15.11.2012 Chadai vetaula Nepal! Namaste India!
Aus RTW
Abschied von Nepal - Betteln mit Niveau - Eisenbus in die heilige Stadt
Nach 4 Wochen Wandern ohne Unterbrechung in der beeindruckenden Bergwelt Nepals nahmen wir etwas wehmütig, aber auch erschöpft Abschied von unserem Traumziel. Es war sicher eine der intensivsten und spannendsten Zeiten auf unserer ganzen Reise, in der wir mehr uns selbst und unsere Möglichkeiten kennengelernt haben, als je zu vor. Wir hatten uns an unsere Rucksäcke gewöhnt, etliche Höhenmeter überwunden, interessante Menschen und ihre Lebensweisen zu schätzen gelernt und selbst frühmorgens los zu gehen war kein Problem mehr, aber auch der tapferste Wanderer kommt wohl an den Punkt, an dem er einfach einen ganzen Tag lang mal nur sitzen möchte. Nach langer Zeit im Wander-Paradies, einem persönlichen Traumziel, hieß es nun also, mit ablaufendem Nepal-Visum an die Rückreise nach Indien zu denken - erholen konnten wir uns (hoffentlich) auch da. Blieb keine Ausrede mehr für Rumbummeln in Kathmandu abermals das teure Visum zu verlängern.
Wir blieben noch drei Tage in Kathmandu, in denen wir überwiegend mit Essen beschäftigt waren. Das Steakhaus konnten wir uns zwar nur einmal leisten, aber ansonsten bedachten wir fast alle Küchen mit einem Besuch. Lauffaul, wie wir waren, sahen wir ansonsten wenig von den kulturellen und architektonischen Sehenswürdigkeiten Kathmandus. Eher zufällig, auf der Suche nach einer neuen, größeren Festplatte (die Nepalbilder brachten die alte an ihre Grenzen), kamen wir am lebhaften Platz der Könige vorbei und ließen uns mehr schieben als selbst gehend, durch die turbulenten Marktstraßen drumherum treiben. Den Kauf der Platte ließen wir unterm Strich bleiben. Die Preise dafür waren zu hoch, eine extra Elektroniksteuer sei schuld daran. Dafür fanden wir weit abseits einen kleinen Laden mit Speicherkarten zum akzeptablen Preis. Läden, Laptop, Internet, Fernsehen, heiße Duschen, Toiletten, Frühstücksei, Kuchen und Kaffee auf der Terrasse, alles fühlte sich luxuriös an - nur mehr "Mensch" hat es sich in den Bergen angefühlt ohne die ganzen Annehmlichkeiten der Zivilisation.
Abreise aus Nepal
Den Weg raus aus Nepal kannten wir, auch, dass es nicht alle Busbetreiber mit dem Ticketpreis für Touristen so genau nehmen. Wir gingen ohne Tickets und Abfahrtszeiten zum Balaju Bus Park, ca. 2,5 km nördlich von Thamel - wie gewohnt zu Fuß mit GPS. Der nächste Bus fuhr, wie immer, sofort, und Tickets gab es sogar vom Schalter. Der Preis schien ok und unsere Bitte nach Sitzen in den vorderen Reihen wurde mit einem respektvollen Nicken und der ersten Reihe belohnt. Sollten wir mal alles richtig gemacht haben? Schien so. Einzig, dass der Bus nicht dahin fuhr, wo wir hin wollten - zumindest nicht ganz. Der nepalesische "Ost-West-Highway" nähert sich in Butwal am nächsten an Sunauli (Grenzstadt) an, und unser Bus von Kathmandu endete dort. Das Personal half uns jedoch einen (im Preis enthaltenen) Bus auf dem Weg zum Endziel anzuhalten und den Umstieg zu organisieren - lediglich unsere Rucksäcke waren in dem kleinen Lokalbus wenig bequem und das Dach war bereits voll. Alsbald standen wir im Stockdunkeln (19:00) in Sunauli/Bhairahawa an der Durchgangsstraße; einzig die Währung ist hier noch nepalesisch, das restliche Flair ganz und gar indisch. Wir zögerten nicht lange und steuerten das einzige erkennbare Hotel (Gorkha Prince) an, ließen uns ein durchwachsenes Portfolio an Zimmern zeigen, und nahmen das zweitgünstigste. Der Hunger trieb uns anschließend wieder auf die Straße, und auch ein Ziel hatten wir im Auge. Bei der Fahrt in den Ort meinten wir auf der Parasi Road doch tatsächlich das polierte Wappen einer Bierwerbung