16.02.2012 Banane

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Version vom 16. Juli 2013, 22:22 Uhr von Wiese (Diskussion | Beiträge) (coord)

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Anlässlich der jüngsten Erkenntnisse, fühle ich mich gemüßigt ein paar Worte über meine aktuellen Gedankengänge zu schreiben.

Nach unserer Einreise in Vietnam sind wir, wie berichtet, in ein kleines, an sich unbedeutendes, Bergdorf gefahren, das sich seine Erwähnung in verschiedensten Reiseführern allein durch seinen sonntäglichen Markt verdient. Hier wollten wir einfach mal Urlaub vom Urlaub nehmen und ein paar Tage in der Sonne, bei endlich angenehmen Temperaturen, auf der Veranda rumgammeln. Natürlich, da sag ich es auch wie es ist, mit der Hoffnung, in einem Entwicklungsland angekommen zu sein, so dass sich die Lebenshaltungskosten für uns angenehm niedrig uns halten. Und dabei meine ich auch tatsächlich die Lebenshaltungskosten und keine Vergnügungskosten. Bis vor kurzem hatte ich sogar ein schlechtem Gewissen dabei, wenn ich die alten krummen Frauen sah, die mühsam unter einem Korb voll Grünzeug ihren Weg gehen. Naja, dachte ich, immerhin bin ich eine weitere Einnahmequelle für sie, aber wie, dass war mir nicht klar.

Eine angenehme Bleibe hatten wir (aus dem letzten Betonbau sind wir wegen schimmligen Wänden ausgezogen) gefunden, und Sonne auf der Veranda ebenfalls. Um das Faulenzen kostengünstig zu halten, gehen wir zum Essen eigentlich immer auf den Markt für eine Nudelsuppe und gönnen uns ein bisschen, französisch-kolonial geprägtes, Weißbrot - der Lokalität entsprenched mit Kokosnussnote - vom Bäcker nebenan. Auch beim Kaffee sind wir auf die Selbstversorgung umgestiegen und haben ein Pfund vietnamesischen Kaffee erstanden, sowie eines dieser kleinen Filtersysteme zum Aufbrühen. Unser Highlight des Tages sind da ganz klar die kleinen Bananen, die hier in den Läden und bei Straßenhändlern angeboten werden. Beim ersten Mal kaufte ich sie noch im besten Glauben in einem kleinen Laden, der, nach unseren westlichen Erfahrungen, feste Preise haben sollte. Ein bisschen teuer (20'000 Dong, 70 Cent für ein Kilo) kamen sie mir schon vor, oder besser: nicht so preiswert, wie ich erwartet hatte. Am nächsten Tag wollten wir ein älteres Mütterchen mit unserem Kauf beglücken, um so größer die Überraschung, als sie uns wagemutig 50'000 Dong zu verstehen gab. Zwar handelten wir sie auf 20'000 Dong herab, aber seltsam fanden wir, dass sie so bereitwillig darauf einging. Wir dachten also, dass 20'000 der übliche Preis wäre. Um es kurz zu machen, er ist es, aber eben für Touristen. Der Manager unserer Unterkunft räumte höchst amüsiert ein, dass er für die gleiche Anzahl Bananen zwischen 4'000 und 7'000 Dong zahlt - also nichtmal die Hälfte! Und als ich ihn fragte, was er für die Suppe auf dem Markt zahlt, drehte er sich nur lachend weg.

Interessant ist weiterhin, dass wir im Fall der Bananen, gewappnet mit dem Wissen um den tatsächlichen Preis, auch nach langen Verhandlungen, den Anweisungen einschlägiger Ratgebern folgend, keine Annäherung erzielen konnten - die Dame bestand auch noch auf ihrem "Spezialpreis" nachdem wir bereits um 100% Realwert entgegengekommen waren - heute war folglich ein bananenfreier Tag. Weiterhin wurden uns eine große Pampelmuse für 100'000 Dong (ca. 3,70 Euro) und eine winzige Honigmelone für 80'000 Dong (ca. 3 Euro) angeboten. Scheinbar haben sie lieber keinen Verkauf als einen fairen Handel. So bekomme ich das gleiche Obst günstiger in Deutschland, und da ist es sogar schon einmal um die Welt geflogen oder gefahren. Klar, da kann man auch nicht immer von einem fairen Handel sprechen.

Das, und der eiskalte Betrug im Bus lassen mich gerade arg an unserem Aufenthalt in Vietnam und an der Freundlichkeit der Menschen zweifeln. Das Verhalten widerspricht grob meinen Werten. Dass es hier um die Handelungen Einzelner geht steht außer Frage, aber warum nur haben wir das Pech auf so viele Individuen mit der gleichen Einstellung zu treffen? Dass ich hier als wandelnde Geldmaschine gesehen werde, das kann ich nachvollziehen. Und ich bin auch gern bereit etwas davon abzugeben, aber sie könnten doch wenigsten etwas weniger dreist sein. Würden sie immer nur das Doppelte von uns verlangen, würde es kaum auffallen und wir würden fleißig mit einem guten Gefühl zahlen. Aber manchmal das bis zu 10fache!? Meine lieben Vietnamesen, das wird eine harte Annäherung!

Die ersten vietnamesischen Vokabeln sind gelernt und Ratgeber zum Handeln studiert. Hoffen wir, dass es nach einiger Eingewöhnung an die Umgangsformen auch bei uns nach dem Einkauf ein Lächeln im Gesicht bleibt.

Nachtrag - Erfolg
Beim gestrigen Abendessen konnten wir mit Erfolg den Preis der Suppe um die Hälfte runterhandeln, sicher noch mit zu chinesischen Manieren (umdrehen und weggehen), aber immerhin haben wir so nur noch 5'000 Dong mehr als die Einheimischen gezahlt.

Nachtrag - Niederlage
Leider hatte die nette Dame von unserem Mittagstisch vergessen, dass wir gestern dort für 30'000 Dong gegessen haben. In Vertrauen in den gleichen Preis haben wir heute ohne Verhandlung bestellt und der Preis war sogleich um 10'000 Dong höher. Dafür gab es (vorher) eine nette Einladung zum Tee und süße Stangen uns unbekannter Art... da kann man fast schon nicht mehr böse sein.

PS: Trotzdem dieser Artikel ohne Frage zu den kürzeren hier zählt, ist er sicher der zwischen uns am heißesten diskutierte. Sagen wir: es handelt sich jetzt schon um eine entschärfte Variante.

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