Brocken, wenn man einen schweren Rucksack den Berg hinaufbewegt - ein echtes Sicherheitsrisiko auf dem Weg hinab. Dennoch konnten wir das Wandern an diesem Tag aus vollen Zügen genießen: Dank Windstille und ein paar Sonnenstrahlen gab es akzeptable Fotos und auch die Temperaturen waren angenehm, zumindest so lange die Sonne schien. Der jahreszeitlich bedingte, frühe Sonnenuntergang sorgte dann jedoch dafür, dass wir erneut sehr zeitig in einem der Wachtürme, östlich von Jinshanling, unser Nachtlager aufschlugen und, außnahmsweise mit Sonnenuntergang, viel zu früh in den Schlafsäcken lagen um der Kälte zu entfliehen. Die Nacht war windig und knackig kalt. Knackig im wahrsten Sinne des Wortes: Der beliebte Mauerabschnitt zieht viele Menschen an, die ihr Wasser in kleinen Flaschen auf die Mauer tragen (oder da kaufen) und diese dann oben entsorgen. Bei jedem Schwall neuer kalter Luft gab es des Nachts nun also ein Konzert von Dutzenden sich zusammenziehenden Plastikfläschchen (was wir natürlich zu diesem Zeitpunkt noch nicht erkannt hatten)... kombiniert mit der etwas verwinkelten Bauweise des Turmes unheimlich genug um uns ein paar mal zweifeln zu lassen, ob wir nicht doch Besuch haben.

Nach einer langen Nacht standen wir früh auf, um der Möglichkeit zu entgehen abermals für den gleichen Mauerabschnitt Eintritt bezahlen zu müssen, oder, schlimmer noch, Strafgebühr für das explizit nicht erlaubte "camping". Kurz nach Sieben waren also schon die Schlafsachen verpackt und wir saßen, pünktlich zum Sonnenaufgang, mit Kaffeebecher und Haferflocken auf der Mauer, und erlebten was man sonst in Katalogen von Reiseanbietern liest (vgl. "Beijing Hikers", ab 330 RMB pro Tag): Schattenspiele der aufgehenden Sonne, zu blauem Himmel, an der chinesischen Mauer. Einer der Momente der kalte Finger und organisatorische Unbilden relativiert. Ja, wir sind auf Weltreise!

Den Rest des Vormittages verbrachten wir mit ca. einer weiteren Stunde Wanderung Richtung Osten, zum Abstieg der "Östlichen Service-Station Jinshanling", und einem rusackfreien Ausflug von dort ab, weitere 800m auf der Mauer entlang, zum Beginn des momentan (Stand Dezember 2011) gesperrten Simatai-Mauerabschnittes - auch hier saßen zwei arme Seelen, deren einzige Aufgabe darin bestand, auf die Sprerrung hinzuweisen. Bevor wir die Mauer verließen, kamen die ersten Tagestouristen an: ein Bus südtiroler Obstbauern brachte etwas Stimmung und einige interessierte Fragen an uns. Nach kurzem Plausch stiegen wir ab, und liefen - eifrige Taxifahrer abwimmelnd - Richtung Autobahnauffahrt, um einen Überlandbus anzuhalten.