gesehen zu haben - auch für Nichttrinker eine echte Option, wo sonst nur Staub und dunkle Häuser zu sehen sind, während die Einheimischen fast romantisch im flackernden Licht ihrer "ich verbrenn hier mal den Müll des Tages"- Lagerfeuer im Straßengraben hocken und schwatzen. In dem Restaurant fanden, was wir vorher nur als "Business Hotel" aus China kannten: der Örtlichkeit unangemessenen Pomp, gestärkte Servietten und, für hiesige Verhältnisse, gepfefferte Preise. Dass es hier Kunden für ein solches Haus gibt muss wohl daran liegen, dass ein reger Handel über die Landesgrenzen hinweg geschieht, und einige wenige gutes Geld damit verdienen, ab und zu beim Reisen in dieser Gegend hängen bleiben. Doch wir hatten noch viele nepalesische Rupien übrig und wollten sie lieber hier loswerden als am nächsten Tag am Wechselfensterchen beim Grenzübergang zu verschenken. Wir fühlten uns jedenfalls wie an der Grenze der Mongolei zu China in Erenhot - nur ohne Marmor auf dem Bordstein.
Am nächsten Morgen brauchte es jedoch wieder nur ein ungebetenes unverschämtes Angebot eines Rickshaw-Fahrers um uns hinreichend zu frustrieren, dass wir die reichlich 3 Kilometer aus dem Ort zum Grenzübergang durch die sengende Hitze zu Fuß zurücklegten. Wir überlegten noch, ob wir den netten Herren einen Besuch abstatten sollten, die uns hier bei der Einreise die Tickets nach Kathmandu (überteuert) "besorgt" hatten (Baoat Tours & Travels), ließen es es aber sein. Lieber verbrachten wir unsere Zeit noch mit Eisessen und Obsteinkäufe um unseren Bestand an nepalesischen Geld noch weiter zu minimieren. Als wir nur noch Scheine übrig hatten, suchten und fanden wir einen kleinen Holzverschlag, in dem uns eine junge Dame die verbleibenden nepalesischen Rupien zu einem überraschend guten Kurs in indische umtauschte. Das Kleingeld setzten wir dagegen in Eis, Cola und Äpfel um.
Die Formalitäten auf nepalesischer Seite waren schnell erledigt, in Indien zogen sie sich jedoch etwas in die Länge (Beamten noch immer ohne Uniform). Vor uns musste noch eine alternative Reisegruppe abgearbeitet werden, deren deutsche Führung die Vorbereitung scheinbar nicht so genau genommen hatten. Immerhin war das Klientel von der Sorte "super lässig", wir jedoch nicht so ganz. Uns saß ein bisschen die Zeit im Nacken, da wir soweit wie möglich an diesem Tag noch kommen wollte. In Gorakhpur waren wir schon bei Anreise lange genug geblieben, so dass wir dort auch nicht wieder enden wollten. Es lag jedoch unausweichlich auf dem Weg zum berühmte Varanasi, was uns um einiges attraktiver für eine ausgedehnte Entspannungsphase erschien.
Busfahrt von der Grenze nach Varanasi
Kaum in Nautanwa auf indischer Seite begann das Gefeilsche um eine Transportmöglichkeit. Es schien mehrere Optionen zu geben, sogar einen Zug von der Nautanwa Railway Station sollte es geben. Der Preis dafür war jedoch enorm hoch (Zugtickets gab es scheinbar nur über einen Vermittler). Die Frage, mit der wir dann von Mann zu Mann liefen, war, ob es einen Direktbus von Nautanwa nach Varanasi gab. Natürlich fand sich auch jemand, der uns versicherte das dies möglich sei, jedoch erst in drei Stunden. Die Ankunftszeit des Busses in Varanasi erschien uns jedoch wenig verlockend, mitten in der Nacht in einer fremden indischen Stadt? Es musste bessere Optionen geben, selbst wenn dies bedeutete, dass wir erst zurück nach Gorakhpur mussten. Während ein anderer Deutscher zu eben jenem Zweck in ein Privatauto stieg und sich fahren ließ, hockten wir uns in einen Bus und harrten der Dinge. Alles ging soweit gut, der Bus fuhr bald ab und es gab sogar ein Ticket aus einem elektronischen Handdrucker - es geht eben doch zivilisiert, oder besser: für uns nachvollziehbar.
Für uns unverständlich war dagegen die Bahn und ihre veralteten Strukturen. Völlig fassungslos mussten wir uns am Bahnhof in Gorakhpur anhören, dass man die Tickets nach Varanasi scheinbar nicht am Bahnhof direkt kaufen konnte, sondern dafür zu einem Reisebüro gute drei Kilometer entfernt laufen musste. Rückblickend, nach dem wir doch sehr viel mit der Bahn gefahren sind, gab es tatsächlich immer ein Extragebäude für den Verkauf von Platzkarten, jedoch nie soweit vom Bahnhof entfernt. "General Class" (Allgemeine Klasse) gibt es zwar am Bahnhof, dann jedoch ohne Garantie auf Sitzplatz, dafür garantiert in einem total überfüllten Waggon, in dem man schon oft gar nicht mehr hinein kommt. In diesem Fall, entschieden wir uns dann erstmal für den Bus.
Der Weg dorthin führte erst zu einem uns schon bekannten Busbahnhof, bzw. eher zu einem Straßenabschnitt, von dem regelmäßig Busse abfahren. Dort beschrieb uns jemand den Weg zum richtigen Abfahrtspunkt für Varanasi und der gute Mann versuchte uns sogar noch eine Rickshaw zu organisieren, scheiterte jedoch an dem allgemeinen Tumult. Viel größer war auch unsere Freude, als wer meinte, dass wir das auch gut zu Fuß machen könnten - ganz unsere Meinung! Da lernt man doch Land und Leute viel besser kennen, oder? Ein Paradabeispiel für Indien war auch gleich zu Stelle in Form eines, nennen wir ihn: Rotzlöffel mit Freundin. Auf einem schicken Motorrad rollten sie langsam neben uns her, fragte uns erst nach Euro-Münzen. Als wir keine aufzuweisen hatten, wollte der Junge sich auch mit Rupien abgeben und hatte in gutem Englisch auch gleich die passende Begründung, warum ihm das zustehe, parat: weil er arm sei. Einen Verweis auf das Motorrad nebst sinnlos verfahrenem Benzin brachte ihn nicht zum grübeln - gehörte ja schließlich seinem Vater. Und so scheint es, der Eindruck entstand immer wieder, Betteln ist in Indien sozial anerkannt, braucht offenbar keine Überwindung, wie man es annimmt - wer Geld hat (bei Ausländern immer der Fall) wird halt darum gebeten.
Bald (15:00) drauf sprangen wir auf einen bereits abgefahrenen Bus an einer Straßenkreuzung auf. Der Busbegleiter hing wie immer nahezu draußen am Bus dran und rief immer wieder laut "Banaras". Hört sich doch so ähnlich an, oder? Auf unsere Frage nach "Varanasi" antwortete er immer wieder mit eben jenem "Banaras" und da die Insassen uns reinwinkten, kletterten wir schlußendlich hinein. Wir nennen ihn heute noch liebevoll Eisenbus. Ein Gefährt wie aus Sovjetzeiten, scheinbar gänzlich ohne jede Federung, dafür aus einem soliden Stück Metall herausgearbeitet. Einzig lose auf die Metallgestelle gelegte Sitzbänke, plattgesessen und total zerschlitzt, versuchen nach Kräften und dem Stand der Forschung (ca. 1960) der menschlichen Anatomie Tribut zu zollen.