Etwas deplaziert saßen wir nach 2km auf einer Raststätte, jedoch mit der Versicherung einer jungen Dame, die ein "Hello Kitty" Motiv in ein Tuch stickend in einer Touristeninformation saß, das hier Busse nach Chengde und nach Peking anhalten. Nach einer Stunde in der Sonne und einem netten Gespräch mit einem englischsprechenden Chinesen, Studium im Reiseführer, einem Mitfahrangebot eines Briten und vielen Nachfragen von "Taxifahrern" entschieden wir uns gegen Chengde und für die Rückfahrt nach Beijing um dann nach einer Übernachtung mit dem nächstmöglichen Zug nach Shanhaiguan zu fahren. Nach allem, was wir im Lonely Planet über Chengde laßen, erschien es uns nicht erstrebenswert Bauten zu besichtigen, wie wir sie in ähnlicher Art und Weise bereits in Peking gesehen hatten und dafür noch mehr als dort zu bezahlen. Auch laßen wir erstmals, dass in Chengde vielen kleinen Hotels die Lizenz zur Beherbung von Ausländern entzogen wurde, so dass nur noch teure Hotels für uns in Frage kommen würden. Dieses Argument wug schwer gegen die Weiterfahrt in den Norden, aber da wussten wir noch nicht, dass wir uns am Pazifik mit genau dem gleichen Problem herumschlagen müssen. Also saßen wir nach einem Imbiss bald im Bus nach Peking und freuten uns, dass es sehr gut mit dem Anhalten desselbigen geklappt hat, bis uns klar wurde, dass wir wieder nicht nach dem Preis vor dem Einsteigen gefragt haben. Die Dame, die bald nach hinten kam, um den Fahrtpreis zu kassieren, verlangte stattliche 140 RMB, was ungefähr das 6fache unsere Hinreise war. Das erschien uns viel zu teuer und in aller Eile versuchten wir die 24h Hilfe-Hotline für Touristen anzurufen (deren Telefonnummer wir extra rausgeschrieben hatten), damit wir jemanden zum Übersetzen zur Hand hatten. Aber wie so oft, war die Hilfe nicht zur Stelle ("tuuuuut") und auch der Passagier vor uns bestätigte uns mehrmals den horrenden Preis. Da wir lieber wieder aussteigen wollten, als den Betrag zu bezahlen, hielt Pablo der Frau 80 RMB hin und gab zu verstehen, dass wir nicht mehr haben (war auch fast wahr). Interessanter Weise war sie inzwischen ebenfalls auf den Betrag von 40 RMB pro Person gekommen (weil ich versuchte, per Telefon Hilfe zu bekommen?) und somit steckte sie das Geld unter einem Wortschwall und höhnischem Gelächter ein und ging wieder nach vorn. Anschließend versuchten wir noch verschiedene Telefonnummern, die wir für solche Zwecke notiert hatten, um herauszufinden, wer im Unrecht war, aber an Informationen sind wir - es war Wochenende - nicht gekommen. Aber irgendwie hatten wir auch schon zu oft die Erfahrung gemacht, dass Preise sich schlagartig verdoppeln, wenn Ausländer die Geldbörse zücken, so dass wir sicher sind, auf keinen Fall zu wenig gezahlt zu haben. Zum Glück konnten wir bis Peking mitfahren, wo wir an einem dunklen, uns unbekannten Busbahnhof ("Transfer Hub" - hah) wieder in die Kälte ausstiegen. Da die Weiterfahrt nach Shanhaiguan zu so später Stunde absolut unrealistisch war, fuhren wir in die Stadt und suchten das am Telefon reservierte Hostel. Leider verfuhren wir uns auf dem Weg ins Zentrum mit dem Bus (Metroanschluss hat das "Transfer Hub" nicht), so dass wir noch einen abendlichen einstündigen Marsch zur Metro einlegten. Auf dem Weg zum geplanten Hostel fanden wir ein anderes, in dem wir kurz nach dem Preis fragten und ein Doppelzimmer mit eigenem Bad für einen günstigeren Preis angeboten bekamen, was wir natürlich annahmen. Der günstigere Preis (ganz ohne Motivation abermals um 6% runtergehandelt) schlug sich dann jedoch leider in einem leichten Geruchsgemisch aus Küchenresten und Klo nieder, was wir jedoch dank genügender Bettschwere gut ignorieren konnten. Das Bett war weich, und mit Vorfreude auf Teil 2 unserer Mauererkundung konnten wir diese Nacht als Zwischenhalt verschmerzen.

Videos

Karten

Fakten

  • Anreise nach Gubeikou
    • Metrostation Dongzhimen (Linie 1, 13) in Beijing
    • Von der "Bus Transfer Hall" Bus 980 nach Miyun (15 RMB)
    • In Miyun (direkt nach eine Linkskurve) an der Gulou Station raus
    • Entlang der großen Straße nach S gehen (ca. 500m) bis zu einem kleinen Busbahnhof vor einem Elektronikkaufhaus auf der rechten Straßenseite.
    • Bus MI25, fährt nach der Kreuzung ab (und sieht aus wie ein Stadtbus) und nicht vom Busplatz. 7 RMB pro Person und ca. 1h Fahrtzeit.
    • In Gubeikou Zugang zur Mauer durch Folk Village (dorfabgewandte Tunnelseite).
  • Eintritt für den Panlongshan Abschnitt bei Gubeikou: 25 RMB / Person
  • Eintritt für den Jinshanling Abschnitt: 40 RMB / Person
  • Übernachten auf der Mauer ist nicht erlaubt aber möglich. Auch um den Eintritt könnte man sich nach der Dämmerung wohl drücken - nur halt, dass es dann nicht viel zu sehen gibt
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