Es war eine lange Fahrt. Erst wie gewohnt nur von Ess-Stopps unterbrochen, folgten ab der Dämmerung Kolonnen von Traktoranhängern mit gewaltigen comic-haften Lautsprecherinstallationen und Flutlicht darauf, die ohrenbetäubend laut Musik spielen. Die Menschen, wohlgemerkt nur Männer und Kinder, tanzen fröhlich hinter den Vehikeln her und verstopfen als Nebeneffekt die Straßen. Ziel ist es, zahllose kunstvolle Gottheitsabbildungen in dieser neuartigen Prozession zu einem traditionellen Ritual an Ganges und seinen Zuflüssen zu fahren, wo sie unter dem Jubel der Menschen den Fluten übergeben werden. Irgendeine Puja hatte angefangen und wir waren mittendrin. Wenn das mal nicht schon Mal bunte und spannende Tage in Varanasi verhieß! Wenig überraschend, dass unser Eisenbus somit respektable acht Stunden brauchte um 220km von Gorakhpur nach Varanasi zurückzulegen. Durschnittlich also mit 27,5km/h ging es voran und doch gab es kurze, mehr holprige als rasante Stücke, in denen wir unsere Sitzpolster surften, fest die Eisenstangen vor uns im Klammergriff.
Es kam, wie es nicht kommen sollte, wir kamen erst um 23Uhr mit einem fast leeren Bus in Varanasi an. Es war stockdunkel und auf den Straßen kaum eine Menschenseele. Selbst an unserem Varanasi Bus Stand, unweit des Varanasi Junction Bahnhofs, war nichts mehr los. Lediglich zwei Rickshaws standen noch davor, von denen zwar eine einwilligte uns zu fahren, allerdings zu einem horrenden Preis und ohne Wechselgeld (und das nach einem Tag Arbeit!?). Zum Glück fanden wir noch einen Busmenschen, der uns das Geld wechseln konnte, sonst wären anstatt der eigentlich geforderten 150Rs der komplette 500Rs-Schein in den Händen des Fahrers gelandet. Nach der langsamen Busfahrt ging es fast rasant durch die finsteren Straßen, immer im Zickzack und wir taten uns schwer ein ordentliches Ziel zu nennen. Zwar hatten wir uns eine Unterkunft aus dem Lonely Planet ausgeschaut, aber die lag nur fußläufig zu erreichen am Ganges. Wir wimmelten den Fahrer mühsam ab, der uns noch bis hin schaffen wollte und uns vor dem Gassenlabyrinth warnte. Zugegebener Maßen war es etwas gruselig in den winzigen Gassen, in denen wir lediglich viele Polizisten mit Gewehren trafen. Aber das GPS und die Schriftzüge an den Wänden geleiteten uns zu einigen Hostels. Nur, wer hätte gedacht, dass in der Touristenhochburg Indiens um kurz vor Mitternacht schon alles verrammelt und verriegelt ist? Wir schafften es bei zwei Unterkünften jemanden rauszuklopfen, beides Mal war alles belegt. Ok, dann eben nicht am Ganges sondern in zweiter Reihe. Leichter gedacht als getan. Zwar waren mehr Menschen zu sehen und es wurde uns sogar ein müffelndes Zimmer angeboten, aber der Preis war ganz klar an uns und die nächtliche Stunde angepasst. Als wir das diskutieren wollten, wurden wir harsch darauf hingewiesen, dass wir die Männerrunde bei ihrem wichtigen Gespräch stören und wenn es uns nicht passt, könnten wir weitersuchen. Das machten wir und landeten in einem schmalen Haus, das gerade noch so ein Zimmerchen auftreiben konnte. Erst als alle Formalitäten, inklusive das Kopieren der Pässe, erledigt waren, konnten wir endlich, zehn Minuten nach Mitternacht ins Bett fallen.
Wir hatten es in einem Tag von der nepalesischen Grenze hier her geschafft, nur gute 300km aber durchweg tagfüllend. Wir waren bereit für ein paar Tage süßes Nichtstun und eine zweite Runde Annäherung an die indische Kultur und das in der wichtigsten Stadt für die Inder und Hindus der ganzen Welt. Bei Nacht war Varanasi zwar befremdlich ruhig, aber wir waren gespannt, was die nächsten Tage bringen würden.
Fakten
- Fahrt Kathmandu - Sunauli für 500 NPR p.P.
- Tatsächlicher Schalter für Bustickets an der Grenze in Sunauli: N27.47828 E83.46947
- Bus Sunauli - Gorakhpur ca. 35Rs pro Person (Aufzeichnungen verloren)
- Bus Gorakhpur - Varanasi ca. 90Rs pro Person (Aufzeichnungen verloren